Originaltitel: Kickboxer: Retaliation__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Dimitri Logothetis__Darsteller: Alain Moussi, Jean-Claude Van Damme, Hafþór Júlíus Björnsson, Christopher Lambert, Ronaldinho Gaúcho, Mike Tyson, Sara Malakul Lane, Sam Medina, Steven Swadling u.a. |
Die Neuauflage des unsterblichen Van-Damme-Klassikers „Kickboxer“ (der Palmenkick, die Tanznummer, Tong Po…) mit dem Titel „Kickboxer – Die Vergeltung“ wusste das Fandom nicht einhellig zu begeistern. Zu meinem Glück hatte mich der Streifen voll erreicht, weshalb ich nur frohlocken konnte, als es hieß, dass mit „Kickboxer – Die Abrechnung“ bereits eine Fortsetzung zu dem flotten Kickerspaß mit den Hufen scharrte.
Diese steigt mit einem Tango in ihre Handlung ein. Richtig gelesen: Mit einem Tango. Kurt Sloane und seine Ehefrau Liu tanzen den eleganten Tanz im Waggon eines Zuges, bis sie von ein paar zwielichtigen Gestalten gestört werden. Als diese die Tanzenden angreifen, schaltet Kurt vom Tanz- in den Angriffsmodus und schon klöppelt man sich durch und auf dem Zug.
Schnell entpuppt sich der stilistisch perfekt umgesetzte, leider mit ein paar blöden Rückprojektionen arbeitende Einstieg als Vision, die Kurt ereilte, nachdem er im MMA-Ring einen richtig harten Treffer kassiert hat. Mit MMA-Fights macht Kurt inzwischen sein Geld und reist mit seiner Liu, die Polizistin aus „Kickboxer – Die Vergeltung“, durch die Welt. Eines Tages stehen auf einmal zwei vorgebliche FBI-Agenten auf Kurts Matte. Er sei angeklagt, einen Mord begangen zu haben. Natürlich beziehen sich die Agenten auf das Ableben von Tong Po im Vorgänger.
Irgendwann dämmert Kurt allerdings, dass die „Agenten“ nicht koscher zu sein scheinen. Doch bevor er etwas unternehmen kann, geht er getasert zu Boden. Als er wieder zu sich kommt, blickt er in die Augen von Thomas Moore. Ein Fight-Promoter, der von Kurt verlangt, einen Fight gegen seinen Champion Mongkut zu bestreiten oder eben rechtmäßig in den Knast zu wandern. Kurt beschließt, zu seiner Vergangenheit zu stehen und wandert ein.
Der Knast entpuppt sich als mittlere Vorhölle, inklusive Auspeitschungen und immer wieder aufbrandenden Fights mit anderen Mithäftlingen. Immerhin war Tong Po deren Idol, wie Moore zu berichten weiß. Als Moore auch noch Liu entführt, hat er es geschafft: Kurt hat die Schnauze voll und will Moores Fighter in Grund und Boden stampfen. Moore, der offenkundig einen guten Kampf will, lässt euphorisiert auch Kurts Trainer Master Durand in den Knast verfrachten, damit Kurt topp vorbereitet gegen die menschliche Abrissbirne Mongkut in den Ring steigen kann…
Schaut in “Kickboxer – Die Abrechnung” mit Jean-Claude Van Damme hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=NwypMDPwtEA
Während „Kickboxer – Die Vergeltung“ – von einigen absurden Trainingseinheiten abgesehen – zumindest versuchte, seine Story mit einem gewissen Ernst zu erzählen, geht das Drehbuch zu „Kickboxer – Die Abrechnung“ ganz andere Wege. Von den ersten Minuten an ist klar, dass die Autoren Dimitri Logothetis und Jim McGrath viel eher einen Actioncomic als einen ernsten Prügelstreifen im Sinne hatten.
