Wie in meiner Kritik zur Serie „Peacemaker – Frieden um jeden Preis“ bereits erklärt, wurde die Comicfigur Peacemaker 1966 von Joe Gill und Pat Boyette für den Charlton Verlag erfunden. Nach dessen Pleite kaufte DC diverse Lizenzen auf, konnte aber mit der Figur des Peacemakers nicht soooo viel anfangen. Erst James Dunn verpasste ihm in seiner filmischen Interpretation der Suicide Squad seinen ganz großen Auftritt, was in einer unterhaltsamen Serie gipfelte. Seitdem ist die Figur auch für DC wieder interessanter. Ein Ergebnis dieses neuen Interesses ist die sechsteilige Comicreihe „Peacemaker Tries Hard“, die Panini Comics mit einer weiteren Story in dem Paperback „Peacemaker“ zusammenfasste.
Story 1: Eine Origin-Story von Comic-Starautor Garth Ennis
Garth Ennis, Schöpfer von Comic-Kult-Reihen wie „Preacher“ oder „The Boys“ und Autor von gefeierten „Punisher“-Storylines, erzählt in der ersten Story des Bandes, „Disturbing the Peace“, seine eigene Origin-Story der Peacemaker-Figur. Er präsentiert Peacemaker alias Christopher Smith im Gespräch mit einer Psychiaterin, die Lücken in seiner Akte schließen möchte. In langen Rückblicken erhalten wir Einblicke in das Leben von Christopher Smith, das finsterer kaum hätte ausfallen können.
Seine Familie begeht geschlossen Selbstmord. Von da an wird der kleine Christopher von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht und erlebt hier den puren Horror. Erstaunlicherweise finden viele seiner neuen Erziehungsberechtigten früh den Tod. In der Armee wird Christopher Smith Teil aller bekannten Spezialeinheiten. Auch hier frisst er viel Dreck und auch hier sterben die Menschen um ihn herum wie die Fliegen.
Wie die Psychiaterin bekommen wir einen Einblick in die wankelmütige Moral des Helden. Der schon das Richtige tut, nur die Art und Weise ist die Falsche. Ennis nimmt dabei seine Figur total ernst. Im Gegensatz zu der folgenden Geschichte geht von Christopher Smith in Ennis’ Story viel latente Bedrohlichkeit aus. Es gibt keinen einzigen Gag, kein witzig gemeintes Panel, wenn, dann ist der Humor maximal mal nachtschwarz, mit bitterstem Unterton.
Und Ennis variiert die Figur auch leicht. Was die Serie und auch die Folgestory in Teilen beherrscht, nämlich das schwierige Verhältnis von Christopher Smith zu seinem Vater, kappt Ennis rigoros. Sein Peacemaker ist ein einsamer Mann, der damit auch fein ist. Die Folgegeschichte wird dies brutal konterkarieren.
Trotz dieser Abweichungen funktioniert die Story auf den Punkt und bringt dem Zuschauer die Figur gnadenlos gut nahe. Und offenbart, welches Potential sie hätte, richtig fiese Geschichten zu erzählen. Das hervorragende Artwork von Garry Brown untermalt die eher psychologisch tiefe Art der Erzählung hervorragend. Ist düster, arbeitet mit gedeckten Farben und ist extrem ansprechend.
Story 2: Unfassbar witziger Spaß im Duktus der Serie
Peacemaker wird in Story zwei, „Peacemaker Tries Hard“, von Amanda Waller gebeten, ein paar Terroristenlumpen auszuschalten. Bei ihm kann Waller sicher sein, dass sie gar nicht groß damit drohen muss, bei Wiederworten den Sprengsatz in seinem Hirn zu zünden. Denn Peacemaker hat eigentlich immer Spaß daran, Frieden zu machen. So auch diesmal. Die Terroristen sterben schneller, als sie „Anschlag“ sagen können, und unser Superheld mit dem moralisch leicht kaputten Kompass freut sich schon, mit „seinen Kumpels“ seinen Geburtstag feiern zu können.
Da taucht auf einmal ein ultrasüßer Hund am Ort des Geschehens auf. Und irgendwie scheint er Peacemaker zu mögen. Das ist der von seinem Vater immer wieder verhöhnte und runtergebutterte Held gar nicht gewohnt und er adoptiert den kleinen Kerl sofort. Da das Muster des Fells des Hundes ihn an einen Anzug erinnert, nennt er den neuen Freund Bruce Wayne.
Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, denn ein abgefeimter Bösewicht entführt Bruce Wayne und zwingt den Peacemaker, für ihn verschiedene Aufträge zu erfüllen. Die Folge ist ein wildes Abenteuer mit einem Hirn im Wasserglas, Koks-Superhelden, einem französisch labernden Kampfgorilla, Altersshaming, einer superstarken Biene, Massenvernichtungswaffen aus dem Zweiten Weltkrieg und und und.
„Ich werde so sterben, wie Gott es wollte: Beim Ficken, während ich ein Club Sandwich esse, das ich gerade in Honigsenf getunkt habe.“
Der Comic zur Serie?
Wer die „Peacemaker“-Serie liebt, der wird sich in der ursprünglich sechs Comics umfassenden Hauptstory des Comicbandes „Peacemaker“ sofort zu Hause fühlen. Die Story aus der Feder des „Rick and Morty“-Autoren Kyle Starks trifft den Ton, den Humor und die Erzählweise der Serie auf den Punkt. Dabei hilft die Tatsache, dass Zeichner Steve Pugh ganz eindeutig John Cenas Gesichtszüge für den Titelhelden nachahmt.
Kurzweilig entfaltet sich eine Story, die immer abstrusere Ausmaße annimmt und richtig Spaß macht. Nach der düsteren Einstiegsstory wird auch die Hauptfigur hier wie in der Serie gezeichnet. Nämlich als eigentlich liebenswerter Volltrottel, der kaum etwas so wirklich auf die Reihe bekommt und von seiner Umwelt eher ausgelacht, denn bewundert wird.
Auch die schwierige Beziehung Peacemakers zu seinem Vater zieht sich eindrücklich durch die Story. Gerade hier bekommt die Geschichte auch mal tiefere, geradezu feinfühlige Momente, bei denen man durchaus mal „Hach“ macht. Auch Christopher Smiths Selbstzweifel und seine Traurigkeit darüber, keine Freunde zu haben, transportiert die Story nicht zu oberflächlich. Und wie die Serie hat das Comic ein paar tolle Momente rund um Tiere, die ebenso erstaunlich ans Herz gehen.
Insgesamt aber ist in der Hauptstory des Comicbandes natürlich Party angesagt. Flapsige Dialoge, witzige Momente, Gewalt, viele sexuelle Anspielungen, eine zunehmend fantasylastigere Erzählung und mittendrin der meist etwas treudoof rüberkommende Held, das macht einfach Laune.
Dem steht das knallig bunte Artwork von Pugh in nichts nach. Der trifft den Ton der Story punktgenau, ist nah an der Serie dran und steht offensichtlich auf nicht streng angeordnete Panels. Ganz im Gegenteil. Seine Panels erzeugen in ihrer wilden Anordnung und Überlappung durchaus eine ganz eigene Dynamik.
„Peacemaker“ macht einen Heidenspaß
Selten habe ich einen Comic so verschlungen, wie „Peacemaker“. Dabei bin ich nicht einmal ein großer Fan der Figur. Doch dieser Comic macht einfach eine Riesengaudi. Die spinnerte Story wird so temporeich und voller Witz gereicht, dass man den Band nicht für eine Sekunde aus der Hand legen kann. Die krassen Ähnlichkeiten zu der Serie helfen zudem, blitzschnell in die Welt von Christopher Smith einzutauchen. Cameos von bekannten Figuren wie Amanda Waller, Deathstroke oder Harley Quinn sorgen für dicke Feixer.
Dass in all dem Irrsinn die Figur nicht verheizt wird, sondern durchaus auch menschliche Dimensionen verliehen bekommt, überrascht immer wieder. Das Ergebnis ist ein absolut runder Comicspaß, der die Serie mühelos toppt, mir unerwartet viel Freude bereitete und den ich nach dem Fertiglesen mit einem simplen, aber alles sagenden „Geil“ wieder zuklappte.
Informationen zur Veröffentlichung von „Peacemaker“
Panini hat die insgesamt sieben Originalcomics umfassenden Ursprungsgeschichten eingedeutscht und in einem schönen Paperback zusammengefasst. Informationen zu der Figur sowie zu den Autoren und Zeichnern der Storys werden von Variant-Covers der US-Comicausgaben flankiert.
Peacemaker
Storys: „Disturbing The Peace“ und „Peacemaker Tries Hard“
Von: „Disturbing the Peace“: Garth Ennis (Autor), Garry Brown (Artwork)
„Peacemaker Tries Hard“: Kyle Starks (Autor), Steve Pugh (Artwork)
Taschenbuch: 204 Seiten; Deutsch
Verlag: Panini Verlags GmbH
Auflage: 1. Edition (13. Februar 2024)
ISBN-13: 978-3741636226