Originaltitel: Madhouse__Herstellungsland: Großbritannien__Erscheinungsjahr: 1974__Regie: Jim Clark__Darsteller: Vincent Price, Peter Cushing, Robert Quarry, Adrienne Corri, Linda Hayden, Natasha Pyne, Barry Dennen, Catherine Willmer, Ellis Dayle, Jenny Lee Wright, John Garrie, Ian Thompson u.a. |
Weit hochgezogene Augenbrauen, ein zum Lachen (oder Schreien) verzerrter Schmallippenmund und ein Labyrinth aus Hautfalten und Oberlippenbehaarung… je länger Vincent Prices Karriere andauerte, desto mehr glich sein Spiel dem überzeichneten Ausdruck einer Theatermaske. Passend dazu machten sich die Filme, in denen er mitwirkte, deren Symbolik zu eigen: Bei „Im Todesgriff der roten Maske“ (1969) verbirgt die Gesichtsbedeckung durch Magie herbeigeführte Verunstaltungen, die Titelfigur von „Das Schreckenshaus des Dr. Phibes“ (1971) und der Fortsetzung „Die Rückkehr des Dr. Phibes“ (1972) sieht aus wie ein Moder-Zombie aus einem Fulci-Streifen und bei „Theater des Grauens“ (1973) wird die große Geste zelebriert. In „Madhouse“ ist Prices Gesicht nun mit den Zügen eines Totenkopfes übermalt, sobald er in seiner Rolle als Dr. Death zu Werke geht. Seine realen Züge strahlen dabei noch durch die Maske hindurch, das Makeup wird zu einer Art Überbelichtung des Unmaskierten. Doch in der Filmrealität wird der Schauspieler von einem Imitatoren verfolgt, dessen wahre Identität komplett hinter einer undurchsichtigen, soliden Totenkopfmaske verborgen ist…
In Anbetracht dieses reflexiven Inhalts sowie des Umstands, dass Vincent Price danach kaum mehr große Hauptrollen in Horrorfilmen gespielt hat, ist die Versuchung groß, „Madhouse“ als seine große Abschiedsvorstellung zu interpretieren. Immerhin steigt die Handlung auf dem Höhepunkt des Ruhms ein, als der Star auf einer Gala den x-ten Teil seiner Dr. Death-Reihe vorstellt und sich dabei im Smoking von den Gästen feiern lässt. Dass kurz darauf der große Fall kommt, liest man zu diesem Zeitpunkt bereits an der anachronistischen Anmutung der Szenerie ab: Ein schmuddeliger Gothic-Streifen auf verkratztem Zelluloid, der die Massen begeistern soll? Als ein schmieriger Produzent kurz darauf eine Szene zwischen dem Star und seiner Gattin provoziert, ist das nur die Bestätigung dafür, dass hier nicht das Kapitel über die Blütezeit eines Filmstars geschrieben wird, sondern ihr absteigendes letztes Kapitel.
Obgleich hier also alles auf den alternden Hauptdarsteller Vincent Price zugeschnitten ist, so geht es doch vielleicht nicht um seine Person, sondern vielmehr um die Schauspieler-Generation, die er repräsentiert – und den Typ Horrorfilm, in dem sie zum Einsatz kam. Wir befinden uns schließlich im Jahr 1974, mitten in der New-Hollywood-Bewegung also, im Jahr, als Tobe Hoopers „Texas Chainsaw Massacre“ erschien. In einer Zeit, als Roman Polanski mit „Rosemaries Baby“, George A. Romero mit „Die Nacht der lebenden Toten“ und William Friedkin mit „Der Exorzist“ das Genre bereits grundlegend auf den Kopf gestellt hatten. Dr. Death und seine maskierten Spießgesellen wirken in diesem Kontext wie desorientierte Ausgestoßene, die mit ihrer Fackel durch eine neu aufgezogene Dunkelheit irren, ohne einen Platz in ihr zu finden. Die American International Pictures ist sogar so kühn, Stock Footage aus „Der Rabe“, „Der grauenvolle Mr. X“ und anderen Horrorfilmen ihres 60er-Jahre-Fundus einzubauen, um zur Drehzeit bereits verstorbenen Ikonen wie Basil Rathbone und Boris Karloff Gastauftritte innerhalb des Film-im-Film-Konzepts zu verschaffen. Vincent Price und sein Co-Star Peter Cushing wirken angesichts dessen wie die letzten Überlebenden einer Expendables-Crew aus grauer Vorzeit, die sich nun mit dem modernen Anstrich einer nicht mehr wiederzuerkennenden Branche anfreunden müssen.
