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Halloween Ends

Originaltitel: Halloween Ends__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: David Gordon Green__Darsteller: Jamie Lee Curtis, Kyle Richards, Andi Matichak, Will Patton, Stephanie McIntyre, Nick Castle, James Jude Courtney, Rohan Campbell, Michele Dawson, Candice Rose, Emily Brinks, Marteen u.a.

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Halloween Ends Poster

Das Poster zu “Halloween Ends”

Für eine Ikone des Horrorfilms kann es nur ein Ende geben. Triumphal muss es sein. Wie ein Feuerwerk, das die Bedeutung des Augenblicks in Detonationen an den Himmel schreibt. Dieser Moment kann durchaus ein intimer sein, vielleicht entsteht er in einem kleinen Raum, in dem sich nur Opfer und Monster gegenüberstehen. Hauptsache, das Raunen der Kinobesucher klingelt einem in den Ohren. Wenn das Ende nicht auf diese Art kommt, dann kommt es wohl gar nicht. In einem solchen Fall droht die Zombifizierung der einstigen Ikone: Das Publikum untersagt dem Monster, mit Knalleffekt die Bühne ein für allemal zu verlassen. Es wird in einen infiniten Regress entsandt, dazu verdammt, wieder und wieder aufzuerstehen, während es von innen heraus langsam ausgehöhlt wird. Man frage Freund Jason oder Freund Pinhead, wie sich das auf lange Sicht anfühlt.

Das ist ein Schicksal, das auch für Michael Myers vorbestimmt war. Vielleicht war er sogar schon darin gefangen, bevor David Gordon Green auf den Plan trat. Dessen Vision sah nämlich vor, Myers nicht länger als Stehaufmännchen zu behandeln, das man einfach wieder aufzieht, um es weiter durch das Herbstlaub von Haddonfield trappeln zu lassen. Eine Trilogie war da konzeptionell nur die logische Konsequenz, denn während man loses Sequel um loses Sequel zu einem langen Rattenschwanz verknüpfen kann, ohne sich jemals zur Endgültigkeit zu bekennen, muss und wird die Trilogie definitiv mit dem dritten Teil enden.

Das Ende ist nun da, und wenn man auf die letzten vier Jahre zurückblickt, ist von einer geschlossenen Klammer nichts zu spüren. Für „Halloween“ von 2018 gilt im Grunde nach wie vor, dass man ihn aus der Gleichung streichen könnte, da er nur wenig von der Saat in sich trägt, die ab „Halloween Kills“ zu einem Emanzipationsversuch mit heftigen Brüchen führen sollte. Covid-19 mag ein Faktor für die erzählerische Inkonsistenz gewesen sein, der größere Faktor dürfte aber die Vielfalt an Ideen und der Mangel an Konsens unter den Autoren und den Geldgebern gewesen sein. Wenn man einen roten Faden zwischen Teil 2 und 3 sucht, findet man ihn am ehesten noch im Verlangen, über die Slasher-Standards hinaus zu denken. „Halloween Ends“ wird von derselben Unzufriedenheit mit dem Status Quo der Reihe angetrieben, die auch schon im zweiten Teil wütete; hier kann man durchaus noch von einer gewissen Konsistenz sprechen. In Anbetracht der kurzen Produktionszeit, die zwischen Mittel- und Schlussteil steht, muss man aber letztlich mit gehöriger Überraschung feststellen, dass der Abschluss der Trilogie trotzdem schon wieder ein völlig anderer Film ist. Von einem präzise getakteten Gesamtwerk mit einem richtigen Masterplan keine Spur. Aber, die streitbaren Vorgänger mal außen vor gelassen: Diesmal entzündet sich doch tatsächlich ein Funke der Inspiration in der Nacht.

Halloween Ends mit Rohan Campbell

“Tschuldigung, ich möchte zu Familie Myers.” “Der wohnt nebenan, du Idiot! Hier wohnt Pennywise!”

