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Perfect

Originaltitel: Perfect__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2018__ Regie: Eddie Alcazar__ Darsteller: Garrett Wareing, Tao Okamoto, Maurice Compte, Courtney Eaton, Abbie Cornish, Martin Sensmeier, Sarah McDaniel, Chris Santos, Flying Lotus, …

Perfect

Zum Trailer (engl. OV) geht´s hier!

Steven Soderbergh presents: “Perfect” – seines Zeichens ein stylish-ambitionierter psychedelisch-mysteriöser Sci-Fi-Horrortrip, mit welchem Regisseur und Co-Autor Eddie Alcazar (“Divinity”) 2018 sein Feature-Film-Debüt vorlegte und bei dem ich in mehrerlei Hinsicht unweigerlich (positiv wie negativ) an Panos Cosmatos’ “Beyond the Black Rainbow” denken musste. Ebenfalls unkonventionell, entschleunigt, optisch vorzüglich sowie von der Musik-Untermalung her ansprechend – inhaltlich allerdings ähnlich oberflächlich-unreichhaltig sowie sich punktuell nahe der Grenze zur Langeweile bewegend – bestückten Alcazar und Ted Kupper (TV´s “Mr. Robot”) ihr Drehbuch mit verschiedenen durchaus reizvollen Ansätzen, Ideen und Elementen, auf deren Basis ersterer dann (dienlich unterstützt seitens einer schicken Ausstattung und Bebilderung) ein oft gleichermaßen verzückendes wie frustrierendes Werk für ein Publikum weit abseits des Mainstreams schuf…

Eröffnet wird mit einem bestürzt seine Mutter (Abbie Cornish) anrufenden jungen Mann (Garrett Wareing) – und das wegen des nackt und blutig in seinem Bett liegenden Leichnams seiner Freundin. Er weiß, dass er das war – doch die Details sind verschwommen. Mehr erfährt man auch nicht über die Tat – generell wird vieles vage und unvertieft belassen. Nicht einmal der Name des Haupt-Protagonisten wird verraten – in den Credits wird jener bloß als Vessel 13 aufgeführt. Diese Nachricht ihres Sohnes ändert zwar wenig an der emotionalen Kühle der Kontaktierten – allerdings sorgt sie dafür, dass sich irgendwer irgendwie im Folgenden “um die Sache kümmert”. Die nächste Szene zeigt, wie sie ihren Filius (in einer weißen Stretch-Limousine) bis zu dem Tor einer Einrichtung inmitten einer Dschungel-Region begleitet, in der sie früher selbst mal Zeit verbracht hat: Eine edle, moderne Villa – quasi ein Mix aus einem Gesundheits-Spa und einer High-Tech-Therapie-Klinik…

Als Location konnte Alcazar die architektonisch atemberaubende (von John Lautner designte, in den ’60ern erbaute) Sheats-Goldstein Residence in Los Angeles nutzen: Ein markantes, fantastisches Gebäude aus Beton, Stahl, Holz, einer Menge Glas sowie kaum einem 90-Grad-Winkel, das u.a. schon in “the Big Lebowski” und “Charlie´s Angels: Full Throttle” zu sehen war – ebenso wie in diversen Musik-Videos und Modefotografie-Kampagnen (bspw. von Herb Ritts oder Helmut Newton). Seit seinem Erwerb ließ der aktuelle Besitzer das Grundstück nach und nach mit allerlei tropischen Gewächsen bepflanzen – und mit dieser Vegetation im Einklang haben Alcazar und sein Team die Skyline und die Lichter der “Stadt der Engel” digital aus den Backgrounds der betreffenden Shots rausretuschiert sowie seitens Nebel- und Wolken-verhangener Berge und Urwälder (samt eines imposanten Wasserfalls und einer zweiteiligen hochhaushaft-großen Fels-Formation) ersetzt…