Insofern ist es von Vorteil, dass wir es hier mit einer Amicus-Koproduktion zu tun haben, denn anders als die Konkurrenz von Hammer verortete man das Grauen bei Amicus zumeist in der uns bekannten Gegenwart. Der Goth findet sich in einem Gefängnis aus Filmkorn und Schmutzartefakten wieder, auf der anderen Seite der Gitterstäbe entblößt sich das vermeintliche Werk der Fiktion als schnödes Filmset. Dort hüpft ein junger Regisseur umher und setzt gestikulierend seine Hipster-Ideen um, während das Nachwuchs-Starlet es sich in ihr hübsches Köpfchen gesetzt hat, auf dem Rücken der Altstars die eigene Karriereleiter zu erklimmen. Robert Quarry, der den Produzenten spielt, trägt auf einer Kostümparty sogar das Vampir-Dress seiner Count-Yorga-Filme wieder auf und erklärt sein gesamtes Umfeld somit zur Non-Fiktion. Da glaubt man doch zu gerne, dass sich Vincent Price selbst spielt in den Szenen, in denen er von der unberechenbaren Moderne in die Ecke gedrängt wird und mit Verwirrung, wenn nicht sogar Verzweiflung reagiert.
Die Moderne zum wahren Filmmonster zu erklären, ist nämlich die große Spezialität von „Madhouse“. Eine der gewöhnungsbedürftigen Sorte, zugegeben; nicht jedem Publikum dürfte die hysterische Art und Weise munden, wie hier klassische Horror-Legenden mit den Mitteln der Gegenwart dekonstruiert werden. Man merkt, dass Regisseur Jim Clark nicht unbedingt Herr aller Entscheidungen gewesen sein dürfte und seine Arbeit Opfer unzähliger Neuschnitte wurde; stellenweise bemerkt man auch eine gewisse Planlosigkeit bezüglich der Richtung, die eingeschlagen werden sollte. Während der identitätslose Killer mit der Maske nach klassischen Whodunit-Bauplänen in Edgar-Wallace-Machart vorgeht und somit fast schon etwas beruhigend Vorhersehbares verströmt, sorgt die Hinter-den-Kulissen-Realität für die nötige Portion Unberechenbarkeit. Am Filmset oder auf dem eigenen Grundstück kann schließlich alles Mögliche passieren – Arbeitsunfälle könnten sich ereignen, Schauspielkollegen oder deren Angehörige könnten sich zu einem Erpressungsversuch entschließen. Kein wahnsinniger Messerschwinger ist es, der an den Nerven zerrt, sondern die spröde, sinnlose, hinterhältige, undankbare Realität.
Das vermeintlich Unheimliche aus der Horror-Fiktion baut Jim Clark somit zu Oasen des Vertrauten um, was der Grundstimmung durchweg einen raffinierten Twist gibt. Insbesondere trifft das auf die Rolle von Adrienne Corri (Uhrwerk Orange) zu, die als psychisches Einsiedler-Wrack mit einem besonderen Faible für Spinnen (von denen manche echt sind und manche je nach Schauspieler-Interaktion gegen Gummispinnen getauscht werden) in jedem normalen Film ein Quell der Bedrohung wäre – hier bedeutet ein Besuch in ihrem Keller gewissermaßen, nach Hause zu kommen. Diese auf den Kopf gestellte Perspektive hält der Regisseur in den klassischen Horrorsequenzen ebenso stabil wie in den Abschnitten, in denen die 70er hervorbrechen. Vor allem das letzte Drittel profitiert von der chaotischen Vermischung aus Fiktion und Realität mit einem enorm hohen Tempo, geradezu wahnwitzigen Fügungen der Ereignisse (alleine diese Talkshow-Sequenz…) und einer wirren Fährte aus ausgelegten roten Heringen, die selbstverständlich niemals von dem durchschaubaren Plottwist ablenken kann. Und doch fällt dieser unheimlich effektiv aus, einfach weil er großartig gespielt ist und seinen Big Punch mit voller Wucht unterbringt. Vielleicht gerade deswegen, weil er ironischerweise genau in der Machart präsentiert wird, wie sie von den aussterbenden Horror-Ikonen der 60er gepflegt wurde.
