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Jack und Jill

In „Jack und Jill“ spielt Adam Sandler beide Rollen der titelgebenden Geschwister, während Al Pacino als fiktive Form seiner selbst zu sehen ist, der sich in Jill verguckt, was ihr Bruder für seinen Gewinn ausschlachten will. Gemessen am schlechten Ruf dieser Komödie ist die Besetzung überraschend prominent, denn unter anderem Johnny Depp, Shaquille O’Neal und Billy Blanks spielen sich selbst bei Cameo-Auftritten.

Originaltitel: Jack and Jill__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2011__Regie: Dennis Dugan__Darsteller: Adam Sandler, Al Pacino, Katie Holmes, Elodie Tougne, Rohan Chand, Eugenio Derbez, David Spade, Nick Swardson, Tim Meadows, Dana Carvey, Shaquille O’Neal, Johnny Depp, Billy Blanks, Dennis Dugan, Rob Schneider u.a.
Jack und Jill

Neben Adam Sandler im Doppelpack und Al Pacino beinhaltet “Jack und Jill” auch Cameos von Johnny Depp, Shaquille O’Neal und Billy Blanks

Im Falle von Adam Sandler („Spiel ohne Regeln“) war es seit jeher so, dass seine Komödien beim Publikum gut ankamen, bei der Kritik umso weniger. Eine fast schon eingespielte Dynamik, bei der „Jack und Jill“ trotzdem herausragt. Kommerziell kein Superhit, aber wahrscheinlich in der Gewinnzone, dafür aber ein bei der Kritik fast universell verhasstes Opfer, das bei den jährlichen Razzie Awards Rekorde aufstellte.

Dabei ist der Film zumindest in Sachen Prämisse eine typische Sandler-Nummer, deren Regie man an Dennis Dugan gab, der seit „Happy Gilmore“ große Teile der Filmographie des Komikers zu verantworten hat. Bei den Themen sind Komödienstandards von Cross-Dressing und schwarzen Schafen in der Familie angesagt, denn Sandler spielt sowohl den Werbefachmann Jack Sadelstein als auch dessen nervige Schwester Jill. Das Zwillingsthema wird von Interview-Ausschnitten mit realen Twins eingeleitet, danach kommen ein paar nachgestellte Home Movies, die für die ersten Brachialgags sorgen (Stichwort Achselhaare), aber auch die Gegensätze etablieren. Jill ist die anhängliche, rabiate Außenseiterin, Jack der erfolgreiche Sunnboy, dem die Nähe seiner Schwester auf den Keks geht.

In der Gegenwart des Films hat sich das Nähe-Problem gelöst: Jack ist mit seiner Firma in Los Angeles, Jill ist in der New Yorker Heimat geblieben – quasi die gesamte Länge der USA liegt zwischen ihnen. Familienbesuche sind eine überschaubare Leidenszeit für Jack, der mit seiner Frau Erin (Katie Holmes) und den Adoptivkindern Sofia (Elodie Tougne) und Gary (Rohan Chand) in einem schmucken Haus residiert und ein Bilderbuchleben führt. Jack ist eine typische Sandler-Figur: Der bürgerliche jüdische Erfolgsmensch, der darauf besteht, dass er Witze über seine Familie und seine Religion machen darf, Außenstehende nicht, der aber immer kurz vorm Nervenzusammenbruch steht, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Und Jill ist (ebenfalls typisch für eine Sandler-Komödie) die Personifizierung von Chaos, da sie Flüge ungünstig bucht, deshalb zu einem unmöglichen Zeitpunkt in L.A. ankommt und ihren Bruder als Chauffeur zu nachtschlafender Zeit an den Airport bestellt.

Das ist natürlich nur der Anfang, denn Jill klammert, zwingt der Familie ihre Eigenheiten auf und verstört jeden in ihrem Umfeld. Als sich zufällig Al Pacino (der sich hier selbst spielt) in Jacks Schwester verguckt, schmiedet dieser Pläne, da er den Star unbedingt für einen Werbespot buchen muss…

httpv://www.youtube.com/watch?v=f3zjGu2EwdM

Schaut man auf die typischen Starvehikel Sandlers, dann gibt es dort entweder den schrillen Klamauk der Marke „Billy Madison“ oder „You Don’t Mess with the Zohan“ oder die Familienkomödien wie „Bedtime Stories“ oder „Kindsköpfe“ – auch wenn sich oft Spurenelemente vom einen im anderen finden. Vielleicht liegt das Scheitern von „Jack und Jill“ daran, dass er zweigleisig fahren und beide Strömungen bedienen will. Denn tief im Herzen ist der von Sandler auch als Co-Autor verantwortete Film ein Stück über Akzeptanz, gerade in der eigenen Familie. Jill ist sicher eine naive, nicht besonders helle, besitzergreifende schrille Kuh, aber sie ist stets mit den besten Absichten unterwegs. Im Gegensatz dazu ist es Jack, der seine Probleme auf sie projiziert und regelrecht niederträchtig wird. Erst will er sie an jemand anderen loswerden und versucht ihr auf jedem nur erdenklichen Wege ein Date zu verschaffen, später will er sie wie Vieh an den liebestollen Pacino verschachern. Aber natürlich steht am Ende die Erkenntnis, dass Jack seine Schwester akzeptieren muss, dass er seine Fehler einsieht und dass man den Dingen am besten ihren Lauf lässt, auch was Jills Partnerwahl angeht. Und Jack muss einsehen, dass er seinem Zwilling manchmal ähnlicher ist als ihm lieb ist, wie „Jack and Jill“ in der Kinoszene vorführt.