Es ist die Stimme einer Frau, die ihm vor Ort per Intercom hilft, sich ein- und zurechtzufinden: Tao Okamoto als Ozawa – eine der beiden für die Betreuung der “Gäste” und die Durchführung der jeweiligen Behandlung Verantwortlichen. Er wird dazu aufgefordert, sich für seinen künftigen Pfad zu entscheiden – was dann via einer speziellen Prozedur geschehen würde, sobald er dazu bereit sei. Das Ziel lautet, dass aus ihm auf jenem Wege ein besserer Mensch wird – ohne etwaige “dunkle Triebe”, aus denen gewalttätiges Verhalten resultieren kann. Während er sich darüber noch nicht so richtig im Klaren ist, macht er sich entsprechende Gedanken, trainiert seinen Bizeps und schlendert zwischen den anderen Zugegenen umher – welche wiederum entweder meditieren, Yoga-Übungen praktizieren, sich im oder am Pool entspannen oder sonstwo herumfläzen; meist nur leicht bekleidet sowie mit einigen von ihnen augenscheinlich unter dem Einfluss “Bewusstseins-erweiternder Substanzen”…

Die Kombination des in dieser Phase sowohl visuell als auch klanglich Gebotenen – also die surreal-betörenden Images und der passende, bereichernde Score von Flying Lotus (“Kuso”) – soll den Betrachter sozusagen in die Atmosphäre des Schauplatzes immersieren – wobei der Erfolg oder das Scheitern dieses Bemühens nicht unbedeutend dafür ist, wie einem der komplette Verlauf von “Perfect” gefallen dürfte. Slow-Mo-Shots, unwarme Farbtöne, attraktive Körper, das tolle, luxuriöse Setting, die Musik sowie der nicht unerotische hedonistisch-berauschte Vibe: Wie eine dieser edgy-stylishen Hochglanz-Werbungen für gewisse nicht gerade günstige Produkte. Rasch freundet er sich mit der sympathisch-netten Sarah (Courtney Eden) an. Als er seiner Mutter bei einem Video-Call von ihr berichtet, ermahnt sie ihn zur Vorsicht. Will sie ihn vor ihr oder sie vor ihm schützen? Es ist durch Konversationen mit Sarah, dass er daraufhin den Anstoß anhält, mit seiner “Therapie” zu beginnen…

Was er im Rahmen letzterer zu tun hat, ist originell, faszinierend und ungemütlich zugleich: Per Roboter-Arm bekommt er aus einer Art Vending Machine ein transparentes Plastik-Päckchen ausgehändigt – mit einer ein fröhliches asiatisches Logo-Maskottchen aufweisenden Papp-Rückwand sowie einem durchsichtigen Kunststoff-Quader und einem Präzisions-Messer darin, mit welchem er sich (gemäß Anleitung) postwendend die Form eines Raute-Zeichens unterhalb des Auges in die Haut ritzt. Mit seinen Fingern pult er nun an den Kanten der Fläche, ergreift sie und zieht: Anstelle dass sich nur die Haut löst, entfernt er so allerdings ein mehrere Zentimeter tiefes Stück – Knochen und Gewebe inklusive – wonach er den Quader in genau diese Lücke einfügt, welche sich mit einer synthetischen Hornschicht selbständig “verschließt”, so dass fortan nur noch unauffällige Narben jenes Musters zu sehen sind sowie ihn ein intensives, überwältigendes Feeling (wie von einer Droge) durchströmt…

Diese transgenetischen mikrobionischen Implantate sollen eine purifizierende Entwicklung bei ihm bewirken, indem “Malignes” herausgeschnitten und gegen “optimierende Upgrades” ausgetauscht wird. Damit verknüpft: Veränderungen der Persönlichkeit sowie Expansion des Verstands. So z.B. lehnt es Sarah auf einmal ab, ihn näher kennenzulernen, da sie in ihrer Behandlung inzwischen weiter fortgeschritten sei und eine höhere Evolutionsstufe als er erreicht hätte. Also nimmt er einen solchen Eingriff nach dem nächsten bei sich vor – verschreibt sich diesem “Pfad” (mit rätselhaftem Ziel), auf dem er wiederkehrend von Visionen heimgesucht wird: Primär zum einen eine von ihm und Sarah glücklich am Strand – oder ist das etwa eine dahingehend unauthentische Erinnerung an ein Erlebnis mit dem Mädel vom Anfang? – sowie zum anderen welche, die ihn als einen Schlamm-bedeckten “Wilden” in einer primitiven (offenbar aztekischen) Stammeskultur zeigen…