All das macht „Madhouse“ herrlich schrill, abwechslungsreich und trotz der altmodischen, vorhersehbaren Horrorfilm-Motive erstaunlich progressiv. Obwohl es sich nicht gerade um typisches Futter für einen Price-Filmabend handelt, so kommen seine Fans doch absolut auf ihre Kosten, sehen sie ihn doch wild die Augen aufreißen, laut schreien und wahnsinnig lachen. Ein Fest der expressionistischen Darstellungskunst. Und die liefert er nicht nur für sich selbst, sondern auch für seinen Partner Peter Cushing, für den altehrwürdigen Boris Karloff und den unvergesslichen Basil Rathbone. Eigentlich fehlt nur noch Christopher Lee. Aber auch so hält der Titel weit mehr, als sein verhältnismäßig geringer Bekanntheitsgrad verspricht.
Schaut in den Release-Trailer zu “Madhouse – Das Schreckenshaus des Dr. Death”
httpv://www.youtube.com/watch?v=j60EO0vdCBU
Collector’s Edition #40
Alleine die ofdb führt insgesamt zehn Filme mit dem Titel „Madhouse“, darunter auch eine Kirstie-Alley-Komödie. Da musste man bei der Release-Ankündigung seitens Wicked Vision erst einmal doppelt prüfen, um welchen es sich denn eigentlich genau handelt. Nun wäre die Kirstie-Alley-Komödie ja auch nicht völlig ausgeschlossen gewesen (immerhin hat man auch „Cadillac Man“ mit Robin Williams gebracht), aber die Chancen lagen wohl recht hoch, dass es sich um den 1974er-Streifen mit Vincent Price und Peter Cushing handeln würde.
Die Verpackung
Und in der Tat – auf allen drei Mediabooks der „Collector’s Edition“ mit der runden Nummer 40 prangt das Konterfei von Vincent Price. Cover A (limitiert auf 333 Stück) basiert auf dem alten Original-Kinoplakat und trifft mit seiner verschmolzenen Collage aus Totenkopf mit Spinne, zweimal Vincent Price, einmal schreiende Jungfrau und einmal Herrenhaus das Chaos im Film schon ziemlich gut. Der Hintergrund ist komplett schwarz gehalten, den deutschen Alternativtitel „Das Schreckenshaus des Dr. Death“ hat man sich hier komplett gespart. Auf den Motiven B (333 Stück) und C (444 Stück) ist er hingegen zumindest als Tagline vertreten. In beiden Fällen handelt es sich um neu angefertigte Zeichnungen eigens für diesen Release. Die B-Variante wurde von Daryl Joyce angefertigt. Hier werden einige der wichtigsten Darstellerköpfe (Robert Quarry fehlt allerdings) wunderbar atmosphärisch im Kerzenschein arrangiert, während die Silhouette von Dr. Death in grüner Plasma-Beleuchtung besonders unheimlich getroffen ist. Zur Rezension liegt Cover C von Timo Wuerz vor, der ja neuerdings öfter mal für Wicked Vision im Einsatz ist und ausgezeichnete Alternativen zu Tage gebracht hat. Unverkennbar ist auch diesmal wieder sein Faible für kreuzartige Anordnungen, lässt er doch Dr. Death, seinen maskierten Widersacher, Adriennne Corri und Peter Cushing in entsprechender Aufteilung auf der Leinwand nieder. Der weiße Schriftzug legt sich von einer roten Leuchtquelle ab, an der sich der Totenkopfmann regelrecht zu wärmen scheint.
