Originaltitel: Prisoners of the Ghostland__Herstellungsland: Japan/USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Sion Sono__Darsteller: Nicolas Cage, Sofia Boutella, Nick Cassavetes, Bill Moseley, Tak Sakaguchi, Young Dais, Charles Glover, Cici Zhou, Tetsu Watanabe u.a. |
Seitdem sich die Karriere von Nicolas Cage aus den Hollywoodsphären verabschiedet hat, finden sich neben belanglosen B-Thrillern und B-Actionfilmen zunehmend interessante Indie-Projekte in