Grandios in Schwarzweiß und Zeitlupe dargeboten, sieht er sich u.a. dabei, wie er zu einer garstigen Kreatur mutiert, er Frauen angreift und tötet sowie zu einem zwei-Meter-fünfzig großen “Gott-König” anwächst, der sich mit Gewalt gegen ein Dschungel-Volk wehren muss, nachdem ihm zuvor eine (ebenfalls von Okamoto gespielte) Dame einen Kristall (Stein, whatever) zum Herunterschlucken geben hat: Quasi (wie die Prozedur an sich) seine “rote Pille”? Urtriebe vs. das kontrollierte bzw. kontrollierbare Moderne? Dem Publikum bietet “Perfect” diverse Suggerierungen und Anregungen zum Drübernachdenken, was dies oder jenes wohl bedeuten mag – doch dürfte der Mangel an Konkretem bei etlichen schnell einen unbefriedigenden Eindruck heraufbeschwören. Da helfen auch verschiedene kryptische (mitunter philosophisch-esoterische) Voiceover wenig – unter ihnen einzelne des erst nach rund 50 Minuten physisch im Geschehen auftauchenden Einrichtungsleiters (Maurice Compte)…

Innerhalb der Story, welche hauptsächlich über die Bilder transportiert wird, wartet das Drehbuch mit einer Fülle an “inhaltlichen Stichpunkten” auf. Statt eines bissigen Kommentars zu dem in der heutigen Gesellschaft verbreiteten (meist narzisstischen) Streben nach Schönheit Schrägstrich Perfektion – hier in einer bloß Privilegierten zugänglichen Form – verfassten Alcazar und Kupper eine trippy-humorfreie Horror-Geschichte über Gen-Modifikation und Transzendenz, der es an “handfester Substanz” fehlt. Hinzu kommen da noch Charaktere ohne Mehrdimensionalität, eine Reihe schwacher Mono- und Dialogzeilen sowie Unklarheiten á la was es eigentlich damit auf sich hat, dass Dr. Price eingangs stolz erwähnt, Automatons entwickelt zu haben. Dennoch gebührt ihnen nicht unerheblich viel Lob dafür, sich die kreativen Details (insbesondere auch in Bezug auf die Präsentation eben jener im Film) ausgedacht zu haben, aus denen sich das Ganze zusammensetzt…

Entsprechend des ihnen vorgegebenen Materials portraitieren die Darsteller ihre überwiegend gefühlsarm interagierenden Parts an sich absolut okay. Abbie Cornish (“Solace“) verfügt über genau die richtige Ausstrahlung und vermittelt die gewisse Unsicherheit ihrer Figur im Umgang mit ihrem Sohn bestens, Courtney Eden (“Line of Duty“), Tao Okamoto (“the Wolverine“) und Maurice Compte (“Sabotage“) gehen jeweils in Ordnung und Garrett Wareing (“God is a Bullet“) verbleibt prinzipiell zwar “blass” – allerdings liegt das nicht unwesentlich daran, dass seine Rolle nie eine wahre (Sympathien für ihn aufbauende) “Individualität” zugestanden erhält. Keine Ahnung, was für ein Mensch er vor der Tötung des Mädels zu Beginn war – worauf Beunruhigung und Selbstzweifel nun seinen gesamten Selbstfindungs-Prozess durchziehen. Folglich ist das, was er da durchmacht, für den Zuschauer schlichtweg nicht gerade ergiebig “emotional involvierend” geartet…

