Originaltitel: Logan__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: James Mangold__Darsteller: Hugh Jackman, Dafne Keen, Patrick Stewart, Boyd Holbrook, Richard E. Grant, Stephen Merchant, Elizabeth Rodriguez, Elise Neal, Eriq La Salle, Quincy Fouse, Daniel Bernhardt u.a. |
Seitdem sich der Superheldenfilm als kommerziell ertragreiches Genre etabliert hat muss er sich mit der Gefahr der Formelhaftigkeit herumschlagen, weshalb neuere Vertreter des Genres sich immer wieder an Variationen versuchten. Hatte der „X-Men“-Ableger „Deadpool“ anno 2016 noch graphische Gewalt im extrem selbstreflexiven Gewand abgefeiert, so behält der dritte „Wolverine“-Film dessen Härte, präsentiert sich als resignatives Werk über einen gealterten Helden.
Ähnlich wie es alternden Heroen im Western und im Actionfilm taten, so ist nun am Superhelden Wolverine, den Hugh Jackman („Prisoners“) 17 Jahre zuvor das erste Mal verkörperte, als kampfesmüder alter Mann (nach dem Comic „Old Man Logan“) aufzutreten. Anno 2029 sind fast alle Mutanten ausgestorben, die X-Men gibt es nicht mehr und Wolverine arbeitet als Limousinenchauffeur. Seine Selbstheilungskräfte hat er noch, aber er ist grau geworden, nicht mehr so schnell im Kämpfen und hat Schmerzen beim Ausfahren seiner Krallen. Der Albino-Mutant Caliban (Stephen Merchant) kümmert sich um Wolverines Haushalt im mexikanischen Grenzgebiet, wo er auf den altgewordenen Charles Xavier (Patrick Stewart) alias Professor X versorgt und vor der Welt versteckt.
Wolverine, mit dem bürgerlichen Namen James Howlett unterwegs, wird jedoch – wie es in Filmen dieser Art immer so ist – gegen seinen Willen in einen Konflikt gezogen. Erst bittet ihn Gabriela Lopez (Elizabeth Rodriguez) um Hilfe, später bittet der sinistre Konzernangestellte Donald Pierce (Boyd Holbrook) ihn darum ihn zu informieren, sollte Gabriela mit ihm Kontakt aufnehmen. Logan will sich heraushalten, als Chauffeur auf seinen Traum eines eigenen Bootes hinsparen und sich nebenher mit Alkohol betäuben. Doch – wie es in Filmen dieser Art immer so ist – kann Gabriela ihn erweichen, als sie ihm zeigt, warum Pierce und seine Jungs hinter ihr her sind: Laura (Dafne Keen), ein stummes Mädchen, an dem der Konzern experimentierte, und dass Gabriela in Sicherheit bringen will.
Widerwillig und gegen eine große Geldsumme nimmt Wolverine den Auftrag an das Duo über die Grenze nach Kanada an einen sicheren Ort zu bringen. Doch der Konzern bekommt davon Wind und ist hinter ihnen her. Dabei stellt sich heraus, dass Laura ähnliche Fähigkeiten wie Wolverine besitzt…
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Man merkt Regisseur und Co-Autor James Mangold („Cop Land“) und seinen anderen beiden Drehbuchautoren Scott Frank („Mississippi Delta“) und Michael Green („Green Lantern“) an, dass sie sich vom Standard des Superheldenfilms wegbewegen wollten. Der Ton ist rauer und düsterer, die Gewalt härter und die Situation hoffnungsloser. Mutanten sind mehr oder minder ausgestorben, weshalb es in diesem Film vergleichsweise wenige Superkräfte zu bestaunen gibt. Die zu Beginn des Films dominierende Wüstenlandschaft erinnert in ihrer Trostlosigkeit manchmal schon als postapokalyptische Szenarien, während der ergraute Wolverine nicht nur optisch manchmal an Mel Gibsons Rolle in „Blood Father“ denken lässt, in dem ebenfalls ein alter Badass noch einmal zum Schutz des Jugend heranmuss – weitere Vorbilder von „Erbarmungslos“ bis „John Rambo“ gab es in den letzten Jahren und Jahrzehnten einige.
Und damit ist man schon bei einem Kernproblem von „Logan“. Denn sicher setzt sich der Film von anderen Superheldenstoffen mit Origin Storys und großen Schlachten ab, beackert dafür gleichzeitig die in den letzten Jahren reichlich gesehene Mär vom gealterten Actionhelden, der noch einmal ranmuss. Diesen mythischen Kern versucht James Mangold, der seinen Film in Interviews auch als modernen Western bezeichnete, dem Zuschauer mit Brechstange einzuhämmern, etwa wenn Charles und Laura in einem Hotelzimmer den archetypischen Western „Shane“ schauen, der damit als offensichtliches Vorbild in den Mittelpunkt gerückt wird. Referenzen an die eigene Filmreihe finden sich auch: In Wolverines Behausung lagern seine Hundemarken aus „X-Men Origins: Wolverine“ und das Katana aus „The Wolverine“, die Freiheitsstatuenszene aus dem ersten „X-Men“ wird angesprochen und eine Figur aus „X-Men 2“ spielt eine wichtige Rolle.