Das Booklet
Für das Booklet im Innenteil wird das alte deutsche Kino-Motiv als Deckblatt verwendet, das außer einem Totenschädel in Wärmefilter-Optik auf schwarzem Hintergrund und dem deutschen Titel nichts zu bieten hat – insofern die richtige Entscheidung, dieses Motiv nicht als Mediabook-Cover zu verarbeiten, aber es ist schön, dass es Teil dieser Veröffentlichung ist. Blu-ray/DVD und Tray-Hintergründe sind im klassischen Beige der meisten Collector’s-Edition-Releases gehalten, ebenso wie die Seiten des Booklets. Darin finden wir einen Text von Dr. Rolf Giesen, der diesmal recht kurz ausgefallen ist; schon auf Seite 15 beginnen die insgesamt dreiseitigen Filmcredits, danach folgt noch eine kleine Bildergalerie mit Aushangfotos, eine Seite mit Schlagzeilen und die Produktionscredits. Giesens Text mag kurz sein, aber wie meistens ist er auch sehr erkenntnisreich. Neben vielen Hintergrundinformationen zum Status Quo in der Branche und zu den Biografien der Beteiligten geht er im Kern auf die Stimmung am Set ein, was natürlich gerade bei dem Thema des Films äußerst angemessen erscheint. Giesen schließt in der für ihn typischen trockenen Art mit dem Fazit, „Madhouse“ sei zwar kein bedeutender Film, aber wenigstens sei er unterhaltsam und keine Zeitverschwendung wie manch andere Wiederentdeckung. Wer übrigens Spoiler um jeden Preis vermeiden will, sollte sich den Text erst nach Sichtung durchlesen, da eindeutige Hinweise auf die Identität des Killers gegeben werden.
Der Ton
Bislang war „Madhouse“ nur in einer gekürzten Fassung auf DVD von KSM erhältlich – das soll sich nun ändern. Diese Edition enthält den ungekürzten Film auf Blu-ray und DVD mit allen Gewaltspitzen, die entfernt wurden. Neben der englischen Originalfassung in DTS-HD 2.0 ist auch die deutsche Synchronisation im gleichen Format enthalten und erlaubt ungetrübten Filmgenuss mit Oldschool-Flair. Die englische Spur klingt insgesamt voluminöser und ist natürlich schon wegen Prices unverwechselbarer Stimme Pflicht, aber auch die deutsche Fassung mit Siegfried Schürenberg auf Vincent Price und Friedrich Schoenfelder auf Peter Cushing hat ihre Vorzüge.
Das Bild
Besonders aufregend gestaltet sich die Einordnung der Bildqualität. Wenn Ausschnitte aus alten AIP-Filmen mit Karloff, Rathbone & Co. eingespielt werden, wird pures Retro-Feeling freigesetzt – Kratzer, Verunreinigungen und massives Filmkorn inklusive. Ein Fest für Nostalgiker. Die gedeckten Farben der 70er Jahre dominieren in den Szenen mit Gegenwartsbezug, doch die Farben alter Horrorfilme verlaufen in dieser Realität immer wieder wie Wasserfarben – etwa in der mit Bava-Spektren ausgeleuchteten Keller-Kulisse oder der von Nebel behangenen Einstellung am See, die auch aus einem alten Geisterfilm stammen könnte. Der Transfer zeigt sich in der Darstellung dieser sehr unterschiedlichen Schwerpunkte sehr flexibel und erlaubt somit, dass man jeweils tief in jeder Szene versinken kann.
Die Extras
Beim Bonusmaterial sind hingegen Abstriche zu verzeichnen. Neben einer Sammlung an Trailern zum Hauptfilm in unterschiedlichen Sprach- und Schnittfassungen sowie einer Bildergalerie gibt es hier nur ein gut 10-minütiges, englischsprachiges Making Of namens „Revenge of Dr. Death“, das den Fokus auf die Produktionsumstände legt. Zur Sprache kommen dabei neben einem Off-Erzähler die Filmhistoriker C. Courtney Joyner und David Del Valle. Letzterer ist außerdem in einem Audiokommentar gemeinsam mit dem Autoren Phoef Sutton, der Mitte der 90er mit den Drehbüchern zu „The Fan“ und „Mrs. Winterbourne“ seinen Peak hatte, zuletzt aber wieder etwas aktiver wurde. Die Beiden überschlagen sich regelrecht vor Begeisterung und kommen oft zeitgleich mit Namen und Daten um die Ecke, während die Entstehung des Films anhand von Biografien und deren Vernetzung weiter vertieft wird. Man hätte vielleicht noch gerne einen zusätzlichen Kommentar von Booklet-Autor Giesen (und ggf. einem möglichen Gesprächspartner) gehört, informativ genug ist der vorhandene Kommentar aber allemal, zumal auch des Englischen nicht mächtige Zuschauer deutsche Untertitel hinzuschalten können – was auch für das Making Of und selbstverständlich den Hauptfilm gilt, welcher darüber hinaus auch englische Subs an Bord hat.
Bildergalerie zum Film
Sascha Ganser (Vince)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja |