Originaltitel: MR-9: Do or Die__Herstellungsland: USA, Bangladesch__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Asif Akbar__Darsteller: Frank Grillo, Michael Jai White, Kelly Greyson, Niko Foster, Matt Passmore, Tamas Nadas, Sakshi Pradhan, Michelle Wang, Omi Vaidya, Oleg Prudius, James Moses Black, JT Tomangi u.a. |
Qazi Anwar Hussains Kultfigur Masud Rana aka MR-9: Vom Romanhelden auf den Big-Screen
1966 erschuf der bangladeschische Autor Qazi Anwar Hussain die Figur des Geheimagenten Masud Rana – Codename MR-9. Dieser lehnte sich ganz offensiv an James Bond an. Allerdings erwies sich MR-9 als wesentlich abenteuerlustiger. Denn während Ian Fleming 14 Romane mit der Doppelnull auf den Weg brachte und andere Autoren die Zahl der Abenteuer auf 50 erhöhten, bringt es MR-9 auf 470 veröffentlichte Bücher – allerdings hatte Hussain hier Hilfe von zahlreichen Ghostwritern.
Dieser Erfolg weckte freilich auch weiterführende Begehrlichkeiten. Die Idee, Masud Rana auf die große Leinwand zu bringen, zeitigte bereits 1974 einen ersten Versuch. Fast 50 Jahre später wagte man einen neuerlichen Anlauf. Die jetzigen Macher sicherten sich die Rechte für den Roman „Dhongsho Pahar“. Es wurde sogar eine Reality Show namens „Who will be Masud Rana“ ins Leben gerufen, an deren Ende der Hauptdarsteller des Filmes gekürt werden sollte. Final hatte dann aber doch Hussain das Recht, festzulegen, wer seine ikonische Figur spielen sollte. Die Wahl fiel auf ABM Sumon.
Als Regisseur für die amerikanisch-bangladeschische Co-Produktion fungierte Asif Akbar, der auch am Drehbuch herumwerkelte. Mit Michael Jai White und Frank Grillo konnten zudem etwas bekanntere Gesichter für Nebenrollen gewonnen werden. Letzterer produzierte sogar mit und verschaffte so seinem Sohnemann Remy eine Nebenrolle. 2023 war der Film nach diversen Irrungen und Wirrungen (unter anderem COVID) fertig und konnte der Öffentlichkeit präsentiert werden. Ob ein der Figur angemessenes Filmerlebnis dabei herauskam? Nun, schon der Name des Regisseurs musste da Zweifel aufkommen lassen. Der hat bislang nämlich kaum Brauchbares auf den Weg gebracht.
Ein Agent aus Bangladesch rettet die Welt
Masud Rana dringt in Südafrika in eine gewaltige Villa ein. Er will einem Entführungsopfer das Leben retten. Die Hintermänner entkommen zwar und am Ende sind irgendwie alle tot, trotzdem war die Ein-Mann-Razzia ein Erfolg. Denn im Keller der final explodierten Villa finden sich Spuren von Sprengstoff, Waffensystemen und unbekannten chemischen Stoffen. Schnell können die Behörden die Gebrüder Roman und Ricci Ross als Besitzer der Villa ausmachen.
Geheimen Informationen zufolge haben die Brüder, die nach außen ein glamouröses Tech-Milliardär-Leben führen, noch weitere derartige Kellerlager und planen einen verheerenden Anschlag. Was ihnen noch fehlt, sind spezielle Zünder. Natürlich zieht das CIA nun Masud Rana heran, der sich mithilfe der undurchsichtigen Devi Zugang zu den finsteren Plänen der Ross-Brüder verschaffen soll.
Michael Jai White und Frank Grillo machen Agentenaction in „MR-9: Secret Agent“
Tja, wo fange ich hier an. Vielleicht bei einer kleinen Verfolgungsjagd, die mitten im Film gezündet wird. Zwei egale Figuren hetzen hintereinander her. Dabei springen sie über Hindernisse, als wüssten sie, was Parkour ist. Sie wissen es aber nicht und sie können es auch nicht. Sichtlich. Die Folge sind Szenen, in denen sich die beiden mehrfach beinahe hinpacken. Zudem stehen die „den Weg versperrenden Hindernisse“ durchgehend so im Raum, dass man mittels Drumherumlaufens tausendprozentig schneller daran vorbei wäre als die Darsteller mit ihren „Parkour-Einlagen“.