Die Tango-Szenerie in dem Zug, der vor Klischees schier zu bersten drohende thailändische Knast mit Fetisch-Einschlag, ein unlängst geblendeter Master Durand, der „Daredevil“ mit seinen Fähigkeiten Konkurrenz machen könnte, ein Fußbälle auf den Helden abfeuernder Ronaldinho, genetisch optimierte Superfighter, totgeschlagene Fighter, die ins Leben zurückgeholt werden und weiterkämpfen sowie Weisheiten wie „Du musst die Bewegung der Luft spüren, bevor sie sich bewegt!“ sind schon extrem drüber. „Kickboxer – Die Abrechnung“ bekommt hier immer mal einen leicht trashy Einschlag, der ihm nicht wirklich gut steht.
Zumindest übernimmt Regisseur Dimitri Logothetis („Body Shot“) den Comicansatz recht konsequent ins optische Konzept seines Filmes. Zwar hält er sich an viele optische Vorgaben, die John Stockwell im Vorläufer etabliert hat, weshalb sich beide Filme auch weitgehend wie aus einem Guss anfühlen, kräftige Komplementärfarben unterstreichen aber den comicesken Grundton deutlich und verleihen „Kickboxer – Die Abrechnung“ immer wieder einen leicht entrückten Eindruck.
Mit entrückt ist auch die Story des Filmes gut umschrieben. Die geht teils schon sehr seltsame Wege. Warum etwa Master Durand geblendet wird, erschließt sich nie. Warum der Fight zwischen Mongkut und Sloane als Racheakt für den „Mord“ an Tong Po etabliert wird, bleibt ebenfalls ein großes Rätsel. Warum Kurt Sloane nach Niederschlägen Visionen von zukünftigen Events und Gegnern hat, verrät einem auch kein Schwein. Zwar ist man als Actionfan geneigt, über derartige Problemchen hinwegzusehen, nur müsste dann der Rest der Story passen. Die mutet aber immer zu konstruiert an.
Zudem vergisst sie vollkommen, irgendeine persönliche Beziehung zwischen Kurt Sloane und Mongkut zu etablieren. Auch weil Mongkut vom Drehbuch total vernachlässigt und überhaupt nicht als Gefahr aufgebaut wird! Wenn sich dann ein ungelenk geschriebener Versuch Kurts, seine Liu zu befreien, als radebrechend ineffizienter Versuch entpuppt, Mongkut zu dämonisieren, ist das schon extrem ärgerlich. Zumal dieser Ausflug den ohnehin etwas zu lang geratenen Actioner zusätzlich streckt. Zumindest hält er zwei gute Actionszenen bereit.
Allgemein ist die Action sehr gut über den Film verteilt worden und präsentiert vornehmlich Hauptdarsteller Alain Moussi beim Kicken. Ein frühes Highlight stellt dabei eine Plansequenz zu Beginn des Filmes dar, in der sich Moussi elegant durch die Insassen seines Knastes prügelt. Dabei fliegen vor allem die thailändischen Stuntmen mal wieder vollkommen lebensmüde durch die Gegend und kassieren sichtlich kaum abgebremste Tritte und Schläge. Die dynamische Untermalung mit dem treibenden Song „Working Hard“ und tolle Wechsel zwischen Fast-Forward-, Real-Time- und Zeitlupensequenzen sowie äußerst unvermutete Kamerawege lassen mit der Zunge schnalzen.
Davor und danach lässt es Moussi ebenfalls gekonnt scheppern. Gerne auch mit Moves, die er 1:1 von Van Damme kopiert. Es gibt sogar eine zweite, diesmal leider deutlich kürzere One-Shot-Sequenz zu bestaunen. Toll ist, dass „Kickboxer – Die Abrechnung“ für jeden Fight ein cooles Setting findet. Ob Thai-Knast, Zug, Underground-Fighting-Arena, MMA-Ring oder gar einer der berühmten schwimmenden Märkte Thailands, der Film bietet viel fürs Auge. Interessant ist dahingehend auch ein feiner Fight Moussis gegen zwei äußerst knapp bekleidete Thai-Miezen in einem Spiegelkabinett! bei Schwarzlicht!!, welches die Tattoos der Chicks sehr vorteilhaft in Szene setzt!!!
