Originaltitel: Inbred__Herstellungsland: Deutschland, Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2011_Regie: Alex Chandon__Darsteller: Jo Hartley, Seamus O’Neill, James Doherty, James Burrows, Neil Leiper, Chris Waller, Nadine Rose Mulkerrin, Terry Haywood, George Newton, Mat Fraser u.a. |
„Inbred“ und der deutsche Jugendschutz haben eine interessante gemeinsame Vergangenheit: Als man den Film vor wenigen Jahren der FSK vorlegte, sah diese keine Möglichkeit, den Film ungeschnitten in Deutschland mit einer FSK 18 Freigabe zu versehen. Das vertreibende Label Mad Dimension beugte sich und fertigte eine Fassung an, die jedweder Gewaltmomente entbehrte und dennoch nur die FSK 18 Freigabe erhielt. Was auch immer an dem Filmtorso nicht jugendfrei gewesen sein mag. Mad Dimension sorgten aber schnell für Abhilfe und lizensierten den Film ins deutschsprachige Ausland, wo man den Film uncut in einem Mediabook auflegte. Ob sich dieses so gut verkaufte oder ob man die Entscheidung der FSK einfach nicht hinnehmen wollte, ist mir nicht bekannt, auf jeden Fall legte man den Film noch einmal der FSK vor. Und plötzlich schien das Freigabegremium den Film verstanden zu haben und er wurde ohne Beanstandungen ab 18 freigegeben. Mad Dimension labelte das Ganze als Director’s Cut (was es freilich nicht ist) und brachte den Film nun endlich auch ungeschnitten in den deutschen Handel.
In selbigen geht es um vier schwer erziehbare Jugendliche aus der Großstadt und ihre beiden Sozialarbeiter. Gemeinsam sind sie ins englische Hinterland aufgebrochen, wo die Jugendlichen gemeinnützige Arbeit verrichten sollen. Am Arsch der Welt angekommen fällt es den beiden Aufsehern zunehmend schwerer, die Problemkids in Zaum zu halten, denn die halten von diesem Trip wirklich gar nichts und nutzen jede Gelegenheit, um ihrem Missfallen Ausdruck zu verleihen. Doch in dieser Gegend sind sie definitiv nicht das größte Problem. Zwar wird die Gruppe von dem örtlichen Pub-Inhaber gewarnt, einen großen Bogen um die Einheimischen zu machen, doch natürlich kann man ebenjenen niemals vollkommen aus dem Weg gehen.
Auf einem Friedhof für ausrangierte Personenzüge kommt es bei einer Begegnung mit den Hinterwäldlern zur Eskalation, bei der einer der Sozialarbeiter schwer verletzt wird. Man bekommt ihn zwar noch in das angrenzende Dorf transportiert, dort stillt man allerdings den Schmerz des Verletzten, indem man sein Schmerzempfinden von seinem Körper entkoppelt. Ihm also den Kopf abhackt. Ab jetzt heißt es für die restlichen Stadtbewohner rennen, retten, flüchten…
httpv://www.youtube.com/watch?v=4Ar553axFnc
„Inbred“ ist weniger ein Vertreter des Backwood-Splatter-Genres als vielmehr ein Destillat aus den auf die Spitze getriebenen Klischees des Genres. Die Jugendlichen aus der Stadt sind noch dümmer, arroganter und großkotziger als gewohnt. Das Hinterwäldler-Dorf liegt so abgeschieden, dass selbst eine Kolonie auf den Mars erdennäher wirkt als dieses Kaff. Und die Dorfbewohner sind die Definition des Begriffes „degeneriert“ und in ihrem unmenschlichen Tun so unmenschlich, dass die Schwarte kracht. Die Story wird derweil absolut auf die nötigsten Topoi eingedampft: Großstädter hier, Degenerierte da. Und die hetzt man eben aufeinander. Wenn so an einen Film herangegangen wird, ist meist schnell klar, dass der Grundton des Streifens nicht wirklich ein ernster sein soll. Dennoch bemüht sich Regisseur Alex Chandon („Cradle of Fear“) eine recht düstere und dreckige Atmosphäre aufzubauen, die auch dank finster dräuender Musik richtig gut funktioniert.
Doch trotz dieser Anstrengungen ist „Inbred“ kein knallharter Wiedergänger des Genres, denn neben den unzähligen Klischees wird er beständig von pechschwarzem, prächtig funktionierendem Humor aufgebrochen. Dieser sorgt für diverse befreiende Lacher, nimmt aber ab und an auch Qualitäten an, die einem das Lachen im Halse ersterben lassen. Spätestens wenn die Degenerierten ihre Unterhaltungsshow abbrennen, wird es aufgrund der gebotenen Szenerien in Verbindung mit den lancierten Grausamkeiten teilweise schon sehr zynisch. Die Gewalt selbst entlädt sich eher in Form von Funsplatter-Eskapaden. Da werden Menschen mittels Schrotflinten halbiert, Köpfe werden zer- und weggeschossen und ein Einlauf mit Fäkalien lässt das Opfer bildschirmfüllend zerplatzen. Das wird in Form eines Mixes aus saftigen Handmade-Effekten und nicht immer idealen CGI-Bildern umgesetzt.
Dabei ballen sich die Splatterszenen in der zweiten, deutlich temporeicheren Hälfte des Filmes. Die erste gehört dagegen der Einführung der Figuren, die den jeweiligen Klischees entsprechend ziemlich überzeichnet werden. Im Zuge dessen erfährt man vor allem von den Jugendlichen nur, was sie in ihrer Vergangenheit verbrochen haben, was sie nicht wirklich sympathisch macht. Zumal sich die meisten als echte Kotzbrocken erweisen. Dafür darf James Doherty als Gutmensch und Sozialarbeiter tolles komödiantisches Timing beweisen und einige herrliche Fremdscham-Momente befeuern. Leider wird er dann viel zu früh aus dem Film genommen und seine Mitstreiter beschränken sich ab sofort nur noch auf nerviges Geschreie. Die Folge ist irgendwann, dass man den Degenerierten sogar dankbar ist, wenn sie einem weiteren Schreihals ebenjenen umdrehen. Den Darstellern der Degenerierten kann man eigentlich kaum Vorwürfe machen. Sie genießen ihre Rollen sichtlich und schrecken vor nichts zurück, um Eindruck zu hinterlassen.
Was am Ende bleibt, ist ein Film, der Fans von „The Hills have Eyes“, „Texas Chainsaw Massacre“ oder „Wrong Turn“ köstlich munden dürfte, weil er deren Funktionsschemas übernimmt, dabei das überflüssige Fett entfernt und die wichtigsten Ingredienzien köstlich überhöht. Das ist nicht neu oder innovativ, aber es ist ziemlich unterhaltsam. Startet die erste Hälfte des Filmes dabei noch relativ verhalten, läuft in der zweiten der Motor hinter „Inbred“ absolut flüssig und sorgt in schneller Folge für deftige Effekte, einen ordentlichen Bodycount und irre viele, sehr seltsame, irre witzige Momente. Das Ganze ist obendrein sehr solide inszeniert, kommt in köstlich breiten Kinobildern daher und präsentiert einige erstaunlich schöne Landschaftsaufnahmen der englischen Natur. Dazu kommen coole Setpieces wie der Zugfriedhof, bei dem man sich wünscht, man hätte ihn eindrücklicher für „Inbred“ nutzen können.
„Inbred“ erschien unlängst von Mad Dimension auf DVD und Blu-ray. Wie eingangs erwähnt in ungeschnittener Form. Will man diese erwerben, sollte man auf den „Uncut Edition“ Stempel auf dem Frontcover der Datenträger achten. Diese sind ab 18 freigegeben, wie die Cutfassung, die hoffentlich bald aus dem Handel verschwindet, um Verwechslungen vorzubeugen.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Mad Dimension__Freigabe: ab 18_Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |