Originaltitel: Mad Heidi__Herstellungsland: Schweiz__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Johannes Hartmann, Sandro Klopfstein__Darsteller: Alice Lucy, Casper Van Dien, David Schofield, Rebecca Dyson-Smith, Max Rüdlinger, Katja Kolm, Leon Herbert, Milo Moiré, Julia Föry, Pascal Ulli u.a. |
„Mad Heidi“ ist das Schweizer Pendant zum finnisch-australisch-deutschen „Iron Sky“ und zum deutschen „Sky Sharks“. Alle drei haben sehr erfolgreiche Crowdfunding-Kampagnen, eine unabhängige Produktion, eine offensichtliche Trash-Ausrichtung und Nazis als fiese Gegenspieler der Helden gemein. Auch wenn die Käsefaschisten in „Mad Heidi“ etwas weniger dominant agieren als in den beiden Vergleichswerken. Mit „Iron Sky“ hat „Mad Heidi“ im Übrigen noch eine wichtige Personalie gemeinsam. Denn mit Timo Vuorensola („Jeepers Creepers: Reborn“) konnte der Regisseur der Mondscheiben-Nazis als ausführender Produzent gewonnen werden. Worum geht’s?
Als wir Heidi das erste Mal begegnen, rollt sich gerade der gut bestückte Geißenpeter von unserer hinreißend nackten Heldin. Deren Opa, der Almöhi, sieht das alles andere als gerne, haftet dem Geißenpeter doch der Ruf an, in der nahegelegene Stadt in sinistre Geschäfte verwickelt zu sein. Und wirklich, der Geißenpeter verkauft an alle, die es sich trauen, mit ihm zu handeln, wohlschmeckenden, selbstgemachten Ziegenkäse.
Doch wer den Käse kauft, macht sich strafbar. Denn eigentlich liegt die Käseproduktion der Schweiz seit Jahren samt und sonders in den Händen des Möchtegern-Diktatoren Meili. Der kontrolliert mit seinem genetisch manipulierten Käse das unterdrückte Volk und arbeitet aktuell an einer neuen Formel, die die Vernascher seines Käses zu willenlosen Supersoldaten im Zombie-Modus macht.
Doch Meili muss schnell merken, dass ihm in Heidi eine sehr gefährliche Gegnerin zu erwachsen droht. Erst recht, nachdem seine rechte Hand, Kommandant Knorr, Heidis Opa killt. Wutschnaubend zieht sich Heidi in die Alpen zurück und erlernt Martial Arts, um Meili und dessen Käsefaschisten ein paar faustgroße Löcher in die Leiber zu stanzen.
Schaut in den Trailer von „Mad Heidi“ hinein
Schweizer Klischeeparade im Swissploitationer mit Casper Van Dien
Fliegende Käselaibe schweben auf das Matterhorn zu und beginnen es zu umringen. Wie Paramount wohl dieser Einstieg gefällt? Leider ist „Mad Heidi“ bei weitem nicht so respektlos, wie dieser coole Einstieg glauben zu machen versucht. Einzig die grundlegende Umdeutung der Heidi-Geschichte zu einem Racheepos voller Splatter, absurden Bösewichten und einer mit ihrer selbst geschmiedeten Hellebarde um sich schlagenden Heldin umweht noch etwas subversiver Witz. Immerhin wird hier eines der bekanntesten Kinderbücher der Welt geschlachtet.
Doch es bleibt leider bei der Idee. Die Umsetzung der Schlachtung verfängt leider nicht. Das Hauptproblem: Immer, wenn man glaubt, „Mad Heidi“ habe sich eingegroovt, schmeißen Regie und Drehbuch die Bremse rein. „Mad Heidi“ eskaliert nie, dreht nie hoch und schafft es einfach nicht, dem Wahnsinn Tür und Tor zu öffnen. Vor allem der Beginn wirkt unwahrscheinlich verschleppt. Dem World Building fehlt es an Witz. Und es fehlt an Action.
Das Tempo geht eigentlich erst rauf, wenn die Macher dem Frauengefängnis-/Lagerfilm der Marke „Ilsa, She Wolf of the SS“ zu huldigen gedenken. Hier gelingen einige nette Szenen – und wird Heidi unangenehm egal, weil sich der Zuschauer stande pede ausgerechnet in eine der Lagerbewacherinnen verliebt. Kein Wunder, denn Rebecca Dyson-Smith ist als kurz berockte Fräulein Lutz einfach nur absolut hinreißend.
Was in dem Abschnitt aber auch klar wird: „Mad Heidi“ bekommt die Handbremse einfach nicht gelöst. Witzversuche wirken repetitiv, die Handlung tritt auf der Stelle und irgendwie fühlt es sich an, als nehme sich der Film selbst viel zu ernst. Freilich ein gewaltiges Problem für einen von Anfang an als Trashfilm geplanten Streifen. Die stocksteife deutsche Synchronisation des in Englisch gedrehten Filmes schluckt obendrein gefühlt Lockerheit und Witz.
Versteht mich nicht falsch: „Mad Heidi“ hat ein paar wirklich coole Momente. Ein paar altbekannte Klischees zur Schweiz werden hübsch durch den Kakao gezogen. Etwa wenn die immer knochenharte Toblerone für einen derben Kill eingesetzt wird. Auch wenn Sprüche steigen wie „Rest in Cheese, Bitch“ oder Heidi in alpiner Umgebung zu Italo-Western-Mucke Kampfsport erlernt, fühlt man sich als Trashfilm-Fan durchaus verstanden. Und wenn in „Mad Heidi“ der Punk abgeht, sprich gesplattert wird, sind das herzhaft schlotzige, geil aussehende Handmade-Effekte. Aber diese Momente bleiben leider einzelne und viel zu seltene Strohfeuer. Und sie werden einfach nicht genügend ausgekostet.
Ihr werdet spätestens im Finale verstehen, was ich meine. Ich habe mir für ebenjenes ein wildes Splatter-Finish mit zig Käsezombies gewünscht. Und die Zeichen dafür stehen sogar lange gut! Am Ende bekam ich aber gerade einmal drei Zombies. Keinen einzigen mehr. Einfach schade!
Zumindest gibt es zwei Personen im Cast, die dem Affen richtig Zucker geben: Casper van Dien („Showdown in Manila“) ist als Diktator Meili einfach nur großartig. Wie exaltiert er spielt, wie er mit Mimik und Gestik total überzieht und vom Diktator mit Weltherrschaftsattitüde in Sekunden zum kleinen, quengeligen Jungen umschaltet. Quietschen dazu noch seine Adiletten, ist der Spaß perfekt. Rund um seine Figur können wir im Übrigen auch die schweizerische Micaela Schäfer erleben. Dabei ist Milo Moire natürlich immer nackt. Zumindest hier liefert „Mad Heidi“.
Der zweite Darsteller, der genau erkannt hat, wo er hier mitspielt, ist der gnadenlos overactende Max Rüdlinger als Kommandant Knorr – von Meili immer nur als Knorlie bezeichnet. Dem Mimen sieht man den Spaß an, den er bei den Dreharbeiten gehabt haben muss. Und dafür stellt er sich voll in den Dienst des Filmes und lässt wirklich alles mit sich machen. Großartig.
Bei den restlichen Darstellern fallen derartige Einschätzungen schwerer. Hier gibt es einige Ausfälle zu beobachten. Selbst Alice Lucy als Heidi ist zwar megasympathisch, kommt aber lange Zeit seltsam farblos und uninteressant rüber. Sie spielt auch verhältnismäßig steif. Deutlich gelöster wirkt sie eigentlich nur in der Action, was es nur noch unverständlicher macht, das selbige so selten aufkommt.
In optischer Hinsicht fällt als erstes der viel zu glatte Digitallook auf, mit dem auch nicht gespielt wird. Den Frauenknast-Abschnitt beispielsweise hätte ich mir viel eher im räudigen Grindhouse-Look vorgestellt. Allgemein hätte ein körnigerer, weniger klarer Look besser zur gesamten Ausrichtung des Filmes gepasst. Der kommt nun mit kontrastreichen, stark in Richtung eher kalter Farbwelten korrigierten Bildern daher. Dabei gelingen auch schöne Momente, etwa von den natürlichen Vorzügen der Gegenden, in denen gedreht wurde. Auch ein paar Drohnenflüge liefern schöne Bilder der schweizerischen Natur. Aber eigentlich will der Trashfan doch etwas anderes sehen.
Davon gibt es in „Mad Heidi“ auch einiges. Platzende Köpfe, aufgerissene Oberkörper, Halbierungen, aufgeschlitzte Hodensäcke, herzhafte Hiebe mit spitzen Gegenständen in Körpergegenden, wo sonst des Mannes bestes Stück hängt, und ähnliche Geschmacklosigkeiten mehr kann man hier bewundern. Und auch die Käsefaschisten-Ausstattung passt. Weniger gelungen empfand ich die musikalische Untermalung, da diese wie der Film selbst seltsam gebremst wirkt.
„Mad Heidi“ startet nie richtig durch
Ich bin mit der Einstellung an „Mad Heidi“ herangegangen, vergnügliche 90 Minuten auf niederem Niveau zu erleben. Ich wollte mit verrückten Ideen und Geschmacklosigkeiten zugeschmissen werden und sehen, wie Schweizer Filmemacher ein Nationalheiligtum wie Heidi zerlegen oder zumindest richtig frech neu deuten. Leider ist all das nicht wirklich eingetreten.
„Mad Heidi“ hat ein paar wirklich nette Einzelmomente, die Splattereinlagen fetzen, Fräulein Lutz ist zum Verlieben, Heidi-Darstellerin Alice Lucy sympathisch und Casper Van Dien rockt einfach mal tierisch einen raus. Aber diese Einzelmomente verschmelzen leider nicht zu einem 90-minütigen Funride, sondern eher zu einer Art Best-of eines One-Hit-Wonders mit einer Menge Füllmaterial dazwischen. Es fehlt an Witz, es fehlt an wirklich fiesen Ideen, an Tempo und am Mut, richtig freizudrehen. Und so ist „Mad Heidi“ von dem Eingangs genannten Film-Trio leider der schwächste Vertreter.
„Mad Heidi“ läuft seit dem 24. November 2022 in ausgewählten Kinos. Der (etwas humorlos) ab 18 freigegebene Trashfilm wird von Nameless Media umsorgt, die sich alsbald sicher um eine umfangreiche Mediabook-Auswertung kümmern werden.
In diesem Sinne:
freeman
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