Vielleicht braucht Green die Inkonsequenz in der Führung seiner Trilogie sogar, um seinen Punkt zu machen, denn es ist offensichtlich, dass er von zwei Seelen in seiner Brust gesteuert wird, die sich nicht einigen können, ob sie Michael Myers nun mit einem triumphalen Ende endgültig mystifizieren sollen oder ob es im Gegenteil darum gehen soll, nachzuweisen, dass sich hinter der weißen Maske kein unsterblicher Dämon befindet, sondern ein alter, schwach gewordener Mann.

Aufgrund dieser Unentschlossenheit ist „Halloween Ends“ nicht der ultimative Endkampf Myers vs. Strode geworden, der sich nach Jamie Lee Curtis’ Kaltstellung im zweiten Teil angeboten hätte und der das ultimative Bekenntnis zu den Mechanismen des Slasher-Subgenres gewesen wäre. Stattdessen wird mit Corey Cunningham (gespielt von Rohan Campbell) eine komplett neue Figur eingeführt, anhand derer eine Art Schizo-Drama eingefädelt wird, bei dem Myers als metaphysische Entität im Schatten lauert und sprichwörtlich als Freud’sches „Es“ – oder auch als King’sches „Es“ – in der Kanalisation auf seinen Einsatz wartet.

Schon in der Pre-Title-Sequenz werden Hinweise auf die zentralen Themen des Films geliefert. Ein Kürbis wächst da im Bauch eines Kürbis und lässt die alte Hülle platzen, bevor in ihm ein neuer Kürbis heranwächst. Und so weiter und so fort, während John Carpenter ein weiteres Mal seinen trippelnden Synthesizer-Score gekonnt alterniert. Als Leitmotiv dient offensichtlich die Vorstellung des Bösen als unsichtbare Entität, die nach Belieben von einem Körper zum nächsten überspringen kann; ein Ansatz, die beispielsweise in Filmen wie „Der Exorzist“, „Tanz der Teufel“ oder „Dämon“ erkundet wurde. Grundsätzlich geht damit der Versuch einher, das „Böse“ vom Menschen zu entkoppeln, der Böses tut. Die „Evil Dies Tonight“-Fanfaren von „Halloween Kills“ sind damit neutralisiert. Man könnte auch sagen, sie sind als Hirngespinst einer Gemeinde entlarvt, die sich nicht anders zu helfen weiß als ihren Schmerz auf eine einzelne Gestalt zu projizieren.

Halloween Ends mit Michael Myers

Michael Myers präsentiert sich in “Halloween Ends” mehr denn je als Nachtschattengewächs.

Den Regisseur scheinen die Spannungen zwischen den konträren Ansätzen jedenfalls zu beflügeln, denn den Prolog inszeniert er so spielerisch und fließend wie bis dato in noch keinem Moment seiner Trilogie. Geschickt spielt er die im Horror-Genre schon als vollendet klassisch zu bezeichnende Babysitter-Situation gegen seine eigenen modernen Ansätze aus. Er legt Finten, nutzt die Kontinuität beim Schnitt als Ablenkungsmanöver und spielt Katz und Maus mit den Erwartungen des Zuschauers. Von der holprigen Rückblenden-Montage, die den Vorgänger eröffnete, ist nichts mehr zu spüren. Sowohl Aufbau als auch Ausführung wirken wie aus einem Guss, so dass man als Betrachter bereit ist, sich für den neuen Ansatz, der spätestens nach der Auflösung des Prologs klar geworden sein sollte, auf Anhieb zu öffnen.

