Originaltitel: Saat Po Long: Taam Long__Herstellungsland: Hongkong__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Wilson Yip__Darsteller: Louis Koo, Wu Yue, Tony Jaa, Chris Collins, Gordon Lam Ka-Tung, Ken Lo, Jacky Cai, Stephy Tang, Vithaya Pansringarm u.a. |
„Sha Po Lang“, der in unseren Breiten als „Kill Zone“ vermarktet wurde, war nicht mehr und nicht weniger als ein wuchtiges Meisterwerk chinesischer Actionthriller-Kunst. Erst zehn Jahre später ließ man mit „Sha Po Lang 2“ (bei uns „Lethal Warrior“) eine Fortsetzung folgen. Die hatte handlungstechnisch mit dem Vorgänger nichts gemein und gerierte sich stattdessen als Stylebombe sondergleichen – mit fantastischem Finale.
Nach diesem Film ließ man sich nur zwei Jahre Zeit und legte 2017 mit „Sha Po Lang 3“ nach. International wird dieser als „Paradox“ vermarktet und gleicht den Vorgängern erneut nur im grundlegenden Flair und der melancholischen Stimmung.
Und obschon mit Tony Jaa, Louis Koo und Ken Lo auch Namen aus der Besetzung des Vorgängers auftauchen, verkörpern sie in „Paradox“ vollkommen neue Figuren. Die Rückkehr des Regisseurs des Erstlings, Wilson Yip („Ip Man“), bekommt man dafür von Minute eins an zu spüren. Wieder dominieren eher kühle Bilder unter denen ein grandioser Score aufwühlt. Dazu ein Vorspann, der ein auf den Kopf gestelltes Stadtpanorama präsentiert, aus dem beständig Blut tropft. Die Neugier ist geweckt…
Schaut in “Paradox” mit Tony Jaa hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=S9JvwoiFO-0
Lee Chung arbeitet als Polizist in Hongkong und ist stolzer alleinerziehender Vater einer bezaubernden Tochter. Die ihm mit fortschreitendem Alter immer mehr entgleitet. Als Chi ihrem Vater zu einem ihrer Geburtstage offeriert, schwanger zu sein und ihren Freund heiraten zu wollen, bricht für den Cop eine Welt zusammen. In einer Folge schwerwiegender Entscheidungen entfremdet er sich mehr und mehr von seiner Tochter, die vor ihm gen Thailand flieht.
Hier wird sie am hellichten Tage entführt. Lee Chung reist sofort gen Thailand und nimmt gemeinsam mit den erstaunlich kooperativen thailändischen Kollegen die Ermittlungen auf. Dabei stößt man in ein weitreichendes Wespennest aus Korruption…
Mehr sei an dieser Stelle nicht über die Handlung von „Paradox“ verraten, weil die sehr involvierenden Storys eine echte Stärke der Reihe sind. So auch beim neuesten Vertreter. Zwar ist die Geschichte von „Paradox“ so ziemlich die geradlinigste der bisherigen „Sha Po Lang“-Streifen, hält aber dennoch ein paar nette Entwicklungen bereit. Die werden zwar ein wenig zu lapidar gereicht und bleiben häufig recht folgenlos, dennoch zieht auch das Drehbuch von „Paradox“ ordentlich in seine Parallelwelt aus Verbrechen und Korruption hinein, in der es kein simples Schwarz/Weiß-Schema zu geben scheint.
Am offensichtlichsten wird dies bei der Figur des von Louis Koo („The White Storm“) gespielten Lee Chung. Obschon ich vermutlich nie Fan von Koo werden werde, spielt der die enorm dankbare Rolle bewundernswert stark! Dank seines glaubwürdigen Spiels funktioniert die anfängliche Darreichung Lee Chungs als Identifikationsfigur prächtig. Man ist infolgedessen sofort auf Lee Chungs Seite, wenn er aufbricht, um seine Tochter zu finden.
Doch dann lässt das Drehbuch allmählich tiefer blicken. Und präsentiert einen Menschen, der ganz oft meint, das Richtige zu tun, dabei aber ganz oft komplett danebengreift. Mehr und mehr verliert man die Bindung zu Lee Chung, der dem Zuschauer irgendwann gar richtig unsympathisch wird. Allerspätestens dann, wenn er scheinbar ohne jede Impulskontrolle mit beinahe jedem anderen Film-Charakter aneinanderkracht, ohne damit irgendetwas Sinnvolles zu erreichen.
Auf der anderen Seite des Gesetzes steht ein Mann im Zentrum, der vom Zuschauer zwar als Bösewicht begriffen wird, der aber immer den Eindruck macht, als sei er nur einmal in seinem Leben falsch abgebogen und als käme er nun nicht mehr so recht aus diesem Fahrwasser heraus. Ohne dass er sich wirklich etwas zuschulden kommen lassen würde. Ohne dass er wütend mit den Augen rollt oder Freund und Feind umnietet. Auch werden seine Motive nie so wirklich klar.
Die Begrifflichkeiten von Gut und Böse könnten kaum weniger fassbar sein. Natürlich lanciert „Paradox“ rund um diese Figuren eindeutiger gesinnte Personen, so dass vor allem die Helden auch diversen Lumpen den Scheitel ziehen dürfen. Das geschieht ähnlich eruptiv wie in den Vorgängern, ist aber leider nicht mehr ganz so wuchtig. Action-Regisseur Sammo Hung („God of War“) darf insgesamt drei Mal ran. Bei einer nett inszenierten Verfolgungsjagd zu Fuß, einer Keilerei auf der Mitte des Filmes und beim Schmuckstück des Filmes: Dem Showdown in einem Schlachthaus.
Die Keilerei zur Mitte des Filmes ist vor allem deshalb interessant, weil hier Tony Jaa („Return of the Warrior“) um sich treten und schlagen darf. Leider hängt Hung ausgerechnet Jaa immer mal wieder ins Wirework-Geschirr, was ein paar Szenen zur Folge hat, die nicht auf den geerdeten Ansatz des Filmes passen. Dennoch sieht man hier auch ein paar schöne Signature Moves vom Thai-Wirbelwind, der von „Paradox“ darstellerisch bedeutend weniger gefordert wird als vom Vorgänger und der mit einer nicht ausformulierten „seherischen Gabe“ gesegnet ist, die ebenfalls nicht zu „Paradox“ passen will.
Der Showdown hingegen ist frei von derartigen Störfeuern. Wenn hier jemand im Wirework hängt, dann nur, um ihn nach Einschlägen besonders druckvoll durch die Gegend krachen zu lassen. Ansonsten gehört die erste Hälfte des Showdowns Louis Koo, der per se kampfsporttechnisch nichts auf dem Kasten hat, den Sammo Hung als derben Knochenbrecher aber richtig gut aussehen lässt – auch indem er ihn in manchen Szenen doubeln lässt.
Stößt dann Yue Wu („Little Big Soldier“) als Thai-Kollege von Lee Chung zum Showdown dazu, wird mit Messern und Hackebeilen um sich geschlagen und geschlitzt, wodurch der ohnehin deftige Showdown noch ein paar Gewaltspitzen mehr bekommt. Einzig, die harte Action reißt nicht mit, wie sie es in den Vorgängern tat. Auch weil der Oberlump beim Showdown nicht am Ort des Geschehens ist. Was die emotionale Note, die einem Showdown ja sonst innewohnt, ein wenig verpuffen lässt. Zwar gelingen trotzdem starke Szenen, etwa wenn Lee Chung erfährt, was seiner Tochter zugestoßen ist, ein mitreißendes Actioninferno sieht aber dennoch anders aus.
Zumindest in technischer Hinsicht gibt es sowohl in der Action als auch in den Handlungsszenen keinerlei Grund zur Beschwerde. Die anfänglich kalten Bilder und der tolle Score nehmen sofort gefangen. In Thailand herrschen minimal kräftigere Farben vor, doch auch hier entzieht Regisseur Yip den Bildern immer wieder die volle Strahlkraft. In der Action ist die Kamera extrem agil. Steht immer richtig und lässt Hungs Choreografien atmen. Auf dämliche CGI-Mätzchen wie in „Lethal Warrior“ (ich sage nur Wolf) wurde dankenswerterweise trotz warnendem Cover-Artworks verzichtet. Schade ist, dass der tolle Score im Vergleich zu den Vorgängerfilmen im Verlauf des Filmes relativ deutlich hinter die Bilder zurücktritt.
In “Paradox” war paradoxerweise mehr drin
Was am Ende bleibt, ist ein Film, den man einfach genial finden will! Die Darsteller spielen durch die Bank stark, die technische Umsetzung ist vom Feinsten und die Action ist zwar rar gesät, aber hochwertig. Und immer wieder gelingen „Paradox“ großartige Einzelszenen, wie jene, wenn Jäger und Gejagter auf einer Straße unwissentlich ineinanderrasen. Beide wohlwissend, dass sie in ihrem jeweiligen Auto Geheimnisse herumkutschieren, die nicht jeder „erfahren“ darf. Wie gelähmt sitzen sie in ihren Vehikeln und wissen nicht, was sie tun sollen. Als die Cops anrollen, ist es ausgerechnet der Held, der die Nerven verliert. Dabei hätte er nur abwarten müssen und alles hätte ein gutes Ende gefunden. Suspense pur.
Und trotzdem nimmt der Film nicht derart mit, wie es „Lethal Warrior“ und erst recht „Kill Zone“ vermochten. Der emotionale Kern von „Paradox“ verfängt nicht stark genug. Und so hat man trotz der offensichtlichen Qualitäten von „Paradox“ das Gefühl, dass hier einfach viel mehr drin war – oder dass man inzwischen mit zu krassen Erwartungen an die „Sha Po Lang“-Filme herangeht.
Das Review basiert auf der technisch hervorragenden, amerikanischen Codefree Blu-ray vom Label „Well Go USA“. In Deutschland hat sich Koch Media des Filmes angenommen und präsentiert ihn ab 6. Dezember 2018 auf DVD und Blu-ray mit einer FSK 18 Freigabe.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Koch Media__Freigabe: FSK 18__Geschnitten: Nein__ Blu-ray/DVD: Ja/Ja |