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Hard Powder

Originaltitel: Cold Pursuit__Herstellungsland: Großbritannien, Norwegen, USA__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Hans Petter Moland__Darsteller: Liam Neeson, Laura Dern, Micheál Richardson, Michael Eklund, Bradley Stryker, Wesley MacInnes, Tom Bateman, Domenick Lombardozzi, Nicholas Holmes, Jim Shield u.a.
Hard Powder DVD Cover

Liam Neeson lässt in “Hard Powder” ordentlich Blut in den Schnee tröpfeln.

Als Hans Petter Moland vom immer mehr florierenden Drogenhandel in seiner norwegischen Heimat hörte, überlegte er, wie er wohl reagieren würde, wenn einer seiner Angehörigen an einer Überdosis sterben würde. Diese Idee dachte er immer weiter. Sogar bis zum Vendetta-Ansatz. Dabei fiel ihm auf, dass er sich als „Rächer-Laie“ wohl ziemlich dämlich anstellen würde. Die schwarze Komödie „Kraftidioten“ (zu deutsch: Der Vollidiot) war geboren.

In Amerika hieß die schwarze Komödie „In Order of Disappearance“ (im Remake Grundlage eines netten Abspanngags) und in Deutschland „Einer nach dem anderen“. In der Hauptrolle killte sich 2014 Stellan Skarsgård als Nils Dickman durch die Handlung. Im Zuge der damals grassierenden und von Liam Neeson angestoßenen Welle der killenden „Rentner“-Charaktere wurde die humorigere Variante auf diversen Festivals richtig gut aufgenommen. So gut, dass Moland die Möglichkeit erhielt, ein US-Remake in Szene zu setzen. Mit Liam Neeson in der Hauptrolle. Welch Ironie.

Nels Coxman (welch Pimmelfixierung!) ist Schneepflugfahrer in der kleinen Gemeinde Kehoe. Just an dem Tag, an dem Nels zum Bürger der Stadt ernannt werden soll, kehrt sein Sohn in den beschaulichen Skiort in den Rocky Mountains zurück. Wenige Stunden später ist er jedoch tot. Verstorben an einer Überdosis. Für die örtliche Polizei ist glasklar: Nels’ Sohn war ein Junkie. Fall erledigt. Aber Nels weiß es besser. Doch was soll er tun? An einem Punkt höchster Verzweiflung taucht plötzlich ein Freund von Nels Sohn auf. Der macht eindeutige Andeutungen über die wahren Hintergründe des Todes seines Kumpels. Sofort leckt Nels Blut. Er will Rache.

Wie sein unaufhaltsamer Schneepflug fräst er fortan durch die zwielichtige Halbwelt von Kehoe. Die ist erstaunlich weitschweifend und wird befeuert durch gleich mehrere Gaunerparteien aus dem nahe gelegenen Denver. Mit unorthodoxen Methoden dünnt Nels die Gangster nach und nach aus – und hat die perfekte Tarnung. Wer würde schon einen Schneepflugfahrer hinter den unzähligen Vermisstenfällen vermuten? Doch je weiter Nels auf seinem Rachefeldzug fortschreitet, umso mehr droht ihm selbiger zu entgleiten. Ein Bandenkrieg wird immer wahrscheinlicher.

Schaut in “Hard Powder” mit Liam Neeson hinein

httpv://www.youtube.com/watch?v=ap2kiC1nTPs

Die Abweichungen im Ablauf der Geschichte von „Einer nach dem anderen“ und „Hard Powder“ beschränken sich überwiegend auf die Lokalisierung des Stoffes. Was im Grunde allerdings auch der Sinn eines Remakes dieser Art ist. Immerhin geht es bei „Hard Powder“ darum, einen in einem Kulturkreis erfolgreichen Film einem ganz neuen Publikum nahezubringen.

Gleichzeitig fällt es freilich nicht schwer, dem Remake eine gewisse Einfallslosigkeit vorzuwerfen, weil es die Handlung des Originals wirklich so gar nicht variiert oder um neue Aspekte erweitert. So bemerken Kenner des Originals oberflächlich kaum mehr Änderungen als neue Namen (aus Nils wird Nels), neue Ethnien (aus Serben werden Indianer) und neue Schauplätze (aus Südnorwegen wird Colorado). Die Filme sind sogar beinahe gleichlang.