Von nun an hängt alles an Rohan Campbell. Der Jungdarsteller hat einen verdammt undankbaren Job, denn er muss vergessen machen, dass Michael Myers eigentlich als wichtigste Präsenz des Films erwartet wurde, stattdessen aber nur noch als Silhouette in Erscheinung tritt, als „Shape“, wie er in Anspielung auf das 78er-Original unübersehbar im Vorspann genannt wird. Campbell, dessen Spiel fast ein wenig an Iwan Rheon in seiner „Misfits“-Rolle erinnert, liefert glücklicherweise ab. Man kommt zwar nicht umhin, die Psychologisierung seiner Figur als oberflächlich wahrzunehmen. Ohne jeden Zweifel empfindet man aber starkes Mitleid mit ihm und spürt die Bürde, die er mit sich trägt – auch weil es sich das Drehbuch gestattet, ein äußerst klischeehaftes, aber ungemein hassenswertes College-Arschloch-Exemplar aus dem Slasher-Baukasten (schmierig wie eine ganze Tube Haargel: Michael Barbieri) in seine Peripherie zu pflanzen, so dass man Bluthochdruck bekommt, wann immer er mit seiner Entourage in Daddys Karre vorfährt, um dem Außenseiter den Tag zu vermiesen.

Einige Probleme hat das Skript damit, die Wege des neuen Hauptdarstellers mit denen von Laurie (Jamie Lee Curtis) und ihrer Enkelin Allyson (Andi Matichak) zu kreuzen. Die Beziehung, die sich zwischen Allyson und Corey entwickelt, basiert vollständig auf der schmerzhaften Vergangenheit, die beide im direkten oder indirekten Sinn durch Michael Myers erfahren haben, und bei dem Versuch, das Band zwischen Beiden zu knüpfen und gleichzeitig die dunkle Seite Coreys zu erforschen, sehen sich die Autoren gezwungen, die Charaktere auch mal gegen ihren Strich zu bürsten. In dieser Phase ist der Film durchaus auf die Gunst des Genre-Publiums angewiesen, das fragwürdig ausgearbeitete Charakterprofile eher zu verzeihen bereit ist als das Publikum eines psychologischen Dramas, einer Zielgruppe, die Green durchaus noch von seinen Frühwerken kennen dürfte. Belohnt wird man mit Entwicklungen, die durchaus dazu in der Lage sind, ein Spektrum an starken Emotionen zu erzeugen, das zumeist mit Ungerechtigkeit zu tun hat, verursacht durch Menschen, die in ihrem eigenen Blickwinkel gefangen sind, nicht dazu in der Lage, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Das ist eine Stärke des Films, die nicht bei Allyson und Corey halt macht, sondern auch auf andere Figuren anzuwenden ist; Frank (Will Patton) etwa, der sich am Abschnitt eines neuen Lebens wähnt, nicht zuletzt aber natürlich Laurie, die dahingehend einige der stärksten Szenen hat, wenn sie lächelnd ob eines unverhofften Anflugs von Glück einen Supermarkt verlässt und von einer Sekunde auf die nächste aus einer völlig unerwarteten Richtung von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Den Puls lässt das höher steigen als jeder Jump Scare. Ein hochklassiges Psychodrama sieht natürlich anders aus, aber „Halloween Ends“ hat im Rahmen seiner Möglichkeiten diesbezüglich überdurchschnittlich starke Momente zu verbuchen.

Bald darauf geht Green ans Eingemachte, das aber nur zweitrangig aus Körpern besteht, die mit dem Fleischermesser zu Hackfleisch verarbeitet werden, sondern in erster Linie aus Körpern, die Plätze miteinander tauschen. Das getragene Tempo und die wenigen Kills in der ersten Hälfte dürften gar nicht das Hauptproblem konservativer Anhänger der Reihe sein, von denen die meisten wohl keinen guten Kinotag gehabt haben dürften; sie stoßen sich vermutlich eher an der Art und Weise, wie die Ikone zum Gefäß umgedeutet wird, aus dem man mit beiden Händen das Böse schöpfen kann, um sich einfach selbst damit zu beschmieren. Dass der maskierte Halloween-Geist nun als Folie à Deux durch die Häuser reicher Ärzte und die Gassen kaputter Viertel streift, ist ein mehr als zwiespältiges Erlebnis, weil man diesen Anblick nicht gewohnt ist. Es eröffnet aber zugleich Unmengen neuer Möglichkeiten sowohl in der Umsetzung der Tötungen als auch in der symbolischen Deutung dieser Taten.