Vor allem aber erinnert die Mischung aus Actionfilm und Road Movie im weiteren Verlauf, in dem Wolverine und die seinen vor den Konzernhäschern fliehen an Vorbilder wie „Wer ist Hanna?“ (jugendliche Killermaschine und väterlicher Mentor) und „Universal Soldier“ (hochtechnologisierte Verfolger mit Wunderwaffe im Gepäck). Das ist nicht verkehrt, doch es zeigt immer wieder auf wie konventionell „Logan“ dann unter der vermeintlich so radikal neuen Haube doch ist. Dass sich der Film bei seiner Mischung aus Flucht, gelegentlichen Scharmützeln und dem Bonding der Hauptfiguren auch gerne zehn Minuten kürzer fassen könnte, hilft dann auch nur bedingt. Ebenso schade, dass manches nur nebulös angedeutet wird, etwa woran die anderen X-Men denn nun gestorben sind und wie das Ende jener Ära aussah, die intradiegetisch in den „X-Men“-Comics verarbeitet wird, die wir als Zuschauer aus der realen Welt kennen (und von denen innerhalb der Filmwelt nur ein Viertel wahr sein soll, wie Logan anmerkt).
Auch die Action von „Logan“ ist dann nicht mehr als gute Hausmannskost. Man merkt die höhere Freigabe, weshalb in den Kampfszenen locker flockig Kontrahenten die Rübe abgeschlagen, das halbe Gesicht weggeballert oder der Schädel mit Krallen durchbohrt wird, was jedoch oft in schnell geschnittenen Fights stattfindet. Das ist alles ohne allzu großen Übersichtsverlust gemacht, aber selten allzu einfallsreich choreographiert, weshalb man in dem Geschnetzel wenig Momente findet, die dauerhaft im Gedächtnis bleiben. Am denkwürdigsten ist erfreulicherweise das Finale, womit „Logan“ einen Höhepunkt bietet, wenn es in einem Waldstück zum großen Showdown kommt. Leider muss man dabei in Kauf nehmen, dass es an denkwürdigen Schurken mangelt, was gerade bei einem charismatischen Helden wie Wolverine bitter nötig ist – doch weder Pierce noch der schurkische Dr. Rice (Richard E. Grant) noch ihre Geheimwaffe kann da wirklich mithalten.
Was dagegen erfreulich ist, ist die Konsequenz mit der diese Geschichte erzählt wird. Ungebunden an Franchise-Kontinuitäten mit seinem in spätere Zukunft verlegten Handlungszeitraum kann „Logan“ mit Haupt- und Nebenfiguren rigoros verfahren, auch Sympathieträger killen, und damit den nihilistischen Ton diverser andere Werke um gealterte Helden treffen. Dabei ist der Film weniger politisch als manch anderer aus der „X-Men“-Reihe, auch wenn sich ein ganz netter Kommentar zur Lebensmittelherstellung durch Großkonzerne in „Logan“ verbirgt, der sogar Plotrelevanz bekommt. Etwas bemüht dagegen wirkt eine Szene mit blankgezogenen Hupen, mit denen Mangold wohl noch einmal ganz deutlich machen wollte, dass dies nun ein R-Rated-Superheldenfilm ist, für alle, die das angesichts der Gewalt und der Flucherei nicht gerafft haben.
Was dagegen tadellos ist, ist die Leistung von Hauptdarsteller Hugh Jackman, der als gebrochener Held, der mit allem fertig ist, noch mal ganz groß aufspielt, mit Rauschebart, Alkoholproblem und unverhohlenem Zynismus. Patrick Stewart („Green Room“) als vom Alter gezeichneter, gebrechlicher Mentor hält da ebenso mit wie starke Nachwuchsdarstellerin Dafne Keen („The Refugees“). Umso schlechter stehen dann die eh schon schwach geschriebenen Bösewichte da: Richard E. Grant („Hudson Hawk“) kommt nie so recht zum Zug und Boyd Holbrook („Run All Night“) wirkt wie eine bemühte Schmalspurvariante von Charlie Hunnam. Als total verheizter Scherge springt Actionstar Daniel Bernhardt („Precious Cargo“) durchs Bild, während Eriq La Salle („Color of Night“) und Elise Neal („Rosewood Burning“) als freundliches Farmerehepaar noch am ehesten Akzente unter den Nebendarstellern setzen können.
So hinterlässt „Logan“ gemischte Gefühle. Einerseits ist er ein Bekenntnis zu mehr Variation im Superheldenfilm, erfreulich drastisch und melancholisch im Ton, passend im Abspann mit „The Man Comes Around“ von Johnny Cash unterlegt, über den Mangold auch das Biopic „Walk the Line“ drehte, und mit sehr starken Hauptdarsteller besetzt. Andrerseits ist er dann doch eine recht altbekannte Geschichte über einen gealterten Helden, der es noch einmal wissen will, mit bekannten Topoi, einigen Längen und schwachen Antagonisten. So bleibt ein ganz guter Film, der aber keine Konkurrenz zu Werken wie „The Dark Knight“ oder „Watchmen“, die als ernsthafte Reflexionen des Superhelden deutlich besser funktionierten.
„Logan“ wird von 20th Century Fox am 2. März in die deutschen Kinos gebracht. Der Film wurde ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: 20th Century Fox__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 2.3.2017 in den deutschen Kinos |