Originaltitel: In the Heat of the Night__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1967__Regie: Norman Jewison__Darsteller: Sidney Poitier, Rod Steiger, Warren Oates, Lee Grant, Larry Gates, James Patterson, William Schallert, Beah Richards, Peter Whitney, Kermit Murdock, Larry D. Mann, Arthur Malet, Fred Stewart, Quentin Dean, Scott Wilson, Timothy Scott, William Watson u.a. |
Kühlt es nachts nicht mehr ab, beginnt der Teufelskreis. Die in der Nacht gespeicherte Wärme hält sich bis zum Sonnenaufgang, und mit der Mittagssonne staut sich weitere Hitze auf. Die kognitive Leistung des Gehirns wird dabei beeinträchtigt, das Denken fällt schwerer, die Reizbarkeit steigt an. Hitze steigert die Wahrscheinlichkeit für für irrationales Verhalten, das wiederum zu einer Abweichung von der Ordnung führen kann.
Für Kriminalgeschichten, die in amerikanischen Kleinstädten spielen, ist der Tote in der Seitenstraße seit jeher der Ausgangspunkt für beginnende Abweichung, und der schwarze Fremde am Bahnsteig ist automatisch durch ein rotes Band mit ihm verbunden, selbst wenn er in keinerlei persönlicher Beziehung zum Opfer steht und sich zum Zeitpunkt der Tat am anderen Ende der Stadt befindet. Es ist das Jahr 1965, als John Ball seinen Roman „In der Hitze der Nacht“ veröffentlicht. Die Bürgerrechtsbewegung hatte zu jenem Zeitpunkt bereits ihre Hochphase erreicht; Malcolm X wurde im selben Jahr ermordet, und noch bevor Martin Luther King drei Jahre später das gleiche Schicksal ereilte, war der Roman bereits von Norman Jewison für das Kino adaptiert worden.
Das Eisen musste sozusagen geschmiedet werden, solange es noch heiß war. Dass sich die Verfilmung mit Sidney Poitier über die Jahre hinweg zu einem der bedeutendsten amerikanischen Filmklassiker entwickeln konnte, dass er also letztendlich für die Ewigkeit konserviert wurde, steht somit im krassen Gegensatz zu seinen Produktionsumständen, die ganz und gar auf die geltende Gegenwart geeicht waren. Den politischen Ruck, der das Land damals durchzog, hält der Film – nicht anders als der Roman – in der Pose fest wie ein Schnappschuss mitten aus dem Auge des Sturms.
„In der Hitze der Nacht“ ist deswegen allerdings noch lange kein semidokumentarisches Guerilla-Straßenexperiment, sondern gleicht in seinem behutsamen Aufbau eher einem Autoren- oder gar Bühnenwerk, auch wenn von Studiokulissen weit und breit nichts zu sehen ist. Gedreht wurde deutlich weiter nördlich als vom Drehbuch vorgegeben (Illinois statt Mississippi), es wird aber nicht nur von Interieurs, sondern auch großzügig von den umliegenden Landschaften Gebrauch gemacht. Alleine die von Gott und der Welt verlassenen Establishing Shots, in denen verlassene Straßenkreuzungen und Einkaufsstraßen unter rabenschwarzem Himmel völlig windstill eingefangen werden, während der kräftig wie ein warmer Fön gepustete Titelblues von Ray Charles auch die letzten Kleidungsstücke überflüssig werden lässt… sie leisten bereits in den ersten Minuten Fundamentales für die brütende Atmosphäre und die geografische Verortung der Geschichte.