Zwischen den Fightszenen muss man im Übrigen kaum Leerlauf befürchten, da in diesen zumeist hübsche Montagen vom Training Kurt Sloanes steigen dürfen. Wenngleich es davon auch gut und gerne ein paar weniger hätten sein dürfen. Als Kracher schlechthin ist dann freilich der Showdown vorgesehen. Und prinzipiell passt hier viel. Der Schauplatz (ein thailändischer Tempel mit nett designter Arena) rockt, es wurde eine laute Crowd um die Arena platziert und der Gegner von Sloane ist halt ein riesiger Berg von einem Menschen. Mit einer Laufzeit von gut 20 Minuten gibt’s hier auch einiges zu sehen.
Man ist aber leider nie so wirklich drin in dem Fight. Zum einen, weil wie bereits erwähnt, die Beziehung zwischen Sloane und Mongkuts nichts hergibt, zum anderen, weil Mongkut zwar riesengroß und unfassbar bullig daherkommt, er für Moussis Kurt aber viel zu langsam und unbeweglich ist. Dementsprechend liefert Moussi auch voll ab und deckt den Riesen mit Schlägen, Tritten und spektakulären Aktionen ein, die der jedoch schluckt, als würde man ihn mit Wattebällchen bewerfen.
Mongkut selbst zeigt aber bis auf einen Bodyblock, ein oder zwei Hiebe und Tritte sowie ein paar Würfen gar nichts. Lässt man die beiden Kontrahenten dann auch noch vollkommen sinnloserweise mit Schwertern kämpfen, geht Mongkuts Übermacht total verloren, da er hier noch langsamer und unbeweglicher wirkt als ohnehin schon. Da haben Scott Adkins und sein Team bei dem Finalkampf Boykas gegen den Riesenbrecher in „Undisputed 4“ deutlich mehr gepunktet. Zumal die Dramaturgie des Kampfes an einem gewissen Punkt wirklich reichlich daneben ist.
Daneben ist ein gutes Stichwort. Das ist nämlich Van Dammes Darstellung eines Blinden. Jean-Claude Van Damme („Jean-Claude Van Johnson“) dürfte dank „Kickboxer – Die Abrechnung“ als der am wenigsten blinde Blinde in die Annalen der Filmgeschichte eingehen. Sein Spiel und seine Auslegung des Begriffes „blind“ sind ein Hort des unfreiwilligen Humors, was durch sein exaltiertes Spiel nur noch mehr unterstrichen wird. Damit trifft er den comichaften Grundton des Filmes perfekt und liefert eine wirklich irre, spielfreudige Show ab. Ernst nehmen kann man seine Figur so aber überhaupt nicht mehr. Zumal die von ihm abgeschossenen Weisheiten jeden Weisheiten verbreitenden Weisen anderer Filme ob ihrer nicht vorhandenen Weisheit vor Scham rot anlaufen lassen dürften. Enttäuschen dürfte so manchen Fan, dass Van Dammes Kampfsport-Fähigkeiten nur höchst selten zum Zuge kommen. Dafür darf man das Filmdebüt eines weiteren Sohnemannes (neben Kristopher) des Belgiers miterleben: Nicolas Van Varenberg ist als Travis dabei.
Alain Moussi („Killing Soldier“) ist derweil in seiner Rolle als Kurt Sloane angekommen und macht als Held der Chose einen sympathischen Eindruck. Zumal wird er aufgrund der häufig aufbrandenden Action darstellerisch auch kaum gefordert, wodurch er kaum mehr machen muss, als auf seine physische Präsenz und sein Können zu setzen. Seine Liu wird erneut von sexy Sara Malakul Lane („Shark Lake“) gegeben. Deren Rolle in „Kickboxer – Die Abrechnung“ bleibt trotz größerer Nähe zu Kurt Sloane aber ähnlich nichtssagend wie im Vorgänger.