Je weiter seine Behandlung in “Perfect” voranschreitet, desto mehr “tauscht er von sich aus”: Schon bald bedecken ihn die betreffenden Gitternetz-förmigen Linien-Narben-Muster fast völlig. Wareing´s Performance ist auf jeden Fall engagiert in der Beziehung: So hat er sich bspw. seine Haare abrasiert, sich das matschige Fruchtfleisch eines Pfirsichs übers Gesicht geschmiert sowie im Vorfeld um die 14 Kilo abgenommen. Als der Fortschritt bei seinem “Übergang” irgendwann stagniert und quälenden Schmerzen weicht, überstimmt Dr. Price die Warnungen Ozawas und wagt bei ihm den Versuch, Purifikation via des Bewältigens einer “finalen Hürde/Stufe” zu erreichen – wobei das potentielle Gelingen mit einem immensen psychischen und körperlichen Risiko verbunden ist. Verbildlicht wird einem dieser “innere Kampf” u.a. in Gestalt einer Szene, in der ein Baby gegessen wird – und das gar noch explizierter als ein Jahr zuvor in Darren Aronofsky´s “Mother!”…

In technischer Hinsicht ist das Werk unstreitig gelungen: Mit einer Menge Slow-Motion und textuiert-hochauflösender Aufnahmen daherkommend, sind bei Cinematographer Matthias Königswieser´s (“White Bird”) Arbeit dessen Erfahrungen in den Bereichen Werbung und Musik-Videos nicht zu übersehen – und es ist die Kombination eben jener mit dem schicken Produktions-Design, der Farbgebung, dem Editing, Score und Sound-Mix, der Addition von teils retro-esken Animationen sowie speziellen anderen Regie-Entscheidungen Alcazars, was ein reizvolles, durchaus inspiriertes audio-visuelles Erlebnis entstehen ließ. Wer möchte, der kann sich das quasi als eine Mischung aus dem Schaffen von Auteuren wie Panos Cosmatos, Terrence Malick, Nicolas Winding Refn und David Cronenberg vorstellen – gepaart mit dem Antrieb eines eifrigen Show-don´t-tell-Film-Studenten. Fraglos weist Alcazar Talent auf – weshalb ihm für die Zukunft bessere Skript-Vorlagen zu wünschen wären…

Mit seinem bisweilen zu langsamen Tempo, seiner kryptischen Story, die im Laufe ihrer Entfaltung zwar so einige, allerdings beileibe nicht alle Antworten preisgibt, seinen phantasievollen Ideen, seinem tollen Look und seiner unbehaglichen, kühlen Atmosphäre ist “Perfect” ein ambitionierter und interessanter, alles in allem aber dennoch unbefriedigender, mitunter prätentiös und “seelenlos” anmutender phantasmagorischer Style-over-Substance-Sci-Fi-Horrortrip. Geradezu beispielhaft dafür ist eine geschmeidige, tendenziell jedoch ermüdende beinahe 10-minütige Kamera-Fahrt durchs Innere der Villa im finalen Akt: Komplett in Zeitlupe sowie mit einem an sich nur wenig aussagenden Voiceover unterlegt, dem Auge diverse Highlights der Architektur und Ausstattung bietend sowie Ozawa schließlich durch einige Korridore bis in ein Zimmer hinein begleitend – in welchem man dann “in aller Ruhe” mit einem schockierenden Nightmare-Fuel-WTF-Anblick konfrontiert wird…

7 von 10

Während “Perfect” in den USA seit Februar 2000 zu haben ist – das allerdings bloß auf DVD, weshalb ich mich für die skandinavische BluRay entschieden hatte – sind mir bislang (02/2024) indes noch immer keine Veröffentlichungspläne für Deutschland bekannt…

Stefan SeidlPerfect

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Perfect

Copyright des “Perfect” Postermotivs und der Pics: Brainfeeder Films / SingularDTV / Breaker / Giant Pictures / Passion River (US) / Nonstop Ent., Nordic, Universal (DK)__ Infos zur dänischen VÖ: Freigabe: 15__ DVD/BluRay: ja/ja

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Categorised in: Psychohorror, Sonstige Highlights

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