Originaltitel: Her & Him__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2019__ Regie: Bella Thorne__ Darsteller: Small Hands, Abella Danger, Jen Stein, Michael Cohen |
Es war ausgerechnet die Weltpremiere eines “Shorts”, die mich dazu bewogen hatte, am 12. September 2019 erstmalig das von manchen gern “das ‘Sundance’ Deutschlands” genannte “Filmfest Oldenburg” zu besuchen: Eine von mir relativ geschwind getroffene Entscheidung, nachdem ich davon erfuhr, dass die Regisseurin eben jenes knapp 30-minütigen Werks bei der Veranstaltung zugegen sein würde – nämlich Bella Thorne; ihres Zeichens Sängerin, Model, Autorin, Designerin, Schauspielerin und “Social-Media-Phänomen” (mit momentan rund 21,3 Millionen Followern bei “Instagram”). Hübsch, talentiert, ansprechend “edgy” sowie bereits seit Kindesalter im Showbusiness aktiv, hat sich die im Oktober 1997 geborene Amerikanerin mit Auftritten in einer Reihe solider Veröffentlichungen in den vergangenen Jahren bei mir beliebt gemacht, zu denen McG´s “the Babysitter“, die tragisch-schöne Love-Story “Midnight Sun” sowie die gewalttätig-fiese Zeitgeist-Satire “Assassination Nation” zählen…
Zudem besitzt Bella (so wie ich) ein Faible fürs Horror-Genre – war schon früh in ihrer Karriere (noch bevor sie 12 wurde) in “the Seer”, “Craw Lake” und “Forget me not” zu sehen sowie jüngst u.a. in “Keep Watching” und “Amityville: the Awakening” – weshalb es nicht gerade eine verwunderliche Intention ihrerseits markierte, ursprünglich einen eben solchen (zu Weihnachten angesiedelten) Streifen zu realisieren, als sie sich irgendwann dazu entschloss, nach einigen Musikvideos auch mal ein “klassisches” (narratives) Projekt zu konzipieren und in Szene zu setzen. Im Laufe der Konkretisierung dieser Bestrebung verwarf sie den Plan in der Form allerdings wieder – und machte sich stattdessen weiterführende Gedanken über spezielle mit “Dominanz und Unterwerfung” verknüpfte “Dynamiken” innerhalb von Beziehungen, die sich auf ganz unterschiedliche andere Dinge übertragen lassen und welche sie im Folgenden zu einem Skript hin ausgestaltete…
Auf der Suche nach einem Geschäftspartner in kreativer und finanzieller Hinsicht, der ihr eine Verwirklichung ihrer durchaus “unkonventionell-gewagten” Ideen ermöglichen würde, ohne dabei “einschränkende Kompromisse” eingehen zu müssen, kam Thorne eines Tages mit Vertretern der Website “Pornhub” in Kontakt, welche ihr flugs die gewünschten “Freiheiten” (unterstützend) zusagten. Auf diesem Wege entstand schließlich der hier im Fokus stehende, partiell überspitzt-amüsant geartete, mit explizitem Sex sowie gewissen Drama- und Thriller-Elementen aufwartende Kurzfilm “Her & Him” – und zwar als dritter Beitrag der “Visionaries Director’s Series” im kostenpflichtigen “Premium Service”-Bereich der betreffenden Online-Plattform. Erwartungsgemäß machten Schlagzeilen wie “Disney-Sternchen dreht Porno” oder “Bella Thorne dreht jetzt Schmuddelfilme” rasch die Runde – das aber zumindest meist samt der Info über die Uraufführung des Werks auf dem renommierten deutschen Festival…