Doch die Hitze ist für Jewison nicht bloß atmosphärisches Schmiermittel, sondern Symbol für die politisch aufgeladene Stimmung im Land und somit essenziell, wenn es um den Subtext der Handlung geht. Sparta, Mississippi, das hier zumindest die ländlichen Regionen der USA repräsentiert, wird als inzestuöses Nest gezeichnet, das sich getrieben von der Selbstzufriedenheit seiner Einwohner damit abgefunden hat, für den Rest seiner Existenz im eigenen Safte zu brüten. Faulheit und Bequemlichkeit sind die treibenden Kräfte, von der Bedienung im Diner bis zum Ordnungshüter scheinen alle Bürgerschichten diesem Schema zu folgen. Als im Rahmen der Eröffnung gezeigt wird, wie ein Polizist über seine übliche Route Patrouille fährt, steht das bereits sinnbildlich für den Teufelskreis, der das Thermometer ansteigen lässt. Die Stadt, ein dunkles, staubiges Straßensystem, dessen Landschaftsbild von einsam herumstehenden Cola-Automaten geprägt wird, scheint mit nur wenigen Kamerafahrten und Einstellungen vollständig kartografiert. Sie ist nichts anderes als die Gefängniszelle des Sheriffs, nur mit offenem Himmel.
Schaut in den UHD-Trailer von Wicked Vision hinein
Mit der In-Flagranti-Einführung des Hauptdarstellers beginnt dann die stärkste Phase des Films. „In flagranti“, das bedeutet bei Sidney Poitier, dass er steif wie ein Einrichtungsgegenstand am Bahnhof sitzt und auf seinen Anschlusszug zurück nach Philadelphia wartet, als er von einem hitzköpfigen Polizisten gestellt und ins Revier verfrachtet wird. Fortan ist es die Besonnenheit des Schwarzen im Angesicht weißer Willkür, die das Stimmungsbild prägt. Während sich die Schweißperlen auf der Stirn der Polizisten, der Einwohner und des Fremden sammeln, geht es nur noch darum, eine Anstandsbombe nach der anderen platzen zu lassen. Poitiers zornige Augen versprechen mit jeder verstreichenden Sekunde eine weitere Pointe, von der dann tatsächlich so einige folgen, die wohlige Genugtuung beim Betrachter zu erzeugen vermögen. „They call me MISTER Tibbs“, die Textzeile, die in die Geschichte eingegangen ist, ist nur eine davon, die berühmte Schelle auf Retoure eine weitere.
Mindestens ebenso effektiv wie diese symbolbeladenen Sekunden großer Filmgeschichte sind die kleineren Gesten, mit denen Tibbs seine Gastgeber vordergründig cool, aber unterschwellig aggressiv vorzuführen beginnt. Jewison hat nun spürbar Freude daran, die Fehlbarkeit der Ordnungshüter gegen die psychologische Finesse des Beamten von außerhalb auszuspielen. In Geste (die akribische Sorgfalt, mit der Tibbs die Leiche untersucht) und Wort (die wohlüberlegten, bündigen, immer im perfekten Timing vorgebrachten Worte im Gegensatz zu den leeren Worthülsen der lokalen Polizisten) öffnet sich zunehmend eine Schere, die jedoch lediglich von der Witwe des Mordopfers (Lee Grant) wohlmeinend anerkannt wird.
Anders als in Roger Cormans „Weißer Terror“ (1962) lässt die Handlung von „In der Hitze der Nacht“ schnell vom offensichtlichen Motiv der blinden Hetzjagd auf den schwarzen Außenseiter ab, handelt es sich bei Tibbs doch selbst um einen Police Officer, was durch eine Marke und ein Telefonat mit dessen Chef dann auch zweifellos nachgewiesen wird, so dass sich das Skript ungehindert seinem eigentlichen Kern nähern kann. Dieser besteht im Motiv des ungleichen Paars, das bereits einem früheren Sidney-Poitier-Film Form verliehen hat. In Stanley Kramers „Flucht in Ketten“ (1958) war Poitier als entflohener Häftling physisch an einen Weißen (Tony Curtis) gekettet und musste sich zwangsläufig mit ihm arrangieren, nun ist es die Kombination aus der außergewöhnlichen Situation, einer Order von oben und dem Pflichtbewusstsein, die einen schwarzen Cop aus der Großstadt mit einem weißen Sheriff einer Kleinstadt wider Willen zusammenbringt.
