Originaltitel: Karmouz War__Herstellungsland: Ägypten__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Peter Mimi__Darsteller: Ghada Abdulraziq, Ahmed el-Sakka, Scott Adkins, Rogina, Bayyumi Fuad, Mostafa Khater, Eman El-Assy, Abed Fahd, Mahmoud El-Bezzawy, Fathi Abdulwahhab u.a. |
Die Tür eines Gefangenentransporters wird geöffnet. Die Kamera filmt von der Ladefläche nach draußen. Wir sehen Chaos. Menschen, die übereinander herfallen. Plötzlich fallen schwere Ketten vor die Kameralinse. Eine Person schreitet über die Kamera hinweg. Springt ins Freie. Schraubt sich durch die Luft. Kickt heranstürmende Gestalten um. Selbst ein Kerl, der auf einem Pferd auf den soeben von der Kette gelassenen Mann zureitet, wird von selbigen aus dem Sattel getreten.
Als der Mann eine automatische Waffe am Boden liegen sieht, benutzt er sie. Richtet noch mehr Chaos an. Immer mehr Menschen sterben. Als alle blauen Bohnen verteilt sind, findet der Mann Messer. Diese rammt er fortan in seine Gegner. Als er eine Polizeistation erreicht hat, tritt er hinein und ballert mit einem Colt diverse Polizisten nieder. Dann steht er dem Held der bis dahin verstrichenen 100 Minuten „No Surrender“ gegenüber. Ein Kampf entbrennt. Der Held ist ein Brawler, der den irren Aktionen seines Gegners ebenso wenig entgegenzusetzen hat wie die diversen Toten zuvor.
Diese Szene ist eine der coolsten Einlagen innerhalb des groß und breit ausgespielten Showdowns. Der Star der Szene wird im Abspann als Scott „Boyka“ Adkins geführt. Der hat nur circa zehn Minuten Screentime im Film. Aber er macht definitiv das Beste daraus. Und er wird vom Macher des Filmes, Peter Mimi, genial zelebriert. Der bis dahin eh schon im Pathos ertrinkende Score darf hier richtig abgehen. Choräle werden von Breaks zerhackt, was die Actionszene noch dynamischer macht. Und die Kamera fängt das gebotene Fratzengeballer von Adkins perfekt ein. Was zu der Szene hinführte?
“Das Ende” im Ägypten der 40er
Alles dreht sich um Youssef EL Masry, Chef einer Polizeiwache im ägyptischen Alexandria der 1940er Jahre. Dem wird eine Frau präsentiert, die ihm eine üble Geschichte erzählt. Englische Soldaten hätten sie vergewaltigt. Als drei aufrechte Bürger zu Hilfe eilten, eskalierte die Lage vollends. Auf beiden Seiten sei jeweils ein Mann gestorben. Youssef zieht sofort los, um die Aussage zu verifizieren. Schnell stolpert er über Retter und Täter. Beide führt er in seiner Polizeistation zusammen. Das Blöde: Einer der festgesetzten Täter ist der Neffe des britischen Militärgouverneurs, der Alexandria kontrolliert.
Der will seinen Neffe sofort ausgehändigt wissen. Doch der aufrechte und unbestechliche Polizist Youssef macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Vergewaltiger und Mörder werde einer Verhandlung zugeführt. Notfalls gar über Youssefs eigene Leiche. Diese Aussage nimmt der Militärgouverneur wörtlich. Er lässt das Polizeirevier von seinen Truppen umstellen und belagern.
Schaut in den historischen Actioner hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=ANJZenoFxhA
„No Surrender“ erinnert von Beginn an frappierend an jene Hongkong-Filme, in denen beispielsweise Nationalheld Wong Fei Hung zum Ende des 19 Jahrhunderts gegen die britischen Besatzer aufbegehrte. Hier wie dort werden die Engländer als die letzten Lumpen gezeichnet. Die von Vergewaltigung über Mord bis hin zu Korruption wirklich alles auf dem Kasten haben. Gleichzeitig wird der Nationalstolz der Unterdrückten gefeiert und gibt es ganz viele patriotische Schlenker. Dazu ultrapathetische Musik und ein immer etwas zu künstlich wirkender Straßenzug, in dem alles passiert. Genauso schaut „No Surrender“ aus und genauso fühlt „No Surrender“ sich an.