Eine Schwäche, die Green aus „Halloween“ und „Halloween Kills“ beibehalten hat, ist die beliebig wirkende Einführung von Figuren, denen von der ersten Sekunde an ein saftiges rotes „Kill Me“ auf die Stirn geschrieben steht. Eine bösartige oder willensschwache Figur aufs Spielfeld zu stellen, um sie kurz darauf wieder vom Spielfeld zu fegen, klingt nach dem Sadismus eines in der Ehre verletzten Kleinkindes. Immerhin darf man die entsprechende Genugtuung auskosten, wenn es dann soweit ist. Wir haben es nämlich entgegen anders lautender Berichte durchaus noch mit einem Horrorfilm zu tun, bei dem die Einwohnerzahl auf dem Ortseingangsschild deutlich nach unten korrigiert werden muss, auch wenn natürlich der Bodycount des Vorgängers nicht mehr erreicht werden kann. Green will trotzdem nicht zimperlich sein und liefert wieder einen hübschen Sack voller Süßigkeiten aus, in dem sich mindestens zwei besondere Gaumenkitzler für Gorehounds befinden. Stalking-Horror mit schwelendem Spannungsaufbau ist weiterhin nicht sein Spezialgebiet, er bevorzugt es, mit der Tür ins Haus zu fallen und im Zweifelsfall Action und Horror miteinander zu verknüpfen, sofern das Opfer überhaupt Zeit hat, sich zu wehren. Einmal kommt es sogar zu einer zynischen Pointe, bei der quasi einer ganzen sich das Maul zerreißenden Kleinstadt die Zunge zum Sprechen genommen wird.

Halloween Ends mit Jamie Lee Curtis

Jamie Lee Curtis ist auf den Besuch des Sensenmanns perfekt vorbereitet.

Das Ende selbst, es dreht und wendet sich schließlich wie ein Zitteraal, weil Green nun weiß, dass er Nägel mit Köpfen machen muss. Anzeichen für die Richtung hat er schon in den ersten Minuten auffällig unauffällig in die Bildeinstellungen geschmuggelt, aber bis es soweit ist, legt er noch ein paar doppelte Böden rund um das Duell Laurie gegen Michael. Ob das Finale den Triumph liefert, den das Monster verdient, muss jeder Einzelne vermutlich für sich beurteilen. Green jedenfalls gerät zum Schluss nochmal ins Stolpern, als er sich für das letzte Ausrufezeichen noch einmal dem Kleinstadtpathos von „Halloween Kills“ zuwendet. Den Konflikt, den die beiden Seelen in ihm austragen, konnte er auch nicht zufriedenstellend lösen.

So überrascht es nicht, dass sich inzwischen abzeichnet, dass „Halloween Ends“ das Publikum wohl noch tiefer spalten könnte als die vorangegangenen Teile ohnehin schon. Wie könnte es bei einem solchen Schlingerkurs über drei Filme hinweg auch anders sein. Trotzdem ist Green mit der Melange aus Horrorfilm und metaphysischem Verarbeitungsdrama ein in Teilen packendes Gemisch geglückt. Es geht dabei nicht um psychologische Glaubwürdigkeit oder eine Trilogie mit einem harmonischen Konzept, sondern um unser eigenes zwiegespaltenes Verhältnis zu den Horror-Ikonen, mit denen wir alle aufgewachsen sind. Wie lange der therapeutische Effekt halten wird, zeigt sich dann, wenn der nächste „Halloween“ angekündigt wurde.

7 von 10

Schaut in den Trailer zum Film

Informationen zur Veröffentlichung von “Halloween Ends”

“Halloween Ends” startete am 13. Oktober 2022 in den deutschen Kinos. Der US-Streaminganbieter Peacock zeigt den finalen Teil der Trilogie parallel auch auf der eigenen Plattform, die allerdings in Deutschland nicht zur Verfügung steht. Nach aktuellem Stand soll schon am Ende des Jahres eine Auswertung auf DVD, Blu-ray und 4K-UHD erfolgen.

Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Universal Pictures__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein / Nein (voraussichtlich ab Ende 2022)

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