Erst im Zusammenspiel mit Rod Steiger in der Rolle des aufgedunsenen, von Wetter und Situation schwer genervten Polizeichefs kommt Poitiers Schärfe überhaupt erst so gut zur Geltung. Auch Steiger spielt jemanden, der den in seiner Stadt waltenden Rassismus vollkommen verinnerlicht hat, der jedoch anders als seine Kollegen den Nebel der lokalen Konventionen in wenigen hellen Momenten zu durchschauen vermag und dadurch bisweilen selbst zum Außenseiter gerät. Als Tibbs ihm in der Befragung seinen Berufsstand offenbart und damit dem Gegenüber das eigene Versagen unter die Nase reibt, reagiert er beispielsweise mit der selbstironischen Verdutztheit einer Comicfigur, die gerade auf die eigene physikalische Unmöglichkeit hingewiesen wurde.
In diesen Momenten kommt noch das Stereotyp durch, das man als Zuschauer ohnehin von einer Rolle wie dieser erwartet, doch im Anschluss wird man immer wieder von seinem Handeln überrascht, das immer seltener dem einer Comicfigur entspricht, je mehr Zeit er mit Tibbs verbringt. Chief Gillespie ist das Schloss, das seinem Kollegen den Weg zur Lösung des Falls zwar regelmäßig versperrt, das aber locker genug ist, um geknackt werden zu können. Paarungen wie diese hatten noch Jahrzehnte später Einfluss auf die Entstehung des Buddy-Copfilms; ob es hier um Weiße ging, die Schwarze nicht leiden konnten, oder alte Hasen, denen die Nase des Rookies nicht passte; Steiger und Poitier tragen gemeinsam unübersehbar zu den Anfängen bei.
Die komplizierte Chemie zwischen diesen beiden Figuren reichert die folgenden Ermittlungsabläufe nicht nur um eine mit den Händen greifbare Intensität an, sie spiegelt auch die Spannungen eines in sich zerrissenen Landes. Die Kombinationsbarrieren zwischen den Beiden werden effektiv als eine unsichtbare Wand entlarvt, als etwas, das nicht da sein müsste, wären die Vorzeichen andere. Zwei Figuren, die in einem anderen Leben beste Freunde sein könnten, kämpfen gegen eine sozialpolitische Realität an, und es gehört zur ironischen letzten Pointe des Films, dass ihnen diese Wahrheit erst zu dämmern beginnt, als sich schließlich eine sehr reale Tür zwischen ihnen schließt.
In der Beziehung zwischen Tibbs und Gillespie, in ihrem Zusammenspiel aus Widersinn, Vorurteil, Sturheit, Überwindungskraft, Argwohn, Respekt, Feindseligkeit und Freundschaft befindet sich zweifellos der wärmende Kern des Films. Wann immer Jewison vorübergehend von diesem Kern abweicht, um hinter die Kulissen des Kriminalfalls zu blicken, verliert seine Arbeit spürbar an Einzigartigkeit. Hier glänzt der Film dann allenfalls noch im technischen Sinne, wenn etwa Kamera und Soundtrack während einer Verfolgungsjagd eine Einheit zu ergeben beginnen. Wenn sich zum Ende sämtliche Nebenfiguren in der Nacht versammeln, um die Auflösung in den Äther zu pusten, fühlt man sich glatt an den Serial-Charakter eines Agatha-Christie-Krimis erinnert. Das nagt durchaus ein wenig an der Einzigartigkeit dieser unwahrscheinlichen Begegnung zwischen zwei ungleichen Partnern und einer Leiche. Tatsächlich sollte in den späten 80er Jahren eine TV-Version des Stoffs folgen, der genau diesen seriellen Aspekt ausschlachten würde, indem er aus einer einzigen heißen Nacht, einer Momentaufnahme in einer politisch aufrührenden Zeit, fünf endlos lange Sommer machte… wohingegen die echten Kinofortsetzungen es bevorzugten, sowohl das Original als auch die Romanfortsetzungen zu ignorieren und ihr eigenes Ding zum Anbruch einer aufregenden neuen Zeitrechnung durchzuziehen, den beginnenden 70er Jahren.
