Originaltitel: Incheonsangryukjakjeon__Herstellungsland: Südkorea__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: John H. Lee__Darsteller: Lee Jung-jae, Lee Beom-soo, Liam Neeson, Jin Se-yeon, Jeong Joon-ho, Park Chul-min, Kim Byeong-ok, Jon Gries, Matthew Darcy u.a. |
Amerika mag Nordkorea (filmisch) erst in den letzten Jahren als Schurkenstaat entdeckt haben, im südkoreanischen Kino ist die andere Hälfte des geteilten Landes schon immer ein beliebter Antagonist gewesen, weshalb man den Bruderzwist der beiden Koreas auch kommerziell erfolgreich ausschlachten kann, etwa mit dem 2016er Kinohit “Operation Chromite”.
Die titelgebende Operation fand im Jahr 1950 statt, als alliierte Truppen unter der Führung von General Douglas MacArthur (Liam Neeson) das von Nordkorea besetzte Incheon angriffen, um den Vormarsch des kommunistischen Nordens zu stoppen und zurückzudrängen. Mit einem zugkräftigen westlichen Star zwecks internationaler Vermarktbarkeit in der MacArthur-Rolle geht es Regisseur John H. Lee alias Lee Jae-han („71 – Into the Fire“) allerdings weniger um die eigentliche Schlacht, sondern um die Geheimoperation Trudy Jackson, bei der eine US-koreanische Guerrillatruppe Incheon auskundschaftete und die Landung vorbereitete. Diesen Männern soll hier ein Denkmal gesetzt werden, wie vor allem der Abspann später noch einmal ganz pathetisch betont.
Mit der Historie nimmt man es allerdings nicht ganz genau. Denn während die realen Guerillas zwar verdeckt ermittelten, aber vor allem Wasserstände und ähnliche Infos durchgaben, da begeben sich Filmheld Jang Hak-soo (Lee Jung-jae) und seine Kameraden direkt in die Höhle des Löwen, indem sie einen Inspektor des koreanischen Oberkommandos samt Gefolge abmurksen und nun an deren Stelle als vermeintliche Kontrollettis nach Incheon reisen, als Spione in Feindesuniform, unter Dauerbeobachtung und in Dauergefahr. So bleibt die Historie, trotz gelegentlicher Datumsangaben und sehr grobem Nachspielen der realen Ereignisse, dann doch nur der Rahmen für einen mehr oder minder fiktionalen Men-on-Mission-Film auf den Spuren von großen Vorbildern wie „Die Kanonen von Navarone“, „Das dreckige Dutzend“ und „Agenten sterben einsam“, an die „Operation Chromite“ nicht ganz heranreicht.
Wichtigstes Ziel der Operation ist es Kenntnis zu erlangen wo die Seeminen liegen, welche die Bucht von Incheon gegen eine mögliche Invasion von der Seeseite schützen sollen. Dummerweise hütet der nordkoreanische Befehlshaber vor Ort, Colonel Rim Gye-jin (Lee Beom-soo), eine entsprechende Karte wie einen Augapfel, will sie den Kontrolleuren nicht zeigen und nur persönlich ans Oberkommando weitergeben…
httpv://www.youtube.com/watch?v=SvFw8rtB37Q
Was dann folgt, entstammt dem Einmaleins des Men-on-a-Mission-Films: Da müssen Pläne geschmiedet werden, während die Tarnung immer schwerer aufrechtzuerhalten ist, dann kommt der Zugriff mit entsprechenden Komplikationen, woraufhin es weitere Missionen und natürlich einiges an Action gibt, ehe dann die historisch belegte Invasion der Alliierten stattfinden kann. John H. Lees Film beginnt etwas verhalten, legt mit einem weiteren Fortschreiten aber ein immer höheres Tempo vor, das “Operation Chromite” sichtlich gut tut. Denn die meisten Figuren sind Pappkameraden, von denen man gar nichts oder nur einige Eckdaten erfährt, was vor allem bei den Leuten aus Jangs Kommando etwas hinderlich ist, denn so wird es schwer um die Figuren zu zittern, die hier in Gefahr geraten und zu nicht unerheblichem Anteil auch den Löffel abgeben. Subplots wie etwa jener um die nordkoreahörige Nichte eines Spions, die ihre Haltung irgendwann überdenkt, werden in rasender Schnelle abgehandelt und versanden dementsprechend etwas ziellos, sodass “Operation Chromite” dann mehr mit seinen Spannungs- und Actionszenen, weniger aber mit seinen Charakteren punkten kann.
