1 – Sonnies Vorteil (Sonnie’s Edge)
Ein tosender Monster-Brawl vor blutgierigem Publikum eröffnet die Staffel, legiert mit edlem Cyberpunk-Artdesign aus dem Rechner und einer herben Note Feminismus aus dem Bauch. Seine Haken setzt „Sonnie’s Edge“ mit beispielloser Präzision und Härte. Oft reichen ihm kurze Augenblicke, um den feinen Unterschied gegenüber oberflächlichem Action-Krawall herzustellen. Exemplarisch eine Einstellung, die das Eindringen einer fleischigen Wulst in den Körper des Gegenübers zeigt. Sie dauert kaum mehr als eine Sekunde an, verwandelt aber eine konventionelle Fantasy-Actionsequenz, wie man sie derzeit zu Dutzenden im Kino erleben kann, in eine Parabel auf Vergewaltigung und Missbrauch.
Wie messerscharf hier tatsächlich das misogyne Gesellschaftsbild seziert wird, zeigt sich allerspätestens mit der tänzelnden Vorbereitung auf den abschließenden Plottwist. Der wird mit aller vorstellbaren Kraft ausgespielt, die man in dieser kurzen Spielzeit überhaupt aufbringen kann. Doch im Grunde muss man im eröffnenden Dialog bloß zwischen den Zeilen lesen, um zu ahnen, dass diese Story völlig rund aufgeht. Oder man liest im Creature Design, das nicht nur in Bezug auf seine allegorische Wirkung äußerst ergiebig ist, sondern ästhetisch noch dazu, lässt es doch feminine Weichheit wie Wasser über das männlich konnotierte Kriegsgerät fließen. „Panzerballett“ nannte sich einmal eine deutsche Band, um ihren leichtfüßigen Stil mit der als schwermütig empfundenen Herkunft in Einklang zu bringen; eine solche Wortschöpfung wäre ebenso gut in „Sonnie’s Edge“ investiert.
2 – Drei Roboter (Three Robots)
Mit bitterbösem Humor wird in „Three Robots“ nicht weniger als die Auslöschung der gesamten Menschheit kommentiert. Die Autoren und Produktionsdesigner haben zu diesem Zweck eine Menge Gras über die Relikte menschlicher Kultur wachsen lassen und bieten ein Setdesign auf, das zeigt, wie sich die Natur ihren rechtmäßigen Besitz zurückholt. Damit legitimieren sie eine ironische Distanz gegenüber sehr akuten Problemen der Gegenwart. So oder so… Wer sehenden Auges in die Katastrophe navigiert, hat es nicht anders verdient, als dass die Hinterbliebenen auf dem Grab umher spazieren und amüsante Schlüsse über jene ziehen, die auf der anderen Seite des Grases liegen.
Bei den Kommentatoren handelt es sich – ganz im Sinne des vorgegebenen Themas – um Roboter, die in einer von Pflanzen überwucherten Großstadt einem menschlichen Ritual nachgehen – sie betreiben Sightseeing. Wir kommen nicht umhin, der Ironie zu applaudieren, die dem Anblick dreier KIs innewohnt, die sich wie Touristen verhalten: Weil der Mensch selbst nicht mehr an Ort und Stelle sein kann, um Stellung zu seiner eigenen Dummheit zu beziehen, schickt er eben seine Stellvertreter vor, die das für ihn erledigen.
Das Resultat ist herrlich trockener Beobachterhumor. Wie WALL-E, nur mit einer zusätzlichen sozialen Komponente, die zwischen drei grundverschiedenen Charakteren zur Geltung kommt. Die zum Elliptischen tendierenden Konversationen funktionieren wie bei einer (von Dosenlachern befreiten) Sitcom, nur dass eben die offenen Ruinen einer Apokalypse das Set bilden anstatt eines Wohnzimmers. Der auf die Grenzen der Logik vertrauende Humor ist jenem eines Seinfeld nicht fremd; auch Woody Allen hat seine Spuren hinterlassen, bewegen sich die Androiden doch auch mit einer gewissen Vorsicht durch die fremdartige Welt und setzen ihren Intellekt als Schild gegen alles ein, was sich ihrem Verständnis entzieht – wie Katzen beispielsweise, die in dieser Vision eine ganz besondere Rolle spielen…
3 – Die Augenzeugin (The Witness)
Die Animationsqualität war schon in den ersten beiden Episoden beeindruckend, wenn auch in der Machart eher konventionell. „The Witness“ ändert Letzteres grundlegend. Man weiß auf Anhieb gar nicht, wie man diese ultrarealistischen Bewegungen einordnen soll, wenn sie sich plötzlich wie ein Gummiband ins Comichafte verzerren. Erst spät glaubt man die völlig fremdartig erscheinende Optik dekodiert zu haben – es muss sich um Realaufnahmen handeln, die man in unterschiedlicher Intensität digital überzeichnet hat wie der Tuschekünstler die Strichführung eines Comiczeichners. Ein rasanter, mit Adrenalin motorisierter Inszenierungsstil nach Art von „Crank“ oder jüngst „Hardcore“ hilft dabei, die Übergänge dynamisch zu verwischen. Doch selbst, wenn man zu wissen glaubt, wie das Gezeigte technisch realisiert wurde, ändert das nichts an der Faszination der Bilder. Vor allem der Mittelteil im Fetisch-Club konsumiert sich wie ein Halluzinogen und zerrt regelrecht mitten hinein in den Moment. Der extrem offenherzige Umgang mit Nacktheit und Sexualität sorgt für zusätzliche Irritation… hat man nicht gerade erst in der Vorgängerepisode etwas gesehen, dass man problemlos als Disney-kompatibel bezeichnen könnte? Und jetzt das.
Inhaltlich dürften viele Zuschauer hingegen einen ersten Qualitätsabfall wahrnehmen; nach eindeutigen Kriterien messbar ist der allerdings nicht. Kritiker werden wohl bemängeln, dass man alles oder nichts in eine Pointe wie die hier gebotene interpretieren könnte. Dabei kann man sie durchaus festnageln darauf, dass sie eine analytische Betrachtung des Handelns im Affekt zu bieten hat und essenzielle Wahrheiten darüber zu Tage bringt, wie es um die Macht des Handelnden über die Situation bestellt ist, in der er sich befindet.
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