Aufgrund seiner immer noch ein wenig theatralisch anmutenden Dramaturgie auf dem steinigen Weg zum konsequenten Realismus, seiner eher Rollenbildern als echten Charakteren nachempfundenen Figuren und seiner allgegenwärtigen Bedeutungsschwere mag „In der Hitze der Nacht“ noch nicht diese ungebremste Wucht des New Hollywood in sich tragen, das im folgenden Jahrzehnt weitaus direkter mit dem Establishment abrechnete. Der Case-of-the-Week-Aufbau, der gerade zum Ende hin sichtbar wird, mildert außerdem die intensive Wirkung ab, mit der Norman Jewison die Handlung so meisterhaft aufzubauen weiß. Der Schall der Ohrfeige ist aber bis in die tiefsten Winkel amerikanischer Weiten zu vernehmen und lebt als Echo auch heute noch weiter. Sidney Poitier musste nicht viel sagen oder tun, um dieses Echo zu erzeugen; er musste lediglich seinem Instinkt folgend und den richtigen Moment abwarten. Und der war, man kann es kaum anders sagen, perfekt auf den Punkt gebracht.
(knappe)
Informationen zur Veröffentlichung von “In der Hitze der Nacht”
Black Cinema Collection #18
Als „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ im Dezember 2020 als zweiter Titel der neu gestarteten „Black Cinema Collection“ erschien, war an eine Veröffentlichung des Vorgängers „In der Hitze der Nacht“ noch lange nicht zu denken. MGM hatte den Prestige-Katalogtitel in den vergangenen Jahren immer wieder selbst neu veröffentlicht – als Einzelausgabe, in der 90-teiligen United-Artists-Kollektion und einmal auch in einer Virgil-Tibbs-Trilogie. 2014 erschien im Vertrieb mit 20th Century Fox auch eine Blu-ray mit verschiedenen Tonspuren und Untertiteln sowie einigen Extras. Was die Präsentation angeht, gab es aber gerade für einen solchen Klassiker immer noch reichlich Luft nach oben.
Auch wenn mögliche Veröffentlichungspläne damals aufgrund der schwierigen Beschaffungslage vorerst auf Eis gelegt wurden, hat das Thema den deutschen Black-Cinema-Exporteuren Nr. 1 von Wicked Vision offenbar keine Ruhe gelassen. Denn wer hartnäckig bleibt, wird belohnt. Nun, eine weitere Fortsetzung mit dem Titel „Die Organisation“ und eine komplette Staffelbox später, hat auch „In der Hitze der Nacht“ endlich Einzug in die Reihe erhalten. Das Original bildet zwar nun einen Anachronismus, was die Reihenfolge angeht, aber es ist da. Und zwar endlich in der ultimativen Wunschlos-glücklich-Fassung… oder?
Tatsächlich legt die Form der Veröffentlichung nahe, dass wie es hier mit einer neuen Referenz zu tun haben, denn erstmals in der Black Cinema Collection wird ein Film auf einem Ultra-HD-Medium ausgewertet. Es handelt sich sogar um nichts Geringeres eine europaweite UHD-Premiere dieses Klassikers, die selbst weltweit noch ein Alleinstellungsmerkmal besitzt, da sie als erste überhaupt in HDR mit Dolby Vision ausgewertet wurde.