Und genau das gilt für den ganzen Film. Der meint ganz oft, zu wissen, wie ein cooler Agentenfilm funktioniert, findet aber keine Mittel und Wege, das auch nur ansatzweise gelungen umzusetzen. Bereits die erbärmliche Präsentation der witzlosen Gadgets für MR-9 setzt da spektakulär die Pace. Und es wird leider nie besser als das.
Das beginnt schon bei der Geschichte. Die kommt irgendwie nie ins Rollen. Was etwa das ganze Gewese um MR-9, eine Type namens Subir Shen und Devi soll, man rafft es nicht. Warum das CIA die Hilfe aus Bangladesch braucht, wird zwar erklärt, ist aber null relevant. Zumal das CIA bei allen wichtigen Szenen in Form von Michael Jai White immer irgendwie im Hintergrund herumlungert. Was die fiesen Ross-Brüder planen, erfährt man irgendwann in einem Nebensatz. Der „Masterplan“ provoziert kaum mehr als ein Schulterzucken. Zumal man die Motive der beiden auch nicht nachgereicht bekommt. Geschweige denn, dass man erfährt, was eigentlich der Zweck ihres fiesen Tuns ist.
Allgemein sind die beiden Fieswichte eine der größten Schwächen des Filmes. Ricci Ross, gespielt von einem gelangweilten Matt Passmore („Army of One“), verschwindet immer wieder für Ewigkeiten aus dem Film. Roman Ross, gespielt von einem immerhin halbwegs engagierten Frank Grillo („Boss Level“), ist mehr am Labern als am Tun. Warum die beiden Brüder als Tech-Superhelden eingeführt werden und dann nichts aus diesem Ansatz gemacht wird (besondere Waffen, gepimpte Körper der Henchmen, nichts dergleichen gibt es zu bestaunen), bleibt ebenfalls ein gewaltiges Rätsel. Und sie entwickeln nie irgendeine Art von Gefährlichkeit. Auch bekommt es „MR-9: Secret Agent“ nie hin, richtigen Zwist zwischen den Ross-Brüdern und MR-9 zu installieren.
Apropos MR-9: Der funktioniert ebenfalls null. Hauptgrund ist definitiv sein unfassbar blass bleibender Darsteller. ABM Sumon vermag es nicht ansatzweise, seine Figur des weltgewandten Agenten mit Charme, Charisma oder Coolness aufzuladen. Der Film-MR-9 ist infolgedessen eine traurige Luftpumpe und eine mehr als langweilige Kopie eines James Bonds. Ebenfalls Langeweile pur: Das von Sakshi Pradhan gespielte MR-9-Girl Devi. Eingeführt wird sie als gefährlich und wunderschön, nichts davon spiegelt sich irgendwie auf dem Screen.
Fremdscham pur sind die Rückblicke in MR-9s traurige Vergangenheit. Diese sind so schmierig und vor allem schlecht gespielt, dass man trotz dramatischer Entwicklungen nur darüber lachen kann. Irgendwie rumpelt sich der Agentenfilm so in Richtung Showdown und lanciert danach noch ganz viel Epilog, bei dem die Türen für weitere filmische Abenteuer weit aufgestoßen werden. Es fällt schwer, sich darauf zu freuen.
Denn nicht einmal die Action von „MR-9: Secret Agent“ kann etwas. Wenn unser Held direkt zu Beginn mit einem seltsam deplatzierten Halstuch in den Kampf startet, schwant einem bereits Übles. Und tatsächlich: Sobald es spektakulärer wird, zieht MR-9 das Tuch übers Gesicht und legt los. Ein untrügliches Zeichen dafür, das ABM Sumon kein Martial-Artist ist und hier gedoubelt wurde. Auch die Kamera, die unseren Helden im Kampf immer nur von hinten filmt, ist in diesen Momenten arg verräterisch. Dazu gesellen sich zig Anschlussfehler, denn von Szene zu Szene bedeckt das Halstuch nun mal die Nase, mal klemmt es darunter, mal verdeckt es gar nichts, mal erlaubt es nur Blicke auf die Augen.
Und während man darüber einfach nur entgeistert den Kopf schüttelt, schwebt das extrem künstlich aussehende Digitalblut gefühlt auf irgendeiner Filmebene, aber nicht auf der, wo es sein soll. Dazu CGI-Mündungsfeuer, CGI-Treffereffekte in der Umgebung und CGI-Blutflecken an den Wänden. Die wohl hässlichste einkopierte Filmexplosion ever rundet das Elend dann trefflich ab. Und lasst euch gesagt sein, es wird actiontechnisch leider nicht besser.
