Originaltitel: Plan B – Scheiß auf Plan A__Herstellungsland: Deutschland__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Ufuk Genc, Michael Popescu__Darsteller: Can Aydin, Cha-Lee Yoon, Phong Giang, Eugene Boateng, Laurent Daniels, Julia Dietze, Gedeon Burkhard, Henry Meyer, Florian Kleine, Jennifer Bischof, Mike Möller u.a. |
„Plan B – Scheiß auf Plan A“: Ein wirklich treffender Filmtitel. Denn zum einen wird im Film mehr als nur einmal ein „Plan B“ erwähnt. Zum anderen steht der Titel exemplarisch für die Entstehungsgeschichte des Streifens. Denn wie ich im Interview mit Ufuk Genc und Michael Popescu, den Regisseuren von „Plan B“, erfahren habe, heißt ihr Film „Plan B“, weil „Plan A“ nicht funktioniert hat.
„Plan A“ sah einen Horrorfilm vor, der Angst und Schrecken mit Martial Arts vor afrikanischem!!! Setting kombinieren sollte. Das Ziel war also schon damals, etwas Einzigartiges zu schaffen und gleichzeitig den Jungs von „Reel Deal Action“ eine Bühne zu bereiten. Doch das Projekt entwickelte sich nicht wie erhofft. Es nahm zunehmend trashigere Züge an. Bald war allen Beteiligten nicht mehr wohl bei der Sache und so schissen sie auf „Plan A“. Sprich: Sie cancelten die Arbeiten an dem Streifen. Doch die Idee eines eigenen Filmes trieb weiter Blüten.
Einige Jahre später ist es endlich vollbracht: „Plan B – Scheiß auf Plan“ läuft in den deutschen Kinos an und schafft all das, was man sich bereits bei „Plan A“ vorgenommen hatte: Er ist eine fabelhafte Bühne für die fitten Jungs von „Reel Deal Action“ und er ist absolut einzigartig. Denn einen Martial-Arts-Film aus Deutschland, der auch noch von einem Major-Label (der 20th Century Fox) auf die Kinoleinwände gewuchtet wird, das hat es so noch nicht gegeben.
Schaut in den deutschen Martial-Arts-Kracher „Plan B“ hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=S_dEeknWCng
Und das Beste: „Plan B“ macht richtig Laune! Alles beginnt mit einer wunderbaren Hommage an John Woo und andere Meister des Heroic Bloodshed. Drei Kerle kicken und ballern sich durch ein mehrstöckiges Haus voller Lumpen. Die schwarzen Mäntel fliegen, es wird beidhändig geballert und die Bloodpacks platzen. Hier wurde ich direkt auf den falschen Fuß erwischt. Ich hatte eigentlich erwartet, dass der Film im FSK-12-Bereich fischen würde. Die Action also eher clean anlegen würde. Doch falsch gedacht…
Danach beginnt dann die eigentliche Story. Diese dreht sich um vier Freunde. Drei von ihnen, Can, Cha und Phong, sind hervorragende Stuntmen, die endlich große Gigs an Land ziehen wollen, sich mit großer Klappe und etwas Selbstüberschätzung aber nur zu gerne selbst im Weg stehen. Der Vierte im Bunde ist U-Gin. Er hat von Stunts keine Ahnung, müht sich aber als Manager der anderen drei um immer neue Jobgelegenheiten.
Als er ein neues Casting an Land gezogen hat, wird dieses zu einer Art Zerreißprobe für die vier Freunde. Denn sowohl Cha als auch Phong wollen die Stunts an den Nagel hängen. Sie lassen sich aber von U-Gin und vor allem Can überreden, der Sache noch eine letzte Chance zu geben. Blöd ist nur, dass U-Gin im Eifer des Gefechtes eine falsche Adresse für das Casting vermerkt hat. Und so poltern unsere Freunde unversehens in eine prekäre Situation: Ein paar Kerle haben eine junge Frau an einen Stuhl gefesselt und scheinen sie zu verhören.