Hard Powder mit Liam Neeson als Nels

Nels und sein Schneepflug… ein tödliches Team.

Gravierendere Unterschiede findet man eigentlich nur im grundsätzlichen Ton. Der Humor von „Einer nach dem anderen“ wirkt schwärzer, verschrobener. Die Gewalttätigkeit „unbekümmerter“, derber. Hier bemerkt man beim Remake definitiv eine Verschiebung der Tonalität in Richtung Mainstream. Das macht aus „Hard Powder“ allerdings keinen schlechten Film. Im Gegenteil: Er wirkt insgesamt geradliniger und mehr auf den Punkt.

Und er teilt sich den größten Pluspunkt mit dem Original: Die herrlich verschrobene Story. Alleine der Gegensatz, der sich aus dem verschlafenen Schauplatz und dem ungeahnten Ausmaß des darin gärenden Verbrechens ergibt, ist wundervoll seltsam. Auf der einen Seite reicht schon eine Leiche, um dem Dorfsheriff massiv auf den Magen zu schlagen. Auf der anderen Seite pflügt Liam Neeson durch eine Gegner-Schar, deren Mitglieder sich inmitten der verschneiten, immer leicht außerweltlich wirkenden Landschaft der Rocky Mountains Bullet, Viking, Speedo oder Mustang nennen. Ein Spaß!

Hard Powder mit Liam Neeson und Tom Bateman

Fieswicht Viking (l) gibt einen Scheiß auf Nels Rachegelüste.

Davon abgesehen bleibt einem das Lachen bei „Hard Powder“ gerne mal im Halse stecken. Wie beim Original bedient sich Moland eines zwar abgemilderten, dennoch aber sehr schwarz angehauchten Humors. Dieser schlägt sich sowohl in schrägen Alltagsbeobachtungen der Marke „Fargo“ als auch in den gewalttätigen Momenten des Filmes Bahn.

Letztere werden in „Hard Powder“ im Rahmen eindrücklicher, meist sehr kurzer Szenen gezündet. In denen geht Liam Neeson mit der Kraft seiner baren Hände oder mit einer abgesägten Flinte auf Gangsterjagd. Dabei darf das Blut munter in den Schnee Kehoes spritzen. Und kleine Nicklichkeiten, wie die Sounds am Boden tanzender, ausgeschlagener Zähne, sitzen punktgenau. Ab und an darf auch der Schneepflug von Nels zum Einsatz kommen. Dann werden Autos von der Fahrbahn gerammt. Oder es wird eine Art Indiana-Jones-Actionszene initiiert. Nur dass ein Auto eines Gangsters Indiana Jones ersetzt und Nels Schneepflug die alles zerquetschende Steinkugel.

Erst im Showdown wird die Action etwas größer skaliert. Dann setzt es einen hübschen Shootout mit nettem Bodycount. Apropos: „Hard Powder“ hat einen Kill-Count implementiert. Wann immer eine handlungstragende Person On- oder Off-Screen das Zeitliche segnet, wird deren Name eingeblendet.

Leiche am Stadtschild

Die örtliche Polizei wirkt schon bei einer Leiche überfordert. Zum Glück entsorgt Nels seine Toten gründlicher.

Darstellerisch macht sich Liam Neeson („The Commuter“) den Helden des Filmes vollkommen zu eigen. Dementsprechend wird Nels im Handumdrehen zu einem typischen Liam-Neeson-Charakter der Post-Taken-Ära: Verschlossen, einsilbig, zielstrebig und mit dem Herzen immer am rechten Fleck. Mann um Mann killt er sich durch alle, die er für den Tod seines Sohnes verantwortlich macht. Und getreu dem Original muss „Einer nach dem anderen“ dran glauben. Damit läuft Neeson niemals Gefahr, Skarsgards Leistung einfach nur zu kopieren. Ein bisserl zu einfach macht es ihm das Drehbuch damit aber auch.

