16 – Eiszeit (Ice Age)
Nanu, gehört die Realaufnahme jetzt auch zu den Animationsformen? Immerhin glotzen uns da fragend die riesigen Visagen von Topher Grace und Mary Elizabeth Winstead an. Aber nein; die beiden Schauspieler stellen ihre Wohnung bloß als Rahmen für putzige Mikroanimationen mit Stop-Motion-Ästhetik bereit.
Miniatur-Modelle von der Entwicklung menschlicher Zivilisation, die im Eisfach eines Kühlschranks Platz finden, sind wohl einem Science-Fiction-Allgemeinplatz näher als einem wirklich innovativen Einfall, weshalb „Ice Age“ inhaltlich auch zu den weniger spektakulären Folgen gehört. Den im Zeitraffer illustrierten Ablauf von Aufbau, Zerstörung, erneutem Aufbau und endgültiger Zerstörung nimmt man ohne größere Überraschungen zur Kenntnis, auch wenn aus der hier präsentierten Metaperspektive immer noch viele wahre Dinge gezogen werden können.
Interessanter ist da schon das „Wie“, wobei insbesondere der Grenzraum zwischen Eisfach und Wohnzimmer zu interessanten Schlussfolgerungen verleitet. Der Umstand, dass ganze Zivilisationen entstehen und wieder in sich zusammenfallen, während die beiden Zuschauer nur wie die Ölgötzen in der Tür stehen mit ihrem seltsam fragenden Blick (und Brokkoli zwischen den Zähnen), was muss das bloß für ein merkwürdiger Anblick für die Kühlfach-Insassen sein, ihr ganzes Leben lang von diesen Riesen mit der Agilität von Faultieren beobachtet zu werden? Regisseur Tim Miller arbeitet präzise heraus, wie der Mensch seinen eigenen Untergang vorherzusehen imstande ist und dennoch so langsam reagiert, dass er ihn wohl kaum verhindern können wird. Aus der unmittelbaren Sicht des Pärchens, das völlig in den eigenen Alltag mit Pizza auf der Couch versunken ist, lässt sich die Gefahr für die eigene Existenz womöglich noch nicht direkt ableiten; das dumpfe Mitgefühl für das Schicksal der armen Mini-Kreaturen deutet aber an, dass die schreckliche Vorahnung sich bereits langsam in den Eingeweiden ausbreitet…
17 – Alternative Zeitachsen (Alternate Histories)
Da muss man nicht lange hinschauen, um zu erkennen, dass hier wieder die Regisseure der weniger beliebten Joghurt-Invasion „When The Yogurt Took Over“ am Ruder sind. Die Beiden frönen nun ein zweites Mal ihrer Vorliebe für leicht säuerlich riechenden Holzhammer-Humor kombiniert mit Gedankenspielen um Diktatoren und ihre Weltherrschaftsambitionen.
Mit den subtilen Untertönen der meisten anderen Beiträge kann es diese sechsteilige Simulation des Schmetterlingseffekts (macht bei acht Minuten Gesamtspielzeit kaum mehr als eine Minute pro Zukunftsausblick) jedenfalls nur bedingt aufnehmen. So etwas Brachiales wie eine Hitler-Karikatur ist ohnehin schon zu sehr Stammtisch-Material, um noch etwas Entscheidendes zur Gedankensammlung beizutragen, die sich in den 16 Vorgängerfolgen ganz beachtlich gefüllt hat. Entsprechend blutig gestaltet sind Hitlers Wege, abzutreten (nur Kenny kann’s spektakulärer) und entsprechend ordinär ist der angeschlagene Ton. Im Sinne der liberalen Vorgabe, alles zu dürfen und nur wenig zu müssen, bewegt man sich indes nach wie vor im Bereich des Erlaubten. Die niedlich-brutale Scherenschnitt-Animation tut ihr Übriges, um uns die Satire mit Gewalt einzuprügeln.
Die große Pointe, dass herrschsüchtige Tyrannen letztlich immer an ihrer eigenen Eitelkeit ersticken, nimmt man trotzdem amüsiert zur Kenntnis. Und am Experimentierwillen soll es auch nicht liegen: Das ist schon eine Menge Lunte, die da innerhalb weniger Wimpernschläge angezündet wird.
18 – Geheimkrieg (The Secret War)
„Love, Death & Robots“ schließt mit einer wahren Tech-Demo, die es in Sachen Fotorealismus noch einmal in sich hat. Sibirien bietet fantastische Flächen, um sie auf dem derzeit höchsten Stand der Computertechnik nachzubauen – glitzernde Schneeflächen, Strahlenbüschel, die durch Lärchen jagen und unermessliche Einsamkeit. Was schon viele Poeten und Schriftsteller über die sibirische Taiga zu sagen hatten, macht sich auch diese Geschichte zu eigen: Der Tod schwebt über dem kalten Land und er sieht wunderschön aus.
Davon abgesehen hat „The Secret War“ als Abschlussfolge einige Nachteile zu verbuchen, die hauptsächlich darin bestehen, dass ein paar andere Folgen auf ähnliche Schwerpunkte setzten und dabei einige Dinge noch besser machten. Auch „Shape Shifters“ und „Suits“ wählten einen exotischen Kriegsschauplatz, um Menschen gegen Geschöpfe aus der Phantastik antreten zu lassen, doch taten sie dies mit wesentlich klarer definierten Schwerpunkten. Diesmal scheint es eher darum zu gehen, allgemeine Erkenntnisse über den Krieg selbst zu gewinnen, die Verteilung von Rollen und die Psychologie, die in ihm wirkt.
Das Publikum scheint es nicht zu stören; der Abschluss der ersten Staffel gehört zu den Spitzenreitern, wenn es um den Zuschauer-Bewertungspegel geht. Daran dürfte die Animationskunst einen gehörigen Anteil haben; oder aber die Traurigkeit darüber, dass der ganze Spaß in 18 Kapiteln für Binge-Watcher nach gut dreieinhalb Stunden ein Ende hat.
*Das Fazit findet ihr auf Seite 8 unserer “Love, Death & Robots” Rezension!*