Die Mär des Familien-Sandler wird allerdings gleichzeitig mit den Mitteln des Gross-Out-Sandler erzählt: Eine Bruder-Schwester-Unterhaltung findet statt, während Jill auf dem Lokus sitzt und dabei akustisch wie olfaktorisch Marken des Grauens setzt, Jill hinterlässt riesige Schweißflecken auf dem Bett, Gary klebt alles mit Tape an sich fest, darunter auch lebende Tiere usw. Die indische Abstammung des Adoptivsohns wird ebenso zum Thema gemacht wie der Obdachlose, den Freunde von Jack und Erin mit zum Thanksgiving-Dinner mitbringen. Dass der Mann nach dem Festmahl wieder in die Obdachlosigkeit entlassen wird, kann als müder Seitenhieb auf falsches Weltenrettergehabe durchgehen, doch der Film scheint mehr über als mit dem armen Schlucker zu lachen, der den Essenstisch fluchtartig verlässt, weil er Jill nicht ertragen kann. Die Runnings Gags ermüden, darunter das „I am kidding“ von Gärtner Felipe (Eugenio Derbez) oder Jills Angewohnheit Filme zu beschreiben, die richtige Antwort aber als falsch abzutun. Hin und wieder gibt es bei der Bad-Taste-Orgie den einen oder anderen sicher nicht geschmackvollen, aber doch auf seine bekloppte Art ganz lustigen Witz, etwa wenn Felipes Großmutter mehrfach etwas auf die Nuss bekommt und jedes Mal durch den Verzehr dargereichter Jalapenos wieder aufgepäppelt werden muss. Oder der Al-Pacino-Werbespot für Dunkin‘ Donuts, der am Ende herauskommt.

Das Mitwirken von Al Pacino („Once Upon a Time in Hollywood“) dürfte sowieso das Irritierendste an diesem Film sein, denn der gefeierte Schauspieler agiert hier als unleidliche Stelzbockversion seiner selbst, die für ein Date mit Jill jede Hemmung verliert, im Theater ans Telefon geht (während er selbst auf der Bühne steht) und es ihr verzeiht, wenn sie seinen Oscar kaputtmacht. Eine Rolle, die schon bei einer fiktiven Figur recht unausstehlich wäre, als Quasi-Pacino aber eigentlich nur Fremdscham bietet (und dass, obwohl der Star trotz ausgesuchter Filmographie auch zuvor schon hin und wieder mal in richtigen Stinkern zu sehen war). Vor allem aber ist es ein schnell zu Tode gerittener Gag, dass der große Filmstar liebestoll eine (vermeintliche) Schreckschraube verfolgt, der auch in der x-ten Wiederholung nicht besser wird. Pacino ist nicht der einzige, der sich hier selbst spielt. Für Bit-Parts treten unter anderem sein „Donnie Brasco“-Kollege Johnny Depp, Basketball-Legende Shaquille O’Neal („Scary Movie 4“) und Tae-Boe-Erfinder und B-Actionstar Billy Blanks („Deadly Weapon“) auf. Auch für Sandler-Regulars ist gesorgt, wenn David Spade („The Do-Over“), Rob Schneider („Die Again“) und Regisseur Dennis Dugan für Cameo-Rollen vorbeischauen.

Doch trotz all dieser Namen ist der Film natürlich in erster Linie die große Adam-Sandler-Show. Als Jack spielt er seinen gewohnten Stiefel herunter, als Jill kann er dagegen völlig freidrehen. Er lacht wiehernd, kriegt hysterische Anfälle und gibt sich auch sonst dem Overacting hin – allerdings mit dem Erfolg, dass Jill nicht nur intradiegetisch eine ziemliche Nervensäge ist und die Toleranzbotschaft nur deshalb ansatzweise funktioniert, weil Jack sich phasenweise als noch größeres Arschloch aufführt. Daneben hat Katie Holmes („Batman Begins“) nur die undankbare Rolle als verständnisvolle Ehefrau, die vor allem vermittelt, den Gatten oft unterstützt und bei seinen gröbsten Verfehlungen tadelt – ein reines Anhängsel eben.

Unterm Strich mag der extreme Hass, der über „Jack and Jill“ ausgekippt wurde, vielleicht etwas überzogen sein – ein guter Film ist es trotzdem nicht. Die Gratwanderung zwischen familientauglicher Toleranzstory und grobem Ekelhumor geht vollends in die Hose, Al Pacinos Fremdscham-Rolle ist das nackte Grausen und auch sonst funktioniert „Jack und Jill“ nur bei einigen blöd-lustigen Gags als Bad-Taste-Komödie.

Sony hat „Jack und Jill“ hierzulande auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, freigegeben ohne Altersbeschränkung. In Sachen Bonusmaterial gibt es entfallene Szenen, Featurettes, Blooper und Trailer.

© Nils Bothmann (McClane)

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