Und die Gangster ergreifen die Gelegenheit beim Schopfe: Sie nehmen auch noch Phong als Geisel und senden die verbliebenen drei Freunde los, um einen sagenumwobenen Tresor zu finden, in dem ein berühmter Obergangster pikante Unterlagen hortet und sich damit seine Macht sichert. Den ersten Hinweis auf den Tresor liefert die gefesselte Frau. Die Ehefrau des Supergangsters. Für Can, U-Gin und Cha beginnt damit eine chaotische Schnitzeljagd quer durch Berlin…
Für den Zuschauer beginnt derweil eine in vier Kapitel unterteilte Actionsause mit sympathischen Helden und einer ordentlichen Menge Action. Die gerne mal in Neonlicht getauchten Kapitel hören auf vielsagende Titel wie „Red Heat“ oder „Big Trouble in Little Istanbul“. Obendrein sind unsere Helden in die Outfits von Marion Cobretti („City Cobra“), Marty McFly („Zurück in die Zukunft“), Bruce Lee und Michael Jackson gewandet. An den Wänden hängen Poster von Stallone und diversen Kampfsportikonen. Der Soundtrack klingt verdächtig nach der aktuell so angesagten Synthwave-Mucke und die Helden lassen in einer Tour Filmzitate vom Stapel. Vor allem Cans Sylvester-Stallone-Geilheit ist dahingehend der absolute Burner.
Kurzum: „Plan B – Scheiß auf Plan A“ will dem Actionfilm der 80er und 90er Tribut zollen und das kommt mehr als nur ein bisschen beim Zuschauer an. Und genau das macht auch einen großen Teil des Spaßes aus, den man mit dem Film definitiv haben kann. Das lässt auch darüber hinwegsehen, dass die Kapitel allesamt sehr gleichförmig aufgebaut sind: Ein Hinweis führt zu einem bestimmten Ort. Dort wird sich amtlich mit Lumpen geklöppelt. Der nächste Hinweis wird aufgetan. Ein Oberboss taucht auf. Mit dem wird der Boden gewischt und ab gehts ins nächste Kapitel.
Das mag für den einen repetitiv klingen (was es auch ist und sich durchaus auch ein wenig abnutzt), zaubert anderen aber wieder ein Lächeln auf die Lippen, denn die sich daraus ergebende Levelstruktur des ganzen Filmes lässt an alte Beat’em up Klassiker wie „Double Dragon“ denken. Kurzum: Irgendwie machen die Jungs von „Plan B“ alles richtig. Und das Wichtigste: Sie nehmen sich selbst nicht zu ernst. Dadurch wirkt der allgegenwärtige Humor auch nicht erzwungen. Und der Film niemals krampfig.
Dazu kommt, dass die Hauptdarsteller Can Aydin („The Berlin File“), Cha-Lee Yoon („One Million K(l)icks“), Phong Giang („One Million K(l)icks“) und Eugene Boateng („Becks letzter Sommer“) nicht nur gut kicken können, sondern auch erstaunlich gut aufspielen! Ihnen wird dabei sicherlich entgegengekommen sein, dass das Drehbuch die Figuren offensichtlich so anlegte, dass deren Eigenschaften und Vorlieben denen ihrer Darsteller sehr nahe kommen. Das Wichtigste jedoch ist, dass die Jungs eine blendende Chemie miteinander haben und einfach immer richtig locker und natürlich rüberkommen. Der Supportcast macht ebenfalls einen absolut soliden Job und hat dank sexy Julia Dietze („Bullet“) auch was fürs Auge zu bieten.
