B-Action ist meist eine Sache des Films – wenn auch eher auf VHS, DVD oder inzwischen VOD. Zum Lesen findet sich dieses Genre allerdings auch, wobei die Unterteilung in A- und B-Klasse hier schwerer fällt, sind die Vertriebswege doch stets identisch und es sind keine Budgets zu managen. Und die Unterscheidungen zwischen hoher Literatur und Genrebüchern, zwischen regulärer Trivialliteratur und echtem Pulp, die überlassen wir dann doch lieber den Literaturwissenschaftlern. Ein Autor, der sich jedoch explizit vornahm B-Action zum Lesen zu fabrizieren, ist Shane Mulligan, wie er in einem Interview ausführt, das sich am Ende seines Debütromans „Mayhem“, erschienen beim Verlag Savage Types, findet.
Mulligans Intention lässt sich schon im Namen seines Helden finden: John Zagarino. John ist ja eh ein beliebter Name unter Actionhelden, egal ob John McClane oder John Wick, John Rambo oder John Matrix, und bei Zagarino muss der geneigte Genrefan natürlich an Frank Zagarino aus Werken wie „Blood Warriors“ oder der „Shadowchaser“-Reihe denken. John Zagarino hat eine Vergangenheit als Footballspieler und MMA-Fighter, ebenfalls klassisches B-Heldentum, doch nun arbeitet er als Lieferant. Als ein Erdbeben ihn während einer Anlieferung in einer Tiefgarage verschüttet, beginnt der Moment, in dem der Protagonist so wirklich zum Helden wird. Erst überlebt er tagelang unter der Erde, dann bahnt er sich den Weg nach oben und betritt schließlich eine Welt, die er nicht mehr wiedererkennt: Die Stadt ist verwüstet, von den wenigen noch lebenden Menschen sind viele einem rauschhaften Wahn anheimgefallen und dann sind da noch Monster, welche Jagd auf die Überlebenden machen.
Es gibt sogar einen Buchtrailer zu „Mayhem“
httpv://www.youtube.com/watch?v=CanHdOwaMyo
Beschreibt Mulligan erst ruhig ein über Tage gehendes Was-wäre-wenn-Survivalszenario, bei dem der Held mit seine Ressourcen haushalten muss (ähnlich wie etwa die Filme „Castaway“, „The Divide“ oder „All Is Lost“), so zieht das Tempo nach Zagarinos Erkundung der Oberwelt gewaltig an: Die folgende Handlung umfasst nur wenige Stunden, in denen dann aber gewaltig die Hölle (auf Erden) los ist. Mit einem Mix aus Action-, Horror- und Science-Fiction-Motiven stößt Mulligan seinen Helden und weitere Überlebende, auf die er trifft, in einen atemlosen Überlebenskampf, in dem alle Charaktere knapp, aber markant als archetypische Genrefiguren gezeichnet werden: Der erfahrene Kriegsveteran, die junge, toughe Punkfrau, das flattrige Nervenbündel usw. Kurze Rückblenden geben ihnen das nötige Profil und lassen sie nicht bloß zu Pappkameraden werden, auch wenn man quasi nur über Zagarino, den Veteranen Rick und die Studentin Ruth wirklich Substantielles erfährt. Was dabei mutig auffällt: Mulligan schont seine Figuren nicht, lässt auch Sympathiefiguren über die Klinge springen, auch wenn der erfahrene Genrefan hin und wieder ahnt, wer wohl was als nächstes den Löffel abgeben wird.
Doch Mulligan geht es um die pure Lust am Genre, weshalb er im Interview freimütig zugibt, dass ihm Vorbilder aus Filmen, Büchern, Serien usw. Inspiration geliefert haben. So erinnern etwa manche Figur und das apokalyptische Survivalszenario an „The Walking Dead“, die Figur des Veteranen, der dem Helden als Mentor, Kamerad und Ersatzvater unter die Arme greift, kennt man aus unzähligen Actionreißern usw. Zwei andere Medien haben stilistisch wohl auch noch Pate gestanden. Zum einen sind da Comics: Mit lautmalerischen (und im Layout abgesetzten) Einschüben wie BOOM oder CRACK lässt Mulligan Explosionen, Feuergefechte und Nahkämpfe noch unmittelbarer wirken. Zum anderen scheinen Videospiele eine Inspiration gewesen zu sein: Immer wieder tauchen neue Monster auf, jede neue Herausforderung wirkt wie ein neues Level, egal ob es ein Kampf gegen Flugsaurier-artige Kreaturen vorm Rathaus ist oder eine Verfolgungsjagd zwischen einem Jeep und einem haushohen Riesenmonster (was natürlich gleichzeitig Erinnerungen an Kaiju-Filme hervorruft).
Mit dieser Levelstruktur zeigt Mulligan stets stolz seine nächste Idee vor, mögen es die kreativ designten Monster sein oder Enthüllungen bezüglich der Figuren (sogar einen Serienkiller gibt es inmitten von Apokalypse, aus dem Zoo ausgebrochenen Hyänen und mörderischen Kreaturen auch noch) sein. Manchmal wünscht man sich, dass der Autor bei einzelnen Ideen noch länger bleiben würde, manche Kreatur und ihre Verhaltensweisen noch weiter ausarbeiten. Aber darum ging es Mulligan nicht, ebenso wenig wie um Tiefgang, wie er im erwähnten Interview ausführt. Stattdessen ging es um eine Wundertüte voller Action, Kreaturen und Tempo; flotter Pulp eben, der nicht mehr sein will als er ist. Und das ist gut so, denn als B-Actioner zum Lesen macht „Mayhem“ Laune.
Details zu „Mayhem“
Mayhem
Shane Mulligan
Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
Verlag: Savage Types (12. Mai 2018)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3981962178
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© Nils Bothmann (McClane)