Originaltitel: Hit List__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1989__Regie: William Lustig__Darsteller: Jan-Michael Vincent, Leo Rossi, Lance Henriksen, Charles Napier, Rip Torn, Harold Sylvester, Jere Burns, Harriet Hall, Ken Lerner, Jack Andreozzi, Nick Barbaro, Lou Bonacki, Vic Manni u.a. |
Ende der 1980er war William Lustig ein schwer beschäftigter Mann und drehte 1989 neben dem Serienkiller-Thriller „Relentless“ gleich noch den Actionthriller „Hit List“, beide für die Produktionsfirma Cinetel.
„Hit List“ ist in Sachen Figuren pures Genrekino. Da gibt es den selbstgefälligen Mafiapaten Vic Luca (Rip Torn), der im Falle einer Anklage stets von seinen Anwälten rausgeboxt wird und auf den Stufen des Gerichtsgebäudes überhebliche Statements in Richtung Reporter abgibt. Da gibt es Handlanger wie Frank DeSalvo (Leo Rossi), die (aus welchem Grund auch immer) Leichen voller Drogen mit ihrem Beerdigungsinstitut verbuddeln. Und da gibt es unnachgiebige FBI-Agenten, welche jene Mafiosi genau dabei erwischen, natürlich ein Team aus dem jüngeren Nachwuchsagenten Jared Riley (Jere Burns) und dem kurz vor der Pension stehenden alten Hasen Tom Mitchum (Charles Napier), der Luca noch festnageln will, ehe er wirklich gehen kann.
Tatsächlich können die Agenten DeSalvo und einen weiteren Handlanger zu einer Aussage bewegen, doch Zeugen haben bei Anklagen gegen Luca wenig Überlebenschancen. Grund dafür: Der Killer Chris Caleek (Lance Henriksen). Dies dürfte die einfallsreichste Figur des Films sein: Einerseits ein sadistischer, fast schon dem Horrorgenre entspringender Profi mit Freude am Erdolchen seiner Opfer, dabei aber ein mit allen Wassern gewaschener Vollprofi. Andrerseits ein Meister der Tarnung, der sich im Zivilleben als freundlicher Schuhverkäufer betätigt, wenn er nicht gerade irgendwelche Zielpersonen um die Ecke bringt.
Pech hat Jack Collins (Jan-Michael Vincent), ein Nachbar des Safe Houses, in dem man DeSalvo untergebracht hat. Als die 9 am Ende seiner Hausnummer verrutscht und wie eine 6 aussieht, verwechselt Killer Chris die Häuser und entführt seinen Sohn, weil er diesen für den Nachwuchs von DeSalvo hält…
httpv://www.youtube.com/watch?v=AIBMFEDC9tk
Warum der sonst so gut vorbereitete Hitman keine Ahnung hat, wo genau sein Ziel liegt und ihm nicht auffällt, dass es auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Haus mit identischer Nummer gibt, das wissen wohl nur die Drehbuchautoren. Doch der Hausbesuch des Profimörders sorgt gleich für die heilige Dreifaltigkeit der Racheanlässe: Toter bester Kumpel, krankenhausreife Ehefrau (inklusive Tod ihres ungeborenen Babys), entführtes Kind. Gut, dass der Versicherungsmakler über entsprechende militärische Vorkenntnisse für den Privatkrieg hat, während das FBI natürlich die Hände in den Bürokratenschoß hat und sich sogar freut, dass ihr Schützling durch den – in Deutschland titelgebenden – mörderischen Irrtum aus der Schusslinie ist.
Auf Basis dieser recht klischeehaften Prämisse zäumt William Lustig aber einen erfreulich temporeichen Actionthriller auf, der mit einer Laufzeit von rund 80 Minuten ohne Abspann wenig Fett auf den Rippen hat. Mit wenigen Pinselstrichen, aber doch eingängig zeigt er den wachsenden Respekt, wenn der verzweifelte Familienvater Collins und der zur Läuterung bereite Gangster DeSalvo sich annähern, im Kampf gegen Caleek und die Mafia. Große Überraschungen hält das Ganze nicht parat, hat aber den einen oder interessanten Gedanken: Handelt es sich bei den Aktionen von Collins um die rechtschaffene Form von Vigilantentum, so demonstriert das Filmende einen Akt von verzweifelter Selbstjustiz, da dem Verbrechen anders nicht beizukommen. Nicht, dass „Hit List“ diesen Aspekt vertiefen oder ergründen würde, aber der Gedanke ist auf jeden Fall da.
Für Cinetel-Verhältnisse ist das Budget recht ordentlich, weshalb Collins und DeSalvo – wenn das Drehbuch ihnen schon nicht sonderlich viel raffinierte Ermittlungsarbeit überlässt – immerhin immer wieder mal hinlangen dürfen, während natürlich auch Caleeks Attentate Raum für Action geben. Mit gesundem Härtegrad können die Schlägereien, kurzen Shoot-Outs und Verfolgungsjagden aufwarten, gerade bei den blutigen Einschüssen und dem durchaus kreativen Finisher im Endkampf mit Hitman Chris. Für Stunt-Koordination und Second-Unit-Regie zeichnet der versierte Spiro Razatos verantwortlich und auch wenn das Geld für die ganz große Sause fehlt, so bereiten die kurzen, aber effektiven Actionszenen stets Freude. Henriksen wird bei den etwas aufwändigeren Martial-Arts-Einlagen zwar gedoubelt, aber zum Glück ist es nicht auf ganz peinliche Weise offensichtlich.
Lance Henriksen („Stung“) ist eh das darstellerische Highlight des Films: Ein eiskalter Profi, der blitzschnell zwischen harmloser Fassade und gnadenlosem Mord wechseln kann, dessen unscheinbare Fassade zu seinem Vorteil arbeitet. Jan-Michael Vincent („Deadly Heroes“) kämpfte zum Drehzeitpunkt mit Drogenproblemen, weshalb William Lustig seine Großaufnahmen zuerst abdrehte, aus Angst den Star irgendwann ersetzen zu müssen. Trotzdem gibt Vincent einen vielleicht nicht besonders ausdrucksstarken, aber brauchbaren Helden ab, während Lustig-Regular Leo Rossi („Street War – Straßen der Gewalt“) als großmäuliger Mafioso eine launige Performance aufs Parkett legt. Rip Torn („Ausgelöscht“) ist ein herrlich schmieriger Fieslingsboss, Charles Napier („Annapolis – Kampf um Anerkennung“) ein charismatischer Agent und auch Jere Burns („Burn Notice“) liefert Brauchbares als dessen Partner. In Nebenrollen sind weitere Lustig-Spezis wie Vic Manni („Domino“) und Lou Bonacki („Maniac Cop 2“) besetzt.
„Hit List“ mag sich auf Klischees verlassen, lebt diese dann aber auch lustvoll aus, ist nicht sonderlich einfallsreich geplottet, hat dafür ein erfreulich hohes Tempo. Ein kleiner, dreckiger Actionthriller im Gangstermilieu, versiert in Szene gesetzt und trotz des geringen Budgets mit ansehnlichen, erfreulich ruppigen Konfrontationen.
Die deutsche Videofassung von Warner ist ab 18 Jahren freigegeben und macht einen ungekürzten Eindruck. Offiziell ist der Film bisher noch nirgendwo auf DVD erschienen; in Holland gibt es wohl ein Bootleg mit einem VHS-Rip.
© Nils Bothmann (McClane)
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