Als fieser Fieswicht legt Christopher Lambert („The Hunted“) einige Auftritte hin, hat sich seine Schauspieltipps aber sichtlich bei Van Damme geholt. Denn er überzieht seinen Schurken mit seinen ausladenden Gesten schon extrem. Die deutsche Synchronisation schickt ihn gleich noch deutlicher in die „Seltsamer-alter-Onkel-Ecke“. Zumindest darf Lambert mal kurz gegen Van Damme ran und mit ihm einen Schwertkampf bestreiten.
Lamberts Berg von einem Fighter wird von Hafþór Júlíus Björnsson, dem „Berg“ aus Game of Thrones“ gegeben. Björnsson Physis ist mal wirklich irre, als Bösewicht mag er aber dank unterfütterter Charakterzeichnung nicht funktionieren und bei seinem großen Auftritt im Showdown ist seine Physis eher hinderlich. Schade. In Nebenrollen treten wie im Vorgänger diverse UFC- und MMA-Fighter auf. An großen Namen haben sich noch Mike Tyson („Ip Man 3“) und Ronaldinho in den Film verirrt. Letzterer bleibt nur eine Fußnote, ersterer darf einen netten Fight gegen Moussi abliefern und als weiterer Trainer Kurts noch ein paar hübsche Auftritte absolvieren. Dabei hat er eine spürbar gute Chemie mit sowohl Moussi als auch Van Damme.
“Kickboxer – Die Abrechnung”: Fortsetzung vs Comic-Ansatz
Was am Ende bleibt, ist die Frage, wie man mit dem Franchise weiter verfahren wird. Immerhin ist ein weiterer Teil („Kickboxer: Armageddon“) bereits angekündigt. Denn die Macher hatten schon bei diesem Film spürbare Probleme, die Story weiterzuführen, ohne zu sehr von der Marke „Kickboxer“, der man im Vorspann mit Bildern aus dem Van-Damme-Klassiker huldigt, wegzugehen. In der Folge wirkt „Kickboxer – Die Abrechnung“ doch arg konstruiert und holprig in seiner Handlungsführung. Anstelle etwas Neues zu wagen, war die Lösung für die Filmemacher allem Anschein nach die Vermittlung des Gefühls, dass man sich und den Film selbst nicht so ernst nehme. Ob das funktioniert, muss sich anhand der Fan-Reaktionen erst noch zeigen.
Nehme ich den Film als das, was er ist, nämlich die Fortsetzung von „Kickboxer – Die Vergeltung“, verliert „Kickboxer – Die Abrechnung“ im direkten Vergleich. „Vergeltung“ fühlt sich in sich geschlossener und runder an und seine Story ist einfach stringenter, involvierender und mitreißender. Wenn man im Nachfolger Klopse wie das Verschwinden Mike Tysons aus dem Film oder die Nichtbestrafung des eigentlichen Fieslings schlucken muss, wird das neben diversen anderen Problemherden nur umso deutlicher. Dafür legt der Nachfolger in seiner Action (Aufkommen und Choreografie) deutlich zu. Dementsprechend würde ich „Kickboxer – Die Abrechnung“ als Fortsetzung 6/10 Punkten zugestehen.
Nehme ich den Film aber als das, was er sein will, nämlich ein Larger-Than-Life-Comic, dann komme ich nicht umhin, „Kickboxer – Die Abrechnung“ ein wirklich hohes Unterhaltungspotential zuzugestehen. Dann bin ich auch bereit, diverse Dummheiten und hohle Momente zu schlucken und sehe auch über Overacting, ein holpriges Drehbuch, seltsame Dialoge und ebensolche Szenen, Versäumnisse in Sachen Involvement und üble Anschlussfehler gerne hinweg. In Verbund mit der häufig aufkommenden, gut choreographierten und technisch versiert in Szene gesetzten Action, den hübschen Schauplätzen des Filmes und dem einen oder anderen wirklich schrägen Humor-Moment macht das letzten Endes:
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film kommt von Ascot Elite und ist mit einer Freigabe ab 16 ungeschnitten. Neben den Trailern zum Film hat sich leider nur eine kleine Featurette über die am Film beteiligten Kämpfer auf die Datenträger verirrt.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Ascot Elite__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__ Blu Ray/DVD: Ja/Ja |