Originaltitel: Pathaan__Herstellungsland: Indien__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Siddharth Anandwicke__Darsteller: Shah Rukh Khan, Deepika Padukone, John Abraham, Dimple Kapadia, Ashutosh Rana, Siddhant Ghegadmal u.a. |
„Pathaan“ ist der inzwischen vierte Eintrag in das „YRF Spy Universe“. Die Vorgängerstreifen hießen „Mission Liebe“, „Tiger Zinda Hai“ und „War“. „Pathaan“ ist der bislang erfolgreichste Streifen der Reihe und verschaffte seinem Hauptdarsteller, Indiens Superduperstar Shah Rukh Khan, nach einer vierjährigen Leinwandabstinenz ein eindrucksvolles Comeback.
„Moment, Moment, Moment! Ey, freeman, sage mal: Hattest du nach deinem ersten Kontakt mit Action aus Bollywood nicht geschworen, keine Action aus Bollywood mehr ansehen zu wollen?“ Ja, pfuh, ihr habt mich erwischt. 17 Jahre nach dem Erstkontakt, der da „Dhoom“ hieß, bin ich tatsächlich schon wieder schwach geworden (der erste Ausrutscher hieß „Commando: A One Man Army“ und war aber auch zu geil). Der Trailer zu „Pathaan“ hatte mich irgendwie erwischt und präsentierte Bilder, die mich glauben ließen, ich müsse den Film sehen.
Die dürre Story zum Film geht ungefähr so: Jim, ein Superterrorist, plant einen Anschlag auf den indischen Präsidenten. Der Superagent Pathaan weiß dies gerade so zu verhindern, muss dabei aber merken, dass Jim ihn verladen hat und in Wirklichkeit einen gewaltigen Terroranschlag plant. Freilich setzt Pathaan jetzt alles daran, Jim mal so richtig in die Suppe zu aulen.
James Bond und Jason Bourne mit viel Curry
Was folgt, ist eine schier endlose Jagd nach einem MacGuffin, von dem Zuschauer und handelnde Figuren lange Zeit nur den Namen kennen: Raktbeej. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, weil der MacGuffin tut, was er tun soll: Er treibt den Film an – nicht extrem gut oder gar spannend, aber immerhin. Der Film selbst hat nun vor allem damit zu kämpfen, dass ihm selbst nicht so ganz klar zu sein scheint, was er eigentlich sein will.
Infolgedessen brechen hier Knochen, schlagen Headshots aus nächster Nähe ein, werden Fingernägel gezogen und wird immer wieder herzhaft und brutal gefoltert. Dann wieder scheinen erprobte Agentenfilmmotive mit zig Geheimdiensten, schönen Frauen und Welten-Zerstörungsplänen durch. Kurz darauf macht sich der Held zum Vollpfosten, da er wie ein unreifer Teenager bei sexy Ladys ins Stottern kommt. Und genau dieser Held haut kurz darauf ultracool alles zusammen, was ihn auch nur ansatzweise böse anguckt. Doch irgendwie wirkt das dann Gezeigte so krass überzogen, dass man nicht weiß, ob man hier einer Satire auf einen Actionfilm zuschaut oder eben einem ernstgemeinten Actionhammer.
Mir hat es sehr geholfen, den Film als eine Art Bollywood-Version des James-Bond-Franchises mit einer heftigen Einspritzung von „Fast & Furious“ zu verstehen. Also eine Art „xXx – Triple X“, allerdings in weniger prollig. Das Ergebnis ist knallbunt, hochglanzpoliert, überstilisiert und irgendwie arg doof. Vor allem die alle Klischees abhakende Story geht einem früh auf den Zünder. Auch weil sie nicht wirklich reicht, um knapp zweieinhalb Stunden Film zu tragen. Vor allem gegen Ende geht dem Film schon gehörig die Puste aus und er wird länger und länger.