Verpackung und Artwork
Wenn man sich im Zuge dessen fragt, weshalb der englische Titel „In the Heat of the Night“ auf dem Cover steht, obwohl der deutsche Titel auf dem deutschen Markt fest mit dem Film verbunden wird, dann könnte die Antwort auf die Frage möglicherweise in der Auswertungsmöglichkeit auf dem ausländischen Markt liegen. Wo man bereits gegenüber weltweit allen anderen Fassungen eine bessere Qualität bewirbt, da schielt man womöglich auch auf ein paar Export-Absätze, damit sich die kostspieligere Produktion der UHD auch wirklich lohnt. Im Händlerregal (bzw. in den Produktabbildungen der Internet-Retailer) fällt der Blick dennoch zuerst auf den deutschen Titel, der gemeinsam mit dem grünen FSK12-Logo und einem HDR/Dolby-Vision-Hinweis als Sticker auf der Außenfolie aufgedruckt ist. Das dahinterliegende Artwork ist gemäß des Layouts der Black-Cinema-Reihe wieder in einen weißen Rahmen gefasst, aus dem heraus das satte Rot so vollmundig glüht wie die hochsommerliche Wetterkarte in der Tagesschau.
Eingebrannt in den roten Anstrich ist auch in dieser Ausgabe wieder das Originalmotiv, das ganz minimalistisch aus den schwarzen Silhouetten von Virgil Tibbs und zwei lokalen Polizisten besteht, die sich über die Leiche beugen, angestrahlt von expressionistischen Leuchtkegeln, die den reduzierten Puls der Kleinstadt verkörpern. Layout und Design erweisen sich als überaus geschmack- wie auch als wirkungsvoll, zumal die blassgelben Schriftzüge (die Namen der beiden Hauptdarsteller oben in Großbuchstaben, der englische Originaltitel unten in stilisierten Kleinbuchstaben) perfekt mit dem Motiv harmonieren. Kombiniert man den Hochglanz des Scanavo Case und das beachtliche Gewicht der Hülle hinzu, hat man bereits ohne einen Blick ins Innere das Gefühl, etwas Edles in der Hand zu halten, das bis zum oberen Rand mit hochwertigem Inhalt gefüllt ist.
Das Booklet
Zum Gewicht trägt sicherlich auch das Booklet einiges bei, das mit großzügigen 48 Seiten zu den wahren Wälzern der Gesamtkollektion gehört. Wie so oft, wenn die Booklets mal etwas länger ausfallen, hat Christoph N. Kellerbach einen Text mitgebracht. „Hintergründe und kulturelle Bedeutung von ‘In der Hitze der Nacht’“ tauft der Autor seine Einordnung, die sich zunächst an den Biografien von Romanautor John Ball und Hauptdarsteller Sidney Poitier abarbeitet, um an deren Eckdaten die Entwicklung antirassistischer Bewegungen in den USA festzumachen. Dazu skizziert er Balls Vorlieben ebenso wie einige der unschönen Andenken aus Poitiers Kindheit, womit er beispielhaft aufzeigt, was damals (und leider teilweise heute immer noch) falsch lief und wie der Wunsch entstand, die Situation zu verbessern.
Ein vollständiges Bild des gesellschaftlichen Wandels in mehreren Jahrzehnten amerikanischer Geschichte zu zeichnen, kann natürlich nicht Anliegen eines solchen Textes sein, aber es wird durchaus deutlich, wie Roman und Film einzuordnen sind. Diese beiden Medien werden im Übrigen auch auf ihre (teilweise beachtlichen) Unterschiede abgeklopft, später geht es auch um Details von den Dreharbeiten und um die Rezeption durch Kritik und Publikum, wobei der Oscar in gewisser Weise als Indikator für die Akzeptanz der schwarzen Bevölkerung nicht nur innerhalb der Filmindustrie, sondern auch im amerikanischen Alltag herangezogen wird. Der mit einigen Szenenbildern in schwarzweiß aufgelockerte Text endet auf Seite 30, anschließend folgt eine Reihe von Postern und Aushangfotos, von denen die meisten in Farbe gedruckt sind.