Ein kleines Highlight ist das für eine 80s Hommage unvermeidliche Copduo aus Gedeon Burkhard („Inglourious Basterds“) und Laurent Daniels, denen man fast ein eigenes Franchise wünschen würde. Vor allem der wuchtige Daniels kommt als „Robocop“ genannter Superbrecher einfach nur wie ein richtiges Tier rüber. Interessant sind zudem die Darsteller zweier „Levelbosse“. In „Red Heat“ treffen unsere Helden auf eine Kämpferin, die ihnen mal so richtig eine einschwenkt. Gegeben wird die Dame von Heidi Moneymaker, die als Stuntwoman gefühlt an allen großen Blockbustern der letzten Jahre beteiligt war (etwa zuletzt als Ruby-Rose-Double in „John Wick: Kapitel 2“).
Und in der Episode „Thriller Night“ hat Kampfsportfloh Mike Möller („Pound of Flesh“) die Rolle des Übersatanisten!!! abbekommen. Mit weiß gefärbten Haaren darf er einen tollen Fight mit Cha-Lee Yoon abliefern und in einer extrem akrobatischen Choreografie wieder zeigen, was er auf dem Kasten hat.
Damit sind wir dann auch schon beim Thema: Der Action. Diese besteht zu weiten Teilen aus Martial-Arts-Fights. Hier ist interessant zu wissen, dass die Jungs für alle Fights gerade einmal sechs Drehtage hatten. Was mehr als nur straff geplant ist. Doch man sieht den Fights keinerlei engen Drehplan an. Vielleicht wären die Jungs bei mehr Drehzeit noch spektakulärer zu Werke gegangen, aber auch so machen die Fights richtig Druck. Die Highlights stecken dabei für mich im Showdown, wenn die Fights von Can gegen Aristo Luis und Phong gegen Lorenz Hideyoshi Ruwwe parallel montiert werden und dabei eine Dynamik, Härte und Bildsprache transportieren, die nichts mit dem gemein haben, was man sonst so mit dem deutschen Film assoziiert.
Das Wichtigste: „Plan B – Scheiß auf Plan A“ will seine Action zelebrieren. Die Choreografien atmen lassen. In der Folge dominieren lange Einstellungen und Totalen, was den vollen Überblick ermöglicht und erst recht aufzeigt, wie gut die Junge da um sich schlagen und treten. Von den Martial.Arts-Einlagen abgesehen, darf in zwei Szenen auch mal geballert werden. Gleich zu Beginn und im wahrhaft Standoff-verliebten Showdown, in dem erneut ganz offen John Woo („Hard Target“ strahlt da mehr als einmal durch“) zitiert wird. Und auch das funktioniert prächtig.
Gibts nix zu mäkeln? Ach, naja, das gibt es doch immer. Meines Erachtens funktioniert das Timing bei dem Humor nicht immer hundertprozentig. Im Mittelteil hing der Film mal leicht durch. Die „King“, „Bäm“ und Co. Einblendungen hätte ich nicht gebraucht und habe auch deren Sinn nicht kapiert. Irgendwie hätte ich mir einen fieseren und vor allem präsenteren Bösewicht gewünscht und ab und an hatte ich den Eindruck, da wuseln ein paar Figuren zu viel über den Screen. Aber ganz ehrlich? Geschenkt! Ich hatte meinen Spaß mit dem Streifen! Und das so richtig! „Plan B – Scheiß auf Plan A“ ist für meine Begriffe ein lange überfälliges Statement für den deutschen Genrefilm! Es brauchte mal Leute, die Herz, Eier und Können in die Waagschale werfen und einfach mal machen. Und genau das ist hier geschehen. Man kann nur hoffen, dass sich Filmförderungsanstalten von Produktionen wie dieser endlich mal dazu verleiten lassen, auch mal mutiger zu sein und nicht immer nur in den gleichen Bockmist auf Nummer sicher zu investieren. Deutschland kann Action! Also lasst Deutschland mal Action machen!
„Plan B – Scheiß auf Plan A“ ist ab dem 8. Juni in den deutschen Kinos zu sehen und mit einer Freigabe ab 16 Jahren ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: 20th Century Fox__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 8.6.2017 in den deutschen Kinos |