Zwar steigen immer mal wieder Action-Momente, doch keiner weiß zu überzeugen. „MR-9: Secret Agent“ hat kein Gespür für Dynamik, für Tempo, für gute Choreografien und für spektakuläre Momente. Die Action wirkt bräsig, lustlos, hilflos und nicht gekonnt. Die miesen CGI-Effekte drängen immer wieder dominant in den Vordergrund. Ganz übel gerät eine Autoverfolgungsjagd, bei der man nie weiß, was hier nun aus dem Rechner kommt. Die Autos? Die Umgebung? Alles? Das Endergebnis ist an Hässlichkeit kaum zu überbieten.
Und vor allem so scheißegal für den Film, dass man diesen Kniefall vor jedweder Qualität auch einfach hätte rausschneiden können. Ein echter Offenbarungseid jedoch ist der kopflos dahingeschluderte Showdown, der keine Linie hat, gar nicht daran denkt, für einen spektakulären Ausklang zu sorgen und sowohl den Oberfieswicht als auch den Helden richtig richtig richtig schlecht aussehen lässt. Ein im Verlauf des total verbockten „Endfights“ erfolgender Kill sorgt zudem für zahlreiche Fragezeichen über dem Kopf des Zuschauers.
Echte Highlights in der Action vermag eigentlich nur Michael Jai White („As Good As Dead“) zu setzen. Vor allem im Fight gegen einen Riesen haut der Martial-Artist ein paar saugeile Kicks raus. Es ist schade, dass die Produktion allgemein nicht versuchte, vom Wissen und den Qualitäten ihrer Mitwirkenden zu profitieren. So wird im Abspann angedeutet, dass auch Art Camacho für eine Nebenrolle am Set war. Von dem Star-Action-Choreographen hätte man sich in jedem Fall mal ein paar Tipps holen sollen.
Zumindest versucht Regisseur Asif Akbar („The Commando“) seinem Film einen wertigen, sonnendurchfluteten Look zu verpassen. Das klappt in zahlreichen Einstellungen rund um Nobelkarossen und edle Villen super. Allgemein wurde bei den Settings ein Augenmerk auf Vielfalt und Vorzeigbarkeit gelegt. Letztlich taugen nur die Sets eines Nachtclubs und eines Staudammes nichts, der Rest funktioniert klasse. Insgesamt wäre ein dynamischerer Schritt angesagt gewesen. Viele Einstellungen wirken zu lang und allgemein hätten dem Film Straffungen gut getan. Was in Erinnerung bleibt, ist die dominante, sehr gegenwärtige Filmmusik, die teils actionreicher daherkommt, als der Film selbst.
„MR-9: Secret Agent“ ist ein denkbar schlechter Start für ein Franchise
Es fällt wirklich schwer, zu glauben, dass der 2022 verstorbene Hussain die filmische Umsetzung seiner ikonischen Romanfigur gut gefunden hätte. Die Agenten-Schnurre sieht fraglos gut aus, aber abgesehen davon geht hier nicht viel zusammen. Die Story packt nicht, die Figuren (auch und vor allem MR-9) bleiben rundweg blass und egal, es kommt nie Spannung auf, das Tempo lahmt, viele Dialoge bringen den Film nicht voran, in den Nebenrollen wird teils brutal overacted und die Action leidet an derart vielen Problemherden, dass nie eine Art von Genuss aufkommt.
Das Ergebnis ist ein 0815-Actionfilmversuch, der sich in den viel zu großen Fußstapfen seines Vorbildes James Bond zigmal verläuft. Mit „MR-9: Sky Dancer“ wurde bereits eine Fortsetzung angekündigt. Da hinter dieser aktuell aber noch das gleiche „Kreativ-Team“ wie hinter „MR-9: Secret Agent“ rund um Asif Akbar steht, befürchte ich kaum positive Entwicklungen.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 1. August 2024 von Tiberius Film / Sunfilm und ist mit einer Freigabe ab 16 ungeschnitten. Ihr könnt den Film auch streamen. Die Synchronisation ist in den Hauptrollen gelungen, in den Nebenrollen sieht es teils mau aus. Manches wirkt zudem falsch übersetzt.
In diesem Sinne:
freeman
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