Und trotzdem erzählt der Actionfilm nichts über seine Figuren. Nicht einmal der Held erhält eine wirkliche Vertiefung, geschweige denn plausible Motive. Dem stemmt sich Shah Rukh Khan mit aller Macht entgegen. Durchtrainiert bis in die letzte Haarspitze, versprüht er hier ordentlich Charisma und lässt auch einige extrem doofe Momente nicht gar so doof erscheinen.
Dagegen bekommt John Abraham als fieser Lumpensack Jim tatsächlich ein brauchbares Motiv. Leider ist sein Fieswicht einer der Sorte, der eher selten ins Geschehen eingreift, kaum meuchelt und kaum ballert. Wenn er Pathaan die Frau auszuspannen versucht, ist das beinahe schon das Fieseste, was er im Film vollbringt. Und im Showdown gerät er auch nur an Pathaan.
Wo wir bei Pathaan und Jim sind, muss ich kurz abschweifen: „Pathaan“ hält nämlich für den Helden und seinen Gegner großartige musikalische Themen bereit. Diese werden zwar zu inflationär bei wirklich jedem Auftritt der beiden eingesetzt, setzen sich aber geil im Ohr fest. Vor allem Jims Thema mit einem absolut genialen mechanischen Element, das an nicht greifende Zahnräder einer gewaltigen Maschine erinnert, ist absolute Spitzenklasse!
Womit wir direkt beim Thema Musik wären: Ja, in „Pathaan“ wird gesungen und getanzt, ABER: Es passiert nur ein einziges Mal im Film (im Abspann folgt noch eine Art Musikvideo zu einem Song von Khan) und wirkt da gar nicht mal störend. Denn zum einen nutzt man die Musikeinlage, um ein neues Setting (Spanien) zu etablieren, zum anderen bildet sie den Startschuss für die nachfolgende Flirterei zwischen Shah Rukh Khan und Deepika Padukone.
Apropos Deepika: Was für eine Frau! Beine bis zum Hals, ultrasexy und nicht nur in ihrer Tanzszene elegant anmutig in ihren Bewegungen. Sie harmoniert prächtig mit dem indischen Superstar Khan und behält sich trotzdem immer eine gewisse Dickköpfigkeit und Unberechenbarkeit. Sich nicht in ihre Figur der Rubina zu verlieben, fällt wirklich schwer.
Und damit endlich zu der Action. Die ist sehr groß skaliert. Übergroß. Hier dürfte jedem klar werden, warum ich zuvor von einer heftigen „Fast & Furious“-Einspritzung sprach. Im Film fliegen Hubschrauber in Höhlensystemen vor Brandwänden her, werden Züge zersprengt, knallen Hubschrauber gegen Tunneleingänge, überschlagen sich Karren und fliegen Held und Fieswicht mit jetpackartigen Gerätschaften umher. Und freilich dürfen Miniguns in einem Film wie diesem nicht fehlen. Wer hat, der hat!
Das ist irre und übergroß und lässt mehrfach an die übertriebenen Brosnan-Bonds, „Tripple X“ und eben „Fast & Furious“ denken. Es wird geballert, gestorben und in die Luft gejagt, dass es nur so scheppert. Und zwischendurch feuert Shah Rukh Khan ein paar starke Martial-Arts-Moves ab, bei denen seine Frisur immer sehr „vorteilhaft“ vor seinem Gesicht herumhängt (sprich, er gedoubelt wirkt).
Wer also kein Problem mit überkandidelter Action hat, der könnte hier fündig werden! Könnte? Ja, könnte, denn die Action hat zwei große Pferdefüße. Zum einen muss sie sehr häufig auf CGI-Bilder setzen. Anders wären manche Actioneinlagen gar nicht umsetzbar gewesen. Doch leider sind die CGIs allesamt sehr künstlich und teilweise gar hässlich geraten. Zum anderen bekommt Regisseur Siddhart Anand einfach keinen rechten Flow in die Actionszenen. Immer wieder zerstückelt er sie mit Fast-Forward-Sequenzen und Superzeitlupen (bis hin zu Bullet-Time-Effekten). Dazwischen knallt er immer wieder ewig lange Posings der Helden.