Das Bild
Kurz vor den Credits des Booklets wird eine Seite immerhin auch dem Transfer gewidmet. Hier heißt es über ihn, dass er „in 4K-Auflösung auf einem DFT Scanity-Filmscanner vom 35-mm-Original-Kameranegativ bei Deluxe in Culver City, Kalifornien, erstellt“ wurde. Die Restaurierung erfolgte über MGM / Park Circus und wurde von der Criterion Collection anschließend fortgeführt. Diese vorausgehende Restaurationsarbeit diente dann als Grundlage für LSP Medien, die in Deutschland das Dolby-Vision-Grading vornahmen. Eine Menge Arbeit ist also ins Bild geflossen. Wenn in Erwartung auf entsprechende Resultate die ersten ruhigen Einstellungen in der Schwärze der Nacht noch etwas grobkörnig und verschwommen wirken, sollte man sich noch einen Augenblick gedulden, denn Sekunden später folgt die Offenbarung.
Auf einmal erstrahlt das Bild im Licht der Straßenlampen in glorreicher Pracht. Die lackierten Oberflächen der Autos strotzen vor Plastizität, und der insgesamt recht dunkle Film eröffnet auf einmal den Zugang zu visuellen Winkeln, die auf früheren Veröffentlichungen noch verborgen waren. Die Hintergründe wirken dadurch nicht einfach nur authentisch lethargisch (wie im Szenenbild vorgesehen), sondern in ihrer Totenstarre zugleich lebendig. Das Filmkorn kommt trotzdem nicht zu kurz, es lässt den digitalen Transfer hochgradig organisch wirken. Materialbedingt gibt es zwar einige Einstellungen, die nicht so sehr von dem Upgrade profitieren, und irgendwann setzt auch ein wenig der Gewöhnungseffekt ein, aber dieser spezielle Wow-Effekt, den man gerade bei gut bearbeiteten älteren Filmen erfährt, schlägt ungebremst durch. Es ist schon erstaunlich, was man mit heutigen technischen Mitteln aus einem Film herausholen kann, der weit mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat.
Der Ton
Gerade auch der Ton war ein Sorgenkind auf früheren Veröffentlichungen. Muffig, undynamisch, plattgebügelt klang er zumindest auf der zum Vergleich vorliegenden alten DVD, und wie man hört, soll auch die MGM-Blu-ray nichts an diesem Stand verändert haben. Auf der vorliegenden Edition finden wir nun zwei deutsche und zwei englische Tonspuren vor. Die deutschen Spuren unterscheiden sich im Format nicht: In beiden Fällen handelt es sich um 2.0-Monoton in DTS-HD Master Audio. Voreingestellt ist der HiFi-Ton, der mit erweitertem Spielraum glänzt, was die Lautstärkedynamik bei Dialogen und Effekten angeht. Im Direktvergleich mit dem alten Ton der DVD tun sich in jeder Hinsicht Welten auf: Die Stimmen klingen auf einmal glasklar, die Umgebungsgeräusche flirren vor lauter atmosphärischer Details und wenn es mal etwas dramatischer wird, macht sich das auch lautstark auf der Tonspur bemerkbar. Die andere Tonspur ist auf TV-Lautsprecher normiert und daher vor allem für Konsumenten ohne externe Anlage einen Versuch wert. Die Variabilität in der Dynamik wird hier deutlich zurückgefahren, aber selbst hier wird die alte Spur um Meilen abgehangen.
Doch auch O-Ton-Freunde müssen nicht verzagen, sind die Vorzüge der deutschen HiFi-Fassung doch auch auf der englischen Original-Monospur durchweg präsent, die ebenfalls durch ihre Fülle an Dynamik überzeugt. Wer möchte, kann dann auch noch zu einer 5.1-Abmischung greifen, die bei der Veröffentlichung von Criterion zwar fehlte, aber auf der US-UHD von Kino Lorber bereits zu hören war. Ein Surround-Feuer sollte man sich hier natürlich nicht erwarten, die Unterschiede zur Monospur sind eher marginal, im besten Falle wird in bestimmten Szenen ein wenig mehr Räumlichkeit erzeugt, Puristen werden aber wohl ohnehin nicht vom originalen Mono abzubringen sein. Untertitel werden natürlich wieder in Deutsch und Englisch geboten.
