13 – Raumschiff Nr. 13 (Lucky 13)
Da soll nochmal einer sagen, „Love“ und „Robots“ schlössen sich gegenseitig aus. Anders als die Paarungen „Love – Death“ und „Death – Robots“ scheint die hier gewählte Kombination auf den ersten Blick tatsächlich inkompatibel zu sein, doch die Macher von „Lucky 13“ haben es sich wild entschlossen zum Ziel gesetzt, eine Verbindungslinie zu ziehen – mit der Hoffnung, dass das Ergebnis unter Umständen sogar reißfester sein könnte als die anderen beiden Verbindungsmöglichkeiten.
„Können Maschinen Emotionen empfinden?“ ist natürlich eine der ältesten Fragestellungen der Roboterethik, insofern schwimmen die Autoren der Geschichte aus dem Bereich SciFi/Krieg in Gewässern, die bereits tief erforscht wurden. Daher hält sich Regisseur Jerome Chen mit philosophischen Untiefen gar nicht erst weiter auf und konzentriert sich lieber auf die herzerwärmenden Zutaten der altbewährten Buddy-Mechanik.
Die Krimi-Actionserie „Knight Rider“ benötigte noch einen sprechenden Computer, um ein freundschaftliches Band zwischen Auto und Fahrer herzustellen. Während sich die Technologie in der Realität tatsächlich in diese Richtung entwickelt und natürliche Spracherkennung in der Automotive-Entwicklung längst zum Standard geworden ist, setzt die Story aus dem Bereich SciFi/Action bewusst auf Anachronismen und macht ein abgerocktes Schlachtschiff zum Fanliebling, das auch ein Fundstück aus der neunten Episode „The Dump“ sein könnte – oder womöglich die „Planet Express“ aus „Futurama“. Nichts als ein stummer Haufen Metall, der weder Emotionen empfinden noch erwidern, ja nicht einmal imitieren kann wie unsere „intelligenten“ Lebenshelfer im Alltag. Doch je mehr Einsätze es übersteht, während neuere Modelle regelmäßig abgeschossen werden, desto stärker wird das Band zwischen Pilotin und Schiff: Ist hier womöglich ein Schutzengel am Werk?
Natürlich ist es nicht das Schiff, über das eine Aussage getroffen wird, sondern die Neigung des Menschen, eigene Empfindungen notfalls auch auf leblose Gegenstände projizieren. Wenn der Gitarrist seinem Instrument einen Frauennamen gibt, wenn der Sammler sein Lieblingsstück zum eigenen Schutz vor der Welt verbirgt und der Autonarr die Felgen blank poliert, kommt jenes Phänomen zum Tragen, das die Episode zu ihrem Thema macht. Und es funktioniert: Denn am Ende entwickeln auch wir Gefühle für das Schiff. Ganz ohne anthropomorphe Verfremdungen. Innerhalb von nur 15 Minuten. Was sagt das über uns aus?
14 – Zima Blue (Zima Blue)
Wenn „Love, Death & Robots“ so etwas wie einen Prozessorkern hat, dann ist es „Zima Blue“. „Fish Night“ und „Beyond The Aquila Rift“ waren schon nah dran an der philosophischen Quintessenz der Serie, doch diese zweite Adaption einer Alastair-Reynolds-Kurzgeschichte taucht im wahrsten Sinne des Wortes in sie ein. Sie entschlüsselt das Chiffrierte, anstatt nur Mysterien zu errichten und gibt eine verblüffend klare Antwort auf die vielleicht brennendste Frage menschlichen Daseins: Jene nach dem Zweck des Lebens.
Die blockartige, mit völlig reinen Farbverläufen ausgefüllte Animation ist keine willkürliche Design-Entscheidung, sie rastert die hier präsentierte Cyberpunk-Welt in einzelne, überbrückbare Abschnitte, die von der Hauptfigur partikelweise erklommen werden. Ursprünglich ein Künstler, der sich inzwischen mit den Mitteln der Science Fiction in etwas Bedeutenderes verwandelt hat, setzt sich das beschriebene Wesen immer größere Ziele, um das Bedürfnis nach weiteren persönlichen Meilensteinen zu befriedigen. Worauf die über den Off-Kommentar einer Journalistin aufgezogene Beobachtung hinausläuft, ist klar: Am Ende wartet der unverstellte Ausblick auf die Antwort aller Lebensfragen.
Solch großen Themen stehen im Film traditionell die Grenzen der Visualisierung im Wege. Autoren wie Lovecraft hatten den Komfort, das Unaussprechliche nicht in Bilder übersetzen zu müssen, um den abstrakten Gedanken Raum zu schaffen, die sie umnachteten. Im Buch kann man Inhalte zwischen den Buchstaben verstecken. Filmemacher genießen diesen Luxus nicht; Viele Regisseure mussten die Erfahrung machen, dass den Dimensionen des Unvorstellbaren auf der Leinwand Grenzen gesetzt sind. Auch die Kunstwerke des Zima können immer nur symbolische Links sein zu der Festplatte, die diese Werke erdacht hat. Die überdimensionalen Abbildungen des Weltalls entblättern sich wie Daumenkino, sie laufen auf die einzig zu erwartende Pointe hinaus und machen sich somit angreifbar für eine naserümpfende Zuschauerschaft, für den die präsentierten Arbeiten kaum mehr darstellen als den ordinären Kunst-Aktionismus eines Selbstdarstellers. Doch auf subjektive Bewunderung sind weder Regie noch Drehbuch noch Animation aus. Im Gegenteil, aus der vermeintlich durchschaubaren Evolution eines grenzenlosen Geistes wächst etwas von so durchdringender Komplexität, wie es normalerweise nur ein Buch zu vermitteln imstande ist. Und dazu braucht es bloß gut ausgeführtes Handwerk in Form eines blau gekachelten Swimming Pools unter freiem Himmel.
15 – Blindspot (Blindspot)
Ok, machen wir noch einen für die „Fast & Furious“ Fraktion. Nach der schweren Kost aus „Zima Blue“ kommt so ein hoch motivierter Heist auf einen Panzerwagen gerade recht. Die Androiden-Truppe, die in dieser Folge einem seltenen Chip nachjagt, scheint im Momentum der Action die beste Zeit ihres Lebens zu haben. Mit der knallbunten Animation aus dem Anime-Dunstkreis ist alles sichtbar auf Antrieb und Kinetik ausgelegt. In der grundsätzlich immerhin lebensbedrohlichen Situation feixen die Brandschatzer und bilden untereinander eine verschworene Gemeinschaft. In diesen Kreis aufgenommen zu werden muss sich der einzige Rookie im Team zunächst einmal erarbeiten…
„Nimm das Leben nicht so schwer, du kommst sowieso nicht lebend raus“. Das wäre so ein Spruch, den man „Blindspot“ auf die Mottofahne kleben könnte. Vitalij Shushko spielt unbeschwert mit dem Fakt der Sterblichkeit und erweckt den Anschein einer Videospiel-Realität, die letztlich in eine trockene, aber harte Pointe mündet. Shsushko hatte 2016 mit „X Story“ bereits einen Kurzfilm gedreht, der sich ebenso mühelos für diese Anthologie qualifiziert hätte. Daraus lassen sich viele Elemente in abgewandelter Form wiederfinden – das Artdesign, die Hauptfigur, vor allem aber die merkwürdig schwerelose Atmosphäre. Zum Highlight reicht es in Anbetracht der starken Konkurrenz nicht, aber dass selbst in diesen Basics der Staffel noch so viel künstlerische Vision steckt, ist schon eine ziemliche Ansage.
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