An seiner Seite spielt Laura Dern („Star Wars: Die letzten Jedi“) nur recht kurz Nels Ehefrau. Als Vertrauensperson rückt danach William Forsythe („Check Point“) als Bruder von Nels nach. Der liefert als ehemaliger Verbrecher mit taffer, leicht nerviger Massage-Asiatin als Freundin eine köstliche Vorstellung ab. Emmy Rossum („Shameless“) kommt derweil als Dorfpolizistin nie so wirklich im Film an.

Hard Powder mit Liam Neeson im Rachemodus

Nels hat die Lumpen im Visier.

Auf der Seite der Bösewichter erleben wir Tom Bateman („Mord im Orient-Express“) als widerwärtig arroganten Drecksack Viking. Der wird vom Drehbuch zwar schön facettenreich angelegt, wirkt aber als Bösewicht leider nie bedrohlich. Von einem anderen Kaliber ist Tom Jackson („Skinwalkers“) als White Bull. Der Anführer der verbrecherischen Film-Indianer hat eine irre Ausstrahlung und legt seinen Bösewicht als Übersouverän an. In den Reihen der Fieswichter tummeln sich Namen wie Michael Eklund („Postal“), Bradley Stryker („The Lizzie Borden Chronicles“), Domenick Lombardozzi („Malavita – The Family“), Benjamin Hollingsworth („Vendetta“) und David O’Hara („Doomsday“). Das größte Problem der „Hard Powder“-Bösewichter: An die Fieswichte des Originals, Pål Sverre Valheim Hagen und Bruno Ganz, kommt hier niemand heran.

Technisch gibt es an „Hard Powder“ nichts zu mäkeln. Sowohl Original als auch Remake können sich auf das geübte Auge des Kameramannes Philip Remi Øgaard verlassen. Der setzt die pittoresk schönen Schneelandschaften perfekt ins Szene. In „Hard Powder“ geraten sie aufgrund der Rocky Mountains im Hintergrund sogar noch einen Tick majestätischer. Stark ist, wie urgewaltig der Schneepflug inszeniert wird. Bei dessen erstem Auftritt meint man, einem Lawinenabgang beizuwohnen. Irgendwann wird dann klar, dass diese Schneewände von dem irre schnell vorbeischießenden Pflug erzeugt werden. Unter den Schneepanoramen pumpt ein anfänglich erstaunlich düsterer, häufig elektronischer Score, der mit fortschreitender Handlung mehr und mehr den schwarzhumorigen Einschlag des Filmes unterstreicht.

“Hard Powder” oder “Einer nach dem anderen”? Entscheidet selbst!

Was am Ende bleibt, ist ein lakonischer, blutiger, schwarzhumoriger Thriller, der, sobald die Gewaltspirale angeworfen wurde, kein Halten mehr kennt. Zwei Stunden lang schauen wir Liam Neeson zu, wie er sich stoisch und mithilfe von Kriminalliteratur durch die zahlreichen Bösewichter einer Kleinstadt pflügt. Das tut er mit beachtlicher Brutalität, die in einem wirklich hübschen Showdown ihren Höhepunkt findet. Wunderschöne Bilder der pittoresken Schneelandschaften inmitten der Rocky Mountains verwöhnen die Augen, ein düsterer Score die Ohren.

Dabei ist „Hard Powder“ im Grunde kaum mehr als die Lokalisierung des ebenfalls schwer unterhaltsamen „Einer nach dem anderen“. Folglich muss man definitiv nicht zwingend beide Filme gesehen haben. Dazu sind sie einander zu ähnlich. Liam-Neeson-Fans sollten freilich zu „Hard Powder“ greifen. Der präsentiert den Mimen genauso, wie man ihn in den letzten Jahren am liebsten gesehen hat: Kompromisslos, geradlinig, knallhart. Nur dass er diesmal nicht sooo genau weiß, was er da eigentlich genau macht.

07

Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 11. Juli 2019 fürs Heimkino. Beide Datenträger transportieren Interviews mit Liam Neeson und Regisseur Moland sowie geschnittene Szenen und ein Making Of.

In diesem Sinne:
freeman

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Copyright aller Filmbilder/Label: Studiocanal__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__ Blu-ray/DVD: Ja/Ja

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