Ich frage mich, wie sich Bella bei ihrem Aufenthalt in der niedersächsischen Stadt so gefühlt haben mag. Wohl, hoffe ich – doch generell gibt Oldenburg (von einem bestimmten “Charme” mal losgelöst) nicht sonderlich viel her, wie ich feststellen musste. Zum “Red Carpet Event” erschien sie jedenfalls prima aufgelegt: Posierte ausgelassen (einen schicken Hosenanzug von “Chanel” tragend) im Beisein ihres neuen Freundes Benjamin Mascolo für die versammelten Medienvertreter, beantwortete Fragen und betrat dann gemeinsam mit Filmfest-Chef Torsten Neumann die ehemalige Exerzierhalle am Pferdemarkt, welche an jenem Abend die Screening-Location bildete. Drinnen noch etwas “Small Talk” im Foyer – gefolgt von einigen Worten an die Platz genommenen Zuschauer, im Zuge derer sie (sympathisch und leicht zurückhaltend) u.a. auf ihre Motivation hinter dem Geschaffenen einging sowie sich dankbar darüber äußerte, ihr Debüt in jenem Rahmen präsentieren zu dürfen…
Obgleich beide Motive wie Macht, Liebe, Gewalt und Sexualität umfassen, empfand ich es dennoch als ein wenig kurios, dass man “Her & Him” (quasi als kleines “Double Feature”) ausgerechnet mit Rainer Werner Fassbinder´s 1982er Kult-Streifen “Querelle” gepaart hatte, der als Teil eines Tributs an den Schauspieler, Autor, Regisseur, Bankräuber und Künstler Burkhard Driest gezeigt wurde, der ebenfalls als Gast vor Ort war. Entsprechend lag der Publikums-Altersdurchschnitt nahe der 40, dürften viele kaum mit dem Œuvre Thornes vertraut gewesen sein und war es für die Mehrzahl mit Sicherheit eine neue Erfahrung, sich Hardcore-Sex “auf der großen Leinwand” anzusehen – gerade in einem solchen Ambiente Schrägstrich in einer Runde wie dieser. In Anbetracht dessen (sowie seines modernen visuellen und musikalischen Stils) hätte man Thorne´s Film vielleicht besser vor Arin Crumley´s “MOOP” (“Matter out of Place”) positionieren sollen…
Nun aber zu dem “Short” an sich, in welchem es um zwei “Twentysomethings” (Small Hands und Abella Danger) geht, die seit einiger Zeit bereits eine (sie jeweils scheinbar relativ zufrieden stellende) Beziehung miteinander führen: Es ist als er sich eines Tages spontan mal ihr Handy ausleiht, dass er nach dem Öffnen ihres Internet-Browsers zufällig auf das von ihr zuletzt eingegebene Such-Thema “How to kill your boyfriend and get away with it.” stößt – was ihn stracks schwer beunruhigt sowie ihn sich ihr gegenüber fortan abschätzend-nervös gebaren lässt. Ohne sie direkt darauf anzusprechen, beginnt er damit, sich darum zu bemühen, die wahre Ausprägung ihrer Gefühle zu ergründen, da er sie liebt und eigentlich davon ausgegangen war, dass sie diese Empfindung genauso hegen würde. Im Gegenzug vermag sie seine Fragen und sein plötzlich verändertes Verhalten nicht einzuschätzen – woraus sich schon bald ein “erotisch aufgeladenes Katz&Maus-Spiel” entwickelt…
Mit seinen kräftig-bunten Farben und vereinzelt platzierten “Effekten” (á la “Split-Screen”-Einsatz) erinnert “Her & Him” unweigerlich ein Stück weit an die von Throne zuvor gedrehten Videoclips: In Kombination mit der Kamera-Arbeit Bianca Buttis, dem Editing Brennan Piersons sowie dem Score des Musikers Mod Sun (dem damaligen Boyfriend Bellas) wurde eine “ins Psychedelische neigende Atmosphäre” kreiert, die mit dem “aufgewühlten” Gemütszustand des Mannes sowie seiner Befürchtung harmoniert, seine Partnerin hätte ihm eventuell “etwas” in sein Heißgetränk gemischt – wobei man die Häufigkeit gewisser regelmäßig erklingender “schräger Sounds” meiner Meinung nach aber getrost hätte reduzieren können, da nicht wirklich nötig und obendrein tendenziell nervig. Zudem war die Ton-Abmischung (zumindest in Oldenburg) sporadisch suboptimal: Insbesondere bei einer Dusch-Szene hat man den zugehörigen Dialog nur mit Anstrengung verstehen können…