Die Audiokommentare
Damit sind wir sogar ohne Audiokommentar schon bei vier Spuren, doch am Ende der Zählung landen wir bei sieben, denn Kommentare hagelt’s gleich drei. Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese lassen ihre Serie nicht reißen und sprechen zum achtzehnten Mal in Folge gemeinsam über schwarzes Kino, nur dass sie diesmal tatsächlich bei einem der Kernwerke desselben angelangt sind. Die Bedeutung dieses Films wird natürlich nach allen Regeln der Kunst unter die Lupe genommen, zunächst vor allem auf historischen und biografischen Fakten basierend, von dort aus dann gerne ins Interpretatorische ausschweifend. Man spürt, dass hier nun viele Aspekte zusammengeführt werden, die in vorherigen Kommentaren bereits ausgestreut wurden. Überschneidungen gab es sicherlich schon damals, jetzt hat man aber das Gefühl, sie werden auf ihre Basis zurückgeführt.
2008 entstand ferner ein Kommentar unter Beteiligung von Regisseur Norman Jewison, Kameramann Haskell Wexner und den Darstellern Rod Steiger und Lee Grant, wobei die Sprecher einzeln aufgenommen und nachträglich zu einer Spur zusammengefügt wurden. Auch wenn der Editor dabei gute Arbeit geleistet hat, merkt man es schon sehr, weil kein echter Dialogfluss zustande kommt und von Steiger, der zum Zeitpunkt der Entstehung des Kommentars bereits seit sechs Jahren verstorben war, und Grant zunächst nichts zu hören ist. Insbesondere Wexner taucht gerne tief ins technische Detail ein und hilft dabei, die Entstehung bestimmter Szenen nachvollziehen zu können, wenn etwa das rhythmische Zusammenspiel von Musik und Kamera erläutert wird. Dank Jewison kommt aber auch der sozialpolitische Impact des Films, beziehungsweise umgekehrt der Impact der sozialpolitischen Realität auf die Entstehung des Films, nicht zu kurz. Dieser Kommentar war übrigens auch bereits auf der deutschen Blu-ray zu hören. Zusätzlich gibt es aber noch einen dritten Kommentar aus dem Jahr 2022, der kurz nach Sidney Poitiers Tod aufgenommen wurde. Beteiligt sind die Filmhistoriker Steve Mitchell und Nathaniel Thompson sowie Robert Mirisch, der Neffe von Walter Mirisch, der „In der Hitze der Nacht“ produziert hatte. Das Gespräch hat somit einen direkten Ankerpunkt zum Besprechungsgegenstand, und zwar in Form der Mirisch Corporation. Von dort ausgehend beschäftigen sich Mitchell und Thompson mit der sich verselbstständigenden Wirkung, die der Film zur Entstehungszeit und darüber hinaus erzeugte. Beide englischsprachigen Kommentare können auf Wunsch mit deutschen Untertiteln abgespielt werden.
Die Extras
Abgesehen von den Audiokommentaren sind drei mit neuem HD-Material zusammengestellte Trailer (Original, deutsch, deutsche VHS) die einzigen Extras, die man auf der Ultra-HD Blu-ray findet. Der Löwenanteil der visuellen Boni ist exklusiv auf der beiliegenden Blu-ray enthalten, die als nächsthöheres Medium die DVD ablöst und neben den Extras auch den Hauptfilm mitsamt aller Tonspuren abgespeichert hat, so dass selbst jene, die keinen UHD-Player besitzen, von der Edition profitieren. DVD-Konsumenten allerdings schauen erstmals in die Röhre.