So ist der Film auch auf wenige Personen fokussiert, die als pars pro toto ganze Bevölkerungsgruppen vertreten müssen. Für die Südkoreaner ist das Mission-Leader Lee Jung-jae („New World – Zwischen den Fronten“), der als tougher Hund mit schwerer Vergangenheit einen überzeugenden Kriegsactionhelden gibt, der schauspielerisch nur begrenzt gefordert ist, aber den Film tragen kann. Lee Beom-soo („IRIS – Der Spion aus der Kälte“) muss die Nordkoreaner als fieser Schweinehund repräsentieren, verfällt dabei gelegentlich ins Overacting, ist aber so hübsch hassenswert, dass seine eindimensionale Schurkenperformance ihren Zweck erfüllt. Liam Neeson („The Commuter“), das Zugpferd für den westlichen Markt, gibt dann mit den charakteristischen Insignen Mütze, Brille und Pfeife einen MacArthur, der leicht pathetische Monologe über das Wesen des Krieges absondert und am Rande als Präsidentschaftskandidat charakterisiert wird, der den militärischen Erfolg auch für die eigene Karriere will. Es ist bei weitem nicht Neesons beste Leistung, aber ein Darsteller von seinem Format wertet den Part erheblich auf. Als einer der wenigen westlichen Darsteller wurde übrigens Jon Gries verpflichtet, der bereits in den „Taken“-Filmen Neesons Buddy gab.
Die Westschauspieler müssen öfter mal vor Greenscreen spielen, wenn im Hintergrund die CGI-Flotte und einige ähnliche Tricks zu sehen sind, denen man ansehen kann, dass hier nicht die Knete eines Riesenblockbusters am Start war. Meist auf dem Niveau einer Hollywood-Mid-Budget-Produktion, in einigen unschönen Momenten auf dem Niveau einer B-Klitsche kommen die CGI-Tricks daher, weshalb es gut ist, dass “Operation Chromite” den Fokus weniger auf die große Militärinvasion und mehr auf das Kommandounternehmen legt. Das hält sich im Stile klassische Men-on-a-Mission-Filme auch nicht groß mit ideologischen Nuancen auf: Der Südkoreaner ist ein bis zur Selbstaufgabe kämpfender Patriot, der kleine Kinder aus der Schusslinie schickt, der Nordkoreaner, vor allem Colonel Rim, ist ein opportunistischer Schurke, der Frauen als Schutzschild im Kugelhagel nimmt und den eigenen Leuten in den Kopf schießt, wenn ihm gerade danach ist. Zum Glück verzichtet John H. Lee in dieser grobschlächtigen Figurenzeichnung immerhin auf ein Zuviel an Pathos, sieht man seifigen Schlussakkord ab, der den Abspann einleitet.
Dazwischen bedient “Operation Chromite” sein Genre mehr als ordentlich, wenn sich die Commandos auf waghalsige Unternehmungen einlassen. Wenn man weiß, dass Rim die feindlichen Agenten längst durchschaut hat, wird ein gemeinsames Essen zur sehenswerten Spannungsszene, außerdem sprechen mehrfach die Wachen in derben Shoot-Outs, bei denen manchmal sogar Panzerwagen, Granaten und Raketenwerfer zum Einsatz kommen. Das könnte gelegentlich etwas übersichtlicher montiert sein, liefert aber durchweg gelungene Action, zu der auch eine Verfolgungsjagd durch Incheon gehört, bei der man sich ebenfalls bleihaltig beharkt. Dabei befolgen die Set-Pieces die goldenen Actionkinoregeln von Variation und Abwechslung, sodass von einer Undercovermission im Krankenhaus mit anschließender, bereits erwähnter Vehikeljagd bis zum explosiven Finale am Strand von Incheon so einiges geboten bekommt.
Dementsprechend sollte man von “Operation Chromite” keinen nuancierten oder realistischen Kriegsfilm über die Incheon-Invasion erwarten, sondern klassisches Men-on-Mission-Kino mit schicken Schauwerten und spannenden Spionageszenen. Die Handlung ist vor allem in der zweiten Hälfte temporeich erzählt, so dass man auch darüber hinwegsieht, dass hier ideologische Schwarz-Weiß-Malerei herrscht, die Figuren oberflächlich bleiben und die CGI-Tricks nicht zur Krone der Schöpfung gehören.
Knappe:
“Operation Chromite” wurde hierzulande ungekürzt ab 16 Jahren von Splendid auf Blu-Ray und DVD veröffentlicht. Außerdem Trailer umfasst das Bonusmaterial nur ein kurzes Making Of, das allerdings vor allem aus Werbe-Blabla besteht, etwa wenn Liam Neeson erzählt wie sehr in doch angeblich die MacArthur-Rolle interessiert und gepackt habe.
© Nils Bothmann (McClane)
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