Originaltitel: Instant Family__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Sean Anders__Darsteller: Mark Wahlberg, Rose Byrne, Isabela Moner, Gustavo Escobar, Julianna Gamiz, Octavia Spencer, Tig Notaro, Margo Martindale, Julie Hagerty, Tom Segura, Iliza Shlesinger, Allyn Rachel, Andrea Anders, Randy Havens, Joan Cusack, Michael O’Keefe u.a. |
Mit „Daddy’s Home“ und dessen Fortsetzung hatte Sean Anders nicht nur einen guten Draht zu Mark Wahlberg aufgebaut, sondern auch Kasse gemacht, was ihm wiederum ein Wunschprojekt ermöglichte: Mit „Plötzlich Familie“ konnte er als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent eigene Erfahrungen als Adoptivvater dreier hispanischer Kinder verarbeiten.
Dementsprechend kommt man als Zuschauer nicht um die heutzutage wohl obligatorische „Inspired by true events“-Plakette herum, ehe man die Hauptfiguren des Films trifft. Pete (Mark Wahlberg) und Ellie Wagner (Rose Byrne) sind ein glückliches Paar, das sein Geld mit der Renovierung von Bruchbuden verdient und bisher keine Kinder hat. Als Ellies Schwester Kim (Allyn Rachel) und deren Ehemann Russ (Tom Segura) jedoch Nachwuchs zu bekommen versuchen, hat vor allem Ellie das Gefühl, das ihnen etwas fehlt, wobei Pete als lockeren Kommentar einwirft, dass er dann ein ziemlich alter Vater wäre und man besser gleich mit einem Fünfjährigen anfange. Insofern mag „Plötzlich Familie“ zwar auf wahren Begebenheiten beruhen, um klassische Romanzen- und Comedy-Versatzstücke wie die tickende biologische Uhr bei der weiblichen Hauptfigur oder die quirligen Familiensidekicks kommt man dann doch nicht herum.
Didaktisch wird es jedoch dann im Film, als sich Ellie infolge von Petes Kommentar tatsächlich bei einer Agentur für Adoption umsieht, denn nun zeigt „Plötzlich Familie“ wie das amerikanische System hier funktioniert: Erst machen potentielle Kandidaten Kurse, danach werden sie erst zu Pflegeeltern und können danach eventuell adoptieren – aber nur, wenn die leiblichen Eltern der Kinder keinen Einspruch erheben. Außerdem sind Teenager schwerer zu vermitteln als kleinere Kinder oder Babys, Geschwister lässt man am besten zusammen. Hier wird „Plötzlich Familie“ fast zu einer Art Infotainment, doch Anders versteht sich auf die lockere, humorvolle Präsentation des Ganzen: Gerade Karen (Octavia Spencer) und Sharon (Tig Notaro), die nie um einen lockeren Spruch oder sarkastischen Kommentar verlegenen Sozialarbeiterinnen, die das Adaptionsprojekt leiten, sorgen für Aufheiterung.
Bei einem Meet-and-Greet mit potentiellen Kandidaten fällt Pete und Ellie die schlagfertige Teenagerin Lizzy (Isabela Moner) auf. Diese hat zwar zwei jüngere Geschwister, Juan (Gustavo Escobar) und Lita (Julianna Gamiz), doch die Wagners nehmen die Herausforderung an – und merken erst später, was wirklich auf sie zukommt…
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Man merkt „Plötzlich Familie“ im positiven Sinne an, dass dies ein Herzensprojekt, quasi ein Wunschkind seines Regisseurs ist. So ist der Film auch deutlich lebensnäher als Anders‘ vorherige Blödelfilme, zumal er versucht Konventionen nicht allzu sehr zu bedienen. Der Moment, in welchem dem Film dies nicht gelingt, ist vor allem die Schlussphase: Nach Irrungen, Wirrungen und einem Beinahe-Schicksalsschlag dreht sich urplötzlich das Ruder, die Bahn ist frei für das Friede-Freude-Eierkuchen-Happy-End mit dreifachem Zuckerguss und leichtem Brechreiz. Und tatsächlich ist dies ein Schlag, der „Plötzlich Familie“ beinahe das Genick bricht. Aber nur fast, denn irgendwie ist man doch gerührt, wenn sich gegen Ende fast die komplette Belegschaft für ein gemeinsames Foto einfindet.
Das liegt an den eingängigen Figuren und deren Ausgewogenheit: Querkopf Lizzy, Tollpatsch Juan und Wüterich Lita sind durchaus Problemkinder, was aufgrund ihrer Vergangenheit als Nachkommen einer Drogensüchtigen aber auch nicht so unverständlich ist. Ellie und Pete bemühen sich das Richtige zu tun, müssen aber ihre eigenen Motive immer wieder hinterfragen und sich teilweise eingestehen, dass sie durchaus selbstsüchtig sind, etwa das freie Leben ohne Nachwuchs vermissen. Selbst wenn die leibliche Mutter der drei Kinder auf den Plan tritt, wird diese nicht einfach als Antagonistin gezeichnet. Man versteht außerdem die Impulse von Lizzy, die gern zur Mutter zurückmöchte, die sie kennt und verklärt, so wie jene von Juan und Lita, für welche die leibliche Mutter eine weniger präsente Erinnerung ist. So thematisiert Sean Anders das Adoptivsystem mit seinen Eigenheiten, Vorteilen und Fallstricken auf durchdachte, ausgewogene Weise und lässt es dabei durchaus anrührend menscheln, etwa wenn Lizzy und Ellie beim Haarebürsten erstmals eine Verbindung spüren.
Aber natürlich ist „Plötzlich Familie“ auch eine Komödie und als solche ziemlich charmant. Manches ist eher Slapstick, gerade im Bezug auf Juans Hang zu Fettnäpchen und Verletzungen, manches sind eher Wortgefechte oder schräge Situationen – etwa die nicht ganz unclevere Thematisierung des White-Savior-Komplexes mit „Avatar“-Bezug, der „The Blind Side“-Running-Gag oder jene Szene, in der Lizzy auf clevere Weise Petes eigentlich toughe Mutter Sandy (Margo Martindale) um den Finger wickelt. Selbst die Armada von lustigen Nebenfiguren, von Petes und Ellies Familien über die anderen Mitglieder der Pflegeelterngruppe bis hin zu den Sozialarbeiterinnen, wird geschickt eingebunden, hat durchaus Ecken und Kanten und verkommt nicht zum bloßen Comic Relief. Das trifft allein auf die schlurigen Pflegeeltern zu, die das Trio vor Pete und Ellie betreuen, aber diese lebenden Hinterwäldlerklischees, die wie in die Stadt verfrachtete Backwood-Charaktere wirken, tauchen dann auch nur in einer Szene auf, ebenso wie Joan Cusack („Teen Lover“) als schräge Nachbarin, die ebenso nur für ein paar eher billige Lacher da ist.
Es finden sich sowieso einige bekannte Namen und Gesichter in Klein- und Kleinstrollen: Margo Matindale („Orphan“) und Julie Haggerty („She’s the Man“) als Omas, Allyn Rachel („Kong: Skull Island“) als Schwester, Andrea Anders („Joey“; übrigens die Schwester des Regisseurs) als Adoptivmutter sowie „Stranger Things“-Lehrer Randy Havens als Teil eines schwulen Adoptivvaterpaars. Am meisten stechen Tig Notaro („Mädelsabend“) und Octavia Spencer („Snowpiercer“) hervor, die sich als Sozialarbeiterinnen glänzend die Bälle zuspielen und für diverse Highlightszenen sorgen, in denen sie beinahe den Film klauen. Der Hauptfokus liegt natürlich auf der im Original titelgebende Instant-Familie, die ebenfalls überzeugt. Mark Wahlberg („Rock Star“) spielt man wieder seinen leicht prolligen und manchmal leicht aggressiven Arbeitklassecharme aus, Rose Byrne („X-Men: First Class“) ist noch besser als Mama, die sich oft nicht gewertschätzt fühlt, und Gustavo Escobar („Peppermint“) und Julianna Gambiz („Making Babies“) überzeugen als jüngere Problemkinder. Besonders stark spielt allerdings Isabela Moner („Sicario 2“) auf, welche die Facetten eines Teenagers, der zu früh erwachsen werden musste, der gleichzeitig tough und umsorgtes Kind sein will, hervorragend verkörpert.
Mit solchen Glanzperformances, Sean Anders Gespür für Figuren und Sujet sowie einigen charmanten Gags überzeugt „Plötzlich Familie“ dann auch als warmherzige Familienkomödie, mancher Vorhersehbarkeit und einem Kitsch-Schlussspurt der übelsten Sorte zum Trotz. Doch der Film trägt sein Herz zu sehr am rechten Fleck, als dass man ihm das nicht verzeihen könnte.
„Plötzlich Familie“ kommt auf DVD und Blu-Ray von Paramount, freigegeben ab 6 Jahren.
© Nils Bothmann (McClane)
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