Das ist frei von überraschenden Entwicklungen und zielt vornehmlich auf den Bauch ab, funktioniert aber nicht ganz so gut, wie bei den Vorbildern aus Hongkong. Dazu ist „No Surrender“ ein wenig zu behäbig erzählt. Hält sich in Sachen Action viel zu lange zurück und macht auch viel zu wenig aus der „Assault on Precinct 13“-Grundsituation, in der Carpenters Klassiker häufiger zitiert wird. Ohne jemals dessen beklemmende Atmosphäre oder Spannung reproduzieren zu können. Stattdessen wird in „No Surrender“ viel zu viel gelabert. Und Gott gehuldigt. Letzteres mit überzogen wirkender Penetranz.
Wo man sich definitiv nicht beschweren kann, sind Ausstattung und technische Umsetzung. Erstere wirkt durchweg glaubwürdig, aufwändig und detailverliebt. Letztere punktet mit immer ins Sepiafarbene tendierenden, breiten Bildern, hübschen Drohnenaufnahmen und edlen Kamerafahrten. Unter den sauberen, weitgehend komplett CGI-frei wirkenden Bildern tobt ein wirklich beeindruckender Score.
Overacting hat Hochkunjunktur in “No Surrender”
Darstellerisch tendieren viele Schauspieler in Richtung Overacting. Vor allem die Briten wirken durchwegs wie Karikaturen, was freilich auf die derbe Schwarzweiß-Zeichnung des Filmes zurückgeht. Doch auch so manche Nebenfigur in der belagerten Polizeistation ist permanent drüber. Highlight ist ganz klar die britische Hure mit Herz. Die haut sich sowohl aus Wut als auch aus Trauer und aus Angst permanent selbst ins Gesicht. Auch der leicht dropsig wirkende Parkourist unter den Helden ist mindestens einen Lacher wert. Allerdings ist es auch nicht so, dass die Figuren durchs Drehbuch irgendwie unterstützt werden würden. Tiefergehende Motive hat „No Surrender“ für keine Figur zu bieten. Scott Adkins („Triple Threat“) beispielsweise heißt im Film einfach immer nur „The Crazy One“. Das MUSS für seine Figur reichen. Zumindest Amir Karara lehnt sich als durchaus charismatischer Youssef immer mal wieder gegen das dünne Drehbuch auf.
In Sachen Action ist lange Zeit leider gar nichts los. Zwar mündet die anfängliche Keilerei zwischen Vergewaltigern und Rettern in eine durchaus hübsche Sequenz, danach ist aber erst einmal echt Ebbe mit dynamischen Szenen. Es folgt eine Parkour-Szene und etwas Belagerungsgeballer, wirklich aufdrehen kann „No Surrender“ aber erst im Showdown. Da aber richtig. Hier werden in ausladender Länge Häuser gesprengt, überschlagen sich Militärlaster der Länge nach und wird geballert, gestochen und verreckt. Und mittendrin eben Scott Adkins, der den Showdown schon brutal an sich reißt.
Scott Adkins rockt – “No Surrender” eher weniger
„No Surrender“ hat neben den gezeichneten Problemen auch einige Defizite in Sachen grundlegender Tonalität. Manchmal wirkt der Film wie ein Geschichtscomic mit übergroßen Helden und verzerrten Bösewichtern. Dann scheint er durchaus auch ernstere Töne anschlagen zu wollen, wenn er beispielsweise die Situation der Ägypter unter britischer Herrschaft anschneidet. Ein Fokus darauf hätte „No Surrender“ vermutlich gar nicht schlecht gestanden.
Der richtet sein Hauptaugenmerk aber schnell in Richtung Unterhaltung und säuft dabei flott in einem Meer aus Klischees, unfreiwilligem Humor, unpassenden Glaubensbekundungen und dramaturgischem Unvermögen ab. Es fehlt an Tempo, Spannung, nachvollziehbaren Figuren und auch die Action gibt zu lange den Leisetreter. Rollt dann der fette Showdown, macht „No Surrender“ Spaß. Scott Adkins verpasst der Szene obendrein seinen ganz eigenen Stempel und liefert quasi SEINEN Showdown im Showdown ab. Auch die Produktionswerte überraschen. Der Film sieht teils richtig fett aus. Auch der Statistenauftrieb ist enorm. So bleibt am Ende die Gewissheit, dass hier schlicht und ergreifend viel mehr drin war.
Über eine deutsche DVD / Blu-ray ist mir – Stand Juli 2019 – nichts bekannt. In den USA erschien der Film, eher schwach englisch synchronisiert, von dem Label itn distribution. Hier hat er die Freigabe „not rated“.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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