Bei den Featurettes gibt es gegenüber der deutschen Blu-ray von MGM keine Neuerungen zu vermelden. „Turning Up The Heat“ (21 Min.) ist eine recht allgemeine, umfassende Würdigung des Films und seiner historischen Relevanz, die aber mit einem breiten Aufgebot unterschiedlicher Perspektiven überzeugt: Regisseur Norman Jewison kommt ebenso zu Wort wie John Singleton, einem Regisseur der nächsten Generation, dessen Werke in einer Erbfolge zu „In der Hitze der Nacht“ stehen. Außerdem kommen diverse Filmhistoriker, Produzenten (Walter Mirisch), Komponisten (Quincy Jones) und Kameramänner (Haskell Wexler, die Zweite) zu Wort. Zwischen vielen Lobeshymnen findet man hier durchaus auch reflektierte Nachbetrachtungen, von denen sich einige auch in den Audiokommentaren wiederfinden lassen. „Slap Around the World“ (7 Min.) hat natürlich seit den Oscars 2022 noch eine andere Bedeutung, befasst sich hier aber ausschließlich mit der berühmten Backpfeifensequenz zwischen Sidney Poitier und Larry Gates, ihrer Entstehung und ihrer Bedeutung für das Kino und die afroamerikanische Emanzipation vom weißen Amerika. Dieses Feature nutzt die gleichen Interviews als Quelle wie das erste, verwendet dabei aber neue Auszüge, die im ersten Feature nicht zu sehen waren. Selbiges gilt für „Breaking New Sound“ (13 Min,), das sich ganz und gar Quincy Jones und seinem experimentellen Soundtrack widmet, der Jazz, Country und weitere Spielarten zur Beschreibung der Figuren einsetzte, wie es, so die Grundaussage der Featurette, niemand vor ihm getan hatte.
Alle Features wurden in HD hochskaliert, basieren aber offensichtlich auf Standard-Definition-Qualität, man sollte also gemäß des Alters der Quellen nicht auf native HD-Extras hoffen.
Ein Großteil des übrigen Bonusmaterials besteht aus Trailern in unterschiedlichen Ausführungen und Qualitätsstufen. Da wäre der originale Kinotrailer in der Urfassung und im restaurierten Recut mit HD-Material, dann das Gleiche noch einmal für den deutschen Trailer, der zusätzlich noch einmal in einer stark verschmutzten VHS-Variante hinterlegt ist. Mit an Bord ist außerdem ein „Trailer from Hell“, in dem Regisseur und Produzent Michael Schlesinger „In der Hitze der Nacht“ immer noch eine hohe Aktualität und einen hohen Unterhaltungswert bescheinigt. Den anderen großen Poitier-Film des Jahres, „Rat mal, wer zum Essen kommt“, nennt er im Vergleich übrigens ein „in Bernstein eingefasstes Artefakt“. Sogar für die Fortsetzungen „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ und „Die Organisation“ gibt es noch eine kleine Trailershow, die man wohl auch als Werbung verstehen kann, sind beide Filme doch auch bei Wicked Vision erschienen.
Die 15-minütige Bildergalerie mit Unmengen von Postern, Artworks, Aushangfotos, Stills, Pressematerialien und etlichen Mediencovern macht den Deckel auf das Paket. Beim Bonusmaterial fehlt womöglich noch einmal die Sahnehaube in Form einer selbst produzierten neuen Doku, um die Sache endgültig rund zu machen, aber der Fokus lag hier zweifelsohne auf der bestmöglichen Präsentation des Films. Und die hat sich ohne Frage mehr als gelohnt.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie
(kein Original-Bildmaterial der Veröffentlichung.)
Die Black Cinema Collection bei den Actionfreunden:
01: Slaughter [1972]
02: Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs [1970]
03: Strasse zum Jenseits [1972]
04: Ghetto Busters [1988]
05: Die Organisation [1971]
06: Foxy Brown [1974]
07: Car Wash [1976]
08: Coffy [1973]
09: Visum für die Hölle [1972]
10: Black Caesar – Der Pate von Harlem [1973]
11: Cotton Comes to Harlem [1970]
12: Riot – Ausbruch der Verdammten [1969]
13: Hit! [1973]
14: Vampira [1974]
15: Sugar Hill [1974]
16: Hell Up In Harlem [1973]
17: Friday Foster [1975]
18: In the Heat of the Night [1967]
19: Cooley High [1975]
20: Hammer [1972]
Sascha Ganser (Vince)
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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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