Als Leads castete Thorne die beiden Porno-Akteure Abella Danger und Small Hands, welche im Vorliegenden (u.a. nach “I know who you fucked last Halloween”) nicht zum ersten Mal im selben Werk agieren. Unabhängig einiger “mimischer Defizite” (bei ihm stärker als bei ihr) verkörpern sie das Paar nichtsdestotrotz in einem soliden Maße überzeugend: Die Beziehung ihrer Figuren nimmt man ihnen anstandslos ab. Zwar wird inhaltlich nichts weiter daraus gemacht, dass er per Zugriff auf ihr Smartphone einen “Einblick in ihre Privatsphäre” erhält – doch als Auslöser seiner Verunsicherung, Reflexion und Befürchtungen funktioniert dieses Plot-Element einträglich. Ich selbst würde wohl nicht derart “überreagieren”, wenn ich jenen Suchbegriff bei meiner Freundin lesen würde – schließlich kann es dafür mehrerlei Erklärungen geben – bloß kennen wir seine grundlegende “mentale Stabilität” ja nicht und geht das Ganze innerhalb des gebotenen “überspitzten Kontexts” durchaus in Ordnung…
Ihre Reaktion auf seine “zerrütte emotionale Sicherheit” besteht indes aus einer Kombination aus Amüsement und Provokation: Die Frage ist nur, ob das mit zu ihrem (potentiellen) Plan gehört – oder aus ihrer Unwissenheit resultiert, was diese jähe Veränderung überhaupt bei ihm getriggert hat. Auch als ein Messer mit ins Spiel kommt, bleibt ihr wechselseitiges “Ringen um Klarheit und Dominanz” eher unterhaltsam als spannend – worüber hinaus Angst ja ein intensives “Aphrodisiakum” markiert. Folgerichtig mündet die Entfaltung an einem Punkt in einem ausgiebigen Geschlechtsverkehrsakt, der einem in expliziten Einstellungen dargereicht wird – im Zuge dessen jedoch einen erfreulich “realistischen” Eindruck erzeugt: Frei “aufdringlicher” Closeups, allzu häufiger Stellungswechsel sowie “unnatürlicher Verrenkungen” arrangiert, kann man bescheinigen, dass so tatsächlich “echte Menschen” Sex haben – etwas, das bei Pornos bekanntlich beileibe nicht immer der Fall ist…
Auf die Laufzeit bezogen, kam mir persönlich die Dauer der Beischlaf- und Dusch-Szenen ein wenig zu lang vor – wohlmöglich gab es da allerdings Vorgaben von “Pornhub”. Eine generelle “Straffung” um rund 10 Minuten wäre gewiss optimal gewesen – einfach um den “Kurzweil-Grad” zu erhöhen. Thorne´s Skriptvorlage (Dialoge etc.) und Regie muten jeweils “ungeschliffen” an – was zu diesem Projekt hier jedoch passt. Von der Stimmung her “zwischen Rausch, Traum, Einbildung und Wirklichkeit” zu verorten, gibt es neben allem bereits Aufgeführten überdies gar noch blutige Gewalt und einen annehmbaren “Twist” zu verzeichnen. Zusammenfassend lässt sich vermelden, dass man sich “Her & Him” (bei Interesse) ruhig mal anschauen kann und er von Thorne keineswegs zum “Generieren von Schlagzeilen” gedreht wurde, sondern weil sie (anders als die meisten mit einem vergleichbaren “Status” in der Branche) von Natur aus “experimentierfreudig” ist sowie schlichtweg kein Problem mit einer solchen Materie hat…
gute
Stefan Seidl
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zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright der “Her & Him” Poster, Promo-Bilder und Pics: Loney Cat, Pornhub, Filmfest Oldenburg__ Copyright der Fotos: Stefan Seidl, Actionfreunde__ DVD/BluRay: nein/nein |