Originaltitel: Loft__Herstellungsland: Belgien__Erscheinungsjahr: 2008__Regie: Erik Van Looy__Darsteller: Koen De Bouw, Filip Peeters, Matthias Schoenaerts, Bruno Vanden Broucke, Koen De Graeve, Veerle Baetens, Tine Reymer, An Miller, Charlotte Vandermeersch, Wine Dierickx, Maaike Cafmeyer, Marie Vinck u.a. |
Bereits „The Alzheimer Case“ von Erik Van Looy hatte 2003 Aufmerksamkeit erregt, doch mit seinem nächsten Werk, „Loft“, konnte der Regisseur den (bisher) erfolgreichsten belgischen Film aller Zeiten drehen.
Wie so häufig im Thrillergenre beginnt auch dieser mit einem Todesfall – im wahrsten Sinne des Wortes, denn eine Person segelt mehrere Stockwerke herunter und kracht auf ein Autodach. Und wie im Genre üblich gibt dies Fragen auf, vor allem da „Loft“ sich von dieser Szene, die man zeitlich nicht einordnen kann und welche die Identität der getöteten Person nicht offenbart, entfernt. Doch es geht um eine weitere Leiche, die einer jungen Frau, die in einem Loft aufgefunden wird, womit der Fragenkatalog auf Zuschauerseite gleich noch einmal erweitert wird und das Interesse von Anfang an geweckt.
Besagtes Loft gehört fünf Männern, die nicht nur Kosten und Verantwortung teilen, sondern die Wohnung vor allem für außereheliche Schäferstündchen nutzen: Architekt Vincent Stevens (Filip Peeters), der auch das Loft designt hat und die ursprüngliche Idee zum Teilen hatte, der Psychiater Chris Van Outryve (Koen De Bouw), sein Halbbruder Filip (Matthias Schoenarts), Luc Seynaeve (Bruno Vanden Broecke) und Marnix Laureys (Koen De Grave), allesamt Freunde. Eine Art Locked-Room-Mystery, denn nur die fünf besitzen Schlüssel und den Code für die (ausgeschaltete) Alarmanlage, aber jeder beteuert seine Unschuld.
Und diese Beteuerungen hören sich auch zwei Polizisten an, welche die Verdächtigen später verhören, denn „Loft“ ist nicht chronologisch erzählt. In Rückblenden, teilweise ineinander verschachtelt, kommt man des Rätsels Lösung langsam näher…
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Natürlich gilt dies in erster Linie für den Zuschauer, da die Polizei nicht alle Informationen erhält, er aber schon, während nach und nach die Vorgeschichte der Frauenleiche aufgearbeitet wird, deren Identität man anfangs noch nicht einmal kennt. Tatsächlich sieht sie mehreren Frauen ähnlich, die in das intrigenreiche Spiel der Fremdgänger verstrickt sind und Erik Van Looy gibt sich Mühe rote Heringe in alle Richtungen auszulegen: Chris behandelte einst die Schwester des Objekts seiner Begierde, die aber trotz Therapie Selbstmord beging, die misstrauischen Ehefrauen sind natürlich auch noch und sowohl der Bürgermeister als auch ein reicher Bauunternehmer, der gleichzeitig Filips Schwiegervater und ein Konkurrent Vincents ist, tauchen ebenfalls immer wieder auf. Es sind viele Fährten, die „Loft“ da auslegt, doch Film verzahnt sie sehr geschickt zu einem durchaus schlüssigen Ganzen.
Freilich ist dieses Ganze unterm Strich recht konstruiert, gerade gegen Ende türmt „Loft“ dabei Twist auf Twist, doch Erik Van Looy und Drehbuchautor Bart De Pauw verstehen es dabei nicht jedwede Logik einkrachen zu lassen, nicht allzu unglaubwürdig zu wirken. Geschickt spielen sie mit Zuschauererwartungen, zumal jeder der Beteiligten Drecksack genug ist, dass er seinen Freunden etwas verheimlicht oder gar der Verantwortliche ist. Denn mit einem klaren Star oder einer strahlenden Hauptfigur würde „Loft“ nicht funktionieren, stattdessen streut die Handlung Verdachtsmomente gegen jeden, auch wenn sich im weiteren Verlauf immerhin eine Figur herauskristallisiert, welche ansatzweise Sympathien des Zuschauers einlädt.
Natürlich ist „Loft“, trotz kleinerer Spitzen gegen die Verschrobenheiten und die Dekadenz der Reichen, kein tiefgründiger Film, keine Bestandsaufnahme gelangweilter, zerbrochener Wohlstandsehen, sondern ein Thrillerkonstrukt, das vor allem auf Oberflächenreize setzt. Doch genau diese hat Van Looys Film zuhauf zu bieten, von dicht inszenierten Spannungsmomenten, in denen Figuren aufzuliegen drohen, bis hin zu einer stylischen, vor allem in dunklen Blau- und Weißtönen gehaltenen Optik. Dabei wirkt der Film in seinen unterkühlten, gewollt sterilen Bildern immer wieder kammerspielartig, obwohl er an verschiedenen Orten spielt, doch immer wieder kristallisieren sich einzelne Locations als Anspannungs- und Versammlungspunkte heraus: Nicht bloß das titelgebende Loft, in dem große Teile des Films spielen, auch die Verhörzellen, ein vollbesetztes Casino oder ein Hotel in Düsseldorf werden zu Orten kleinerer und größerer Machtkämpfe, die manchmal inmitten von Zuschauern (ohne deren Wissen) ausgetragen werden.
Van Looys kompetentes Ensemble weiß den Film zu tragen. Filip Peeters („The Intruder – Der Eindringling“) als charismatischer Verführer, sowohl der Damen als auch als Anstifter seine Freunde, Koen De Bouw („Shades“) als von seinen Obsessionen heimgesuchter Zögerer, Matthias Schoenarts („Black Book“) als aggressiver Vulkan vor dem Ausbrechen, Bruno Vanden Broecke („Someone Else’s Happiness“) als in sich Gekehrter und Koen De Grave („Die Beschissenheit der Dinge“) als polteriges versoffenes Ekelpaket. Durchaus aus dem Leben gegriffen, aber nie als Sympathieträger angelegt spielen sie ihre Figuren, neben denen die restlichen Darsteller etwas zurückstecken müssen, auch die für die Handlung so wichtigen Damen, von denen allenfalls Veerle Baetens („The Broken Circle“) noch ein paar Akzente setzen kann.
Als erstklassiges, stilvoll inszeniertes Stück Thrillerkino mag „Loft“ dabei nicht abgründiger oder anspruchsvoller als vergleichbare Hollywoodware sein, durchweg spannendes, wenn auch etwas konstruiertes Genrefutter bietet der Film aber durchweg. Temporeich, nie zu konstruiert und vor allem bei Erstsichtung recht überraschend – eine überzeugende Angelegenheit.
In Deutschland ist der Film bei Koch Media auf DVD erschienen und bietet als Bonusmaterial (zumindest bei der Kaufversion) ein umfangreiches Making Of.
© Nils Bothmann (McClane)
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