Es gibt eine Szene, in der kämpfen Shah Rukh Khan und Salman Khan (Held der ersten beiden Filme aus der Reihe) auf dem Dach eines Zuges gegen fiese Lumpen. Diese Szene läuft ungelogen so ab: Die Helden kicken jeweils einen Lump vom Zug. Danach gibt es zwischen beiden einen Fistbump mit coolem Posing. Die nächsten beiden Lumpen werden gekickt. Es folgt ein Handschlag mit erneut coolem Posing. Die nächsten Lumpen kommen, sie werden gekickt. Cooles Posing. So kommt nie Dynamik in die Action. Sie wirkt zerstückelt bis zum Gehtnichtmehr.
Richtig peinlich ist zudem direkt das erste Posing von Shah Rukh Khan, wo man allerdings noch nicht weiß, dass das in dieser Form tatsächlich ernstgemeint ist. Hier stellt er sich nach einer Foltersession aufrecht hin, die Kamera filmt aus der Froschperspektive und auf einmal geht irgendwo ein Ventilator an, der seine Haare schön bewegt. Genauso überzogen funktionieren alle weiteren Posings im Film. Wannabe-dicke-Hose-Fubu-Müll der Güteklasse A. So schlecht, dass es fast schon wieder gut ist. Fast!
Doch es gibt auch Actionsetpieces, die richtig gut funktionieren. So ein saustarker One Shot, in dem Shah Rukh Khan einen Waggon voller Lumpen niederknüppelt und ein paar beeindruckende Moves abfeuert. Sehr geil ist auch eine Actioneinlage, die mit Motocross-Bikes beginnt, die einen schneebedeckten Berg herunterrasen. Danach wird über einen zugefrorenen See geslidet, was ebenfalls klasse ausschaut. Und auch der Showdown-Fight zwischen Pathaan und Jim in einem allmählich zusammenbrechendem Stelzenhaus ist stark, darf aber nicht konsequent genug enden.
„Pathaan“ bietet Bollywood-Action mit Bremsklötzen
So blöd es klingt, aber prinzipiell macht „Pathaan“ viel richtig, indem er eine dumme, zigfach gesehene Story einfach nochmal aufrollt, beliebte Klischees abhakt und sich nicht großartig mit Nebensächlichkeiten aufhält. Selbst eine mal eben 60 Minuten lange Rückblende macht das ganze Erzählkonstrukt nicht komplexer oder gar undurchsichtiger. Blöderweise fällt bei diesem Wiederkäuen bekannter Genre-Versatzstücke aber auch eine wichtige Nebensächlichkeit namens Spannung unter den Tisch. Und das bekommt dem viel zu langen Film nicht wirklich. Der wirkt reichlich zerdehnt und verliert zunehmend an Schwung.
Zumindest versucht „Pathaan“ mit Action von diesen Problemherden abzulenken. Doch auch als Actionfan erlebt man hier ein einziges Wechselbad der Gefühle. Man sieht in jeder Actionszene, das hier richtig Geld und Aufwand reingegangen sind. Aber man kann sich einfach nicht in die grundlegend vielfältigen Actionszenarios an reizvollen Settings hineinfallen lassen. Denn entweder reißen einen die Effekte raus oder nervt einen, dass niemals echte Dynamik aufkommen will, weil die Actionszenen seltsam zerstückelt wirken.
Den engagierten Darstellern kann man jedenfalls wirklich gar keinen Vorwurf machen, die einzige Musikeinlage im Film bremst selbigen nicht aus, die Optik des Streifens ist einfach nur ein Augenschmeichler, die genialen musikalischen Themen von Held und Bösewicht rocken einfach nur steil und Deepika Padukone ist in der weiblichen Hauptrolle einfach nur absolut hinreißend. Man sollte ihr einen eigenen Film in der indischen Spionagereihe geben. Diesem Film würde ich eine weitere Chance geben, auch wenn er aus Bollywood käme.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erschien am 4. August 2023 von BollyLove. Der Film ist mit einer FSK 16 ungeschnitten. Extras zum Film findet man auf den gut synchronisierten Datenträgern keine.
In diesem Sinne:
freeman
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