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Massive Talent

Irgendwo zwischen Fakt und Fiktion spielt Nicolas Cage in der Metakomödie „Massive Talent“ eine Version seiner selbst. Der finanziell klamme Altstar wird für eine Million Dollar für eine Geburtstagsparty in Europa gebucht. Kurz nach seiner Ankunft tritt jedoch die CIA an den Schauspieler heran, da sein schwerreicher Gastgeber angeblich ein international agierender Verbrecher und Entführer sein soll.

Originaltitel: The Unbearable Weight of Massive Talent__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Tom Gormican__Darsteller: Nicolas Cage, Pedro Pascal, Lily Mo Sheen, Sharon Horgan, Paco León, Tiffany Haddish, Ike Barinholtz, Neil Patrick Harris, Jacob Scipio, Alessandra Mastronardi, Joanna Bobin, Demi Moore, David Gordon Green u.a.
Massive Talent

Metakomödie mit und über Nicolas Cage: “Massive Talent” von Tom Gormican

Nicolas Cage ist ein Phänomen, das über seine Filme hinausgeht: Sein expressiver Schauspielstil mit Hang zum Overacting, der Memes und YouTube-Kompilationen nach sich zog, sein Weg von ganz oben nach unten, seine gescheiterten Ehen, seine B-Film-Karriere wegen Steuerschulden. Dass „The Unbearable Weight of Massive Talent“, vom deutschen Verleiher aus Angst vor Komplexität zu „Massive Talent“ verkürzt, als Metafilm zu jenem Zeitpunkt kommt, an dem Cage angeblich wieder schuldenfrei ist, mag da nur folgerichtig erscheinen.

Das massive Talent von Nicolas Cage und seine Filmographie sind das zentrale Thema dieser selbstreflexiven Komödie, in deren Auftaktszene eine junge Frau nebst Freund gerade „Con Air“ schaut und Cages Schauspielmeriten bewundert, ehe sie aus ihrer Wohnung entführt wird. Der Film-Cage, ebenso wie der reale Nicolas Cage, der ihn verkörpert, kann von solchen Blockbuster-Tagen nur träumen. Selbst die Charakterrollen in kleinen Indie-Projekten, für die er brennt, sind trotz harten Einsatzes von seiner Seite schwer zu bekommen – die Macher gehen bei der Besetzung doch lieber andere Wege.

Privat läuft es kaum besser: Das Verhältnis zu Tochter Addy (Lily Mo Sheen) und Ex-Frau Olivia (Sharon Horgan) ist schwer angeknackst, da Nicolas sich selbst, seine Vorlieben und seine Persona zu sehr in den Vordergrund stellt – selbst bei der Geburtstagsfeier des Nachwuchses. Da Nic nicht nur massives Talent, sondern auch massive Schulden hat und die Rollenangebote ausbleiben, nimmt er auf Wunsch seines Agenten Richard Fink (Neil Patrick Harris) einen Job an, den er eigentlich als unter seiner Würde ansieht: Einen Auftritt auf einer Geburtstagsparty, für die Auftraggeber Javi Gutierrez (Pedro Pascal) eine stolze Million Dollar lockermacht. Immerhin geht es dafür auf dessen Privatinsel vor der spanischen Küste, womit „Massive Talent“ dann eine bildschöne Location mit Sommerurlaub-Feeling auffahren kann.

Javi erweist sich als Superfan, der sein Idol sogar für ein selbstgeschriebenes Filmprojekt gewinnen will. Cage fühlt sich gebauchpinselt, wird jedoch kurz darauf von den CIA-Agenten Vivan (Tiffany Haddish) und Martin (Ike Barinholtz) angesprochen. Die wollen den Star als Informanten gewinnen, da sie Javi für einen Waffenhändler und Entführer halten…

httpv://www.youtube.com/watch?v=sm89nsy-5bE

Massive Talent

Nicolas Cage ist gleichzeitig Hauptdarsteller, Hauptrolle und Inspiration dieser Metakomödie

Das ist der Auftakt für ein amüsantes Verwirrspiel um Schein und Sein, denn Cage kann sich schwer vorstellen, dass der charmante und eher softe Javi tatsächlich ein internationaler Superverbrecher sein soll. Gleichzeitig will er seinem Land dienen und im wahren Leben der Held sein, den er sonst auf der Leinwand verkörpert. Der Film legt für beide Interpretationen der Situation Hinweise aus – erst zum Ende hin wird aufgelöst, inwieweit die CIA und inwieweit Cages Bauchgefühl Recht hat. Nicht dass „Massive Talent“ dabei Thrillerqualitäten entwickeln würde: Der Plot funktioniert in erster Linie als nette Metawitzelei um das Phänomen Nicolas Cage, ist aber mehr auf einzelne Situationen und Eskapaden getrimmt als auf eine große kohärente Vision.

So sind es dann auch der Star und seine Filmographie, die den Laden zusammenhalten: Immer wieder sind Ausschnitte aus Nicolas-Cage-Filmen zu sehen, der Wert einzelner seiner Werke wird diskutiert. „Tess und ihr Bodyguard“ wird zum Lebenshilferatgeber Javis, die goldenen Knarren aus „Face/Off“ haben ihren Gastauftritt neben diversen anderen Cage-Memorabilia und der Film-Cage hält Zwiesprache mit seinem jüngeren, imaginären Alter Ego im „Wild at Heart“-Look. So sind Kenner von Cages Schaffen hier mehr zu Hause als unbedarftere Zuschauer, wobei ein Großteil der Referenzen auf Cages Hochzeit in den 1980ern und 1990ern abzielt, weniger auf das vergangene Direct-to-Video-Jahrzehnt. Erfreulicherweise kommt „Massive Talent“ dabei über reines Namedropping hinaus, ist eine Art verhaltener Liebesbrief an einen gescheiterten Star (und darin dem geringer budgetierten „JCVD“ nicht unähnlich). Freilich wird dabei Faktisches und Fiktionales in diesem Film-Cage vermischt, selbst der Film im Film, der am Ende von „Massive Talent“ herauskommt, ist nicht „Massive Talent“, sondern eher die Michael-Bay/Jerry-Bruckheimer-Version der Ereignisse, inklusive Cameo-Auftritt von Demi Moore („Küss mich, Doc!“).

Massive Talent

Die große Frage: Ist Javi Gutierrez (Pedro Pascal) nur ein naiver, superreicher Superfan oder ein international agierender Verbrecher?

Vielleicht kann Regisseur und Drehbuchautor Tom Gormican auch das Leiden seines Stars nachvollziehen: Nach seinem Spielfilmdebüt, dem 2014er Überraschungshit „Für immer Single“, schuf er die kurzlebige und kaum gesehene Sitcom „Ghosted“, und hat ebenfalls mehrere Jahre Sendepause hinter sich. Er hat seinen Film auch gut in der Hand, steigert nach und nach die Paranoia, in die sich der Film-Cage parallel dazu hineinsteigert, bricht diese Entwicklungen jedoch stets komödiantisch, etwa wenn ein Drogenrausch eine Verfolgungssituation ohne Verfolger produziert oder jede vermeintlich freundliche Geste des übermütigen Javi auf die Goldwaage gelegt wird. Einige tolle Slapstickmomente sind dabei, etwa wenn sich der Möchtegern-Geheimagent Cage mit einem Kontaktgift beinahe selbst ausschaltet (und sich in bester „The Rock“-Tradition via Injektion selbst retten muss). Am Ende sprechen im Stile seiner alten Actionblockbustertage auch mal die Knarren, ohne dass „Massive Talent“ durch seine paar Schauwerte gleich zur Actionkomödie werden würde. Doch letzten Endes steht Gormican zwar vor dem großen Wurf, den er aber nicht ganz hinbekommt: Trotz aller Nicolas-Cage-Trivia könnte man sich den Film fast genauso gut mit einem fiktiven Star in einer rein fiktionalen Handlung vorstellen, selten kommt das Ergebnis über nett hinaus. So sind auch viele Schmunzelszenen dabei, aber die großen Brüller kann das Comedy-Timing nicht produzieren.

Da auch wenn „Massive Talent“ vielleicht ohne Cage funktionieren würde, so ist es mehr als schön, dass Gormican diesen Pfad ging: Der Star spielt elanvoll und befreit, auf Augenhöhe mit anderen Glanzperformances aus den letzten Jahren wie „Mandy“ oder „Die Farbe aus dem All“. Den Altstar zwischen Triumph und Tragödie, zwischen ehrlicher Freude und manischem Wahnsinn verkörpert er so herzig, dass man ihm ebenso wie seiner Filmfigur eine Leinwandrenaissance von Herzen gönnt. Großes Tennis liefert auch sein Spielpartner Pedro Pascal („The Equalizer 2“) ab, dem man sowohl den naiven Cagefan als auch den eiskalten Gangsterboss abkaufen würde, da Pascal alle Möglichkeiten der Rolle überzeugend auslotet. Lily Mo Sheen („Underworld: Evolution“), die Real-Life-Tochter von Kate Beckinsale und Michael Sheen, und Sharon Horgan („Game Night“) sind toller Support, nett die kleinen Nebenrollen von prominenten Leuten wie Tiffany Haddish („The Lego Movie 2“), Ike Barinholtz („Der Sex Pakt“) und Neil Patrick Harris („Matrix Resurrections“). Doch die Show gehört Cage und Pascal und die hauen hier so richtig auf die Pauke.

„Massive Talent“ ist also eine tolle gespielte, ziemlich beschwingte und vergnügliche Angelegenheit, die von Nicolas Cage als Hauptdarsteller und Inspiration gleichermaßen profitiert. Letzten Endes kann Regisseur und Co-Autor Tom Gormican den Drive der Anfangsphase nicht beibehalten und wird im späteren Filmverlauf etwas beliebig, sodass „Massive Talent“ nicht ganz der Metaknaller ist, der er sein könnte. Eine spaßige Angelegenheit ist er trotz seiner Schwächen dennoch.

Leonine bringt „Massive Talent“ ab dem 21. April in die deutschen Kinos, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Leonine__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 21.4.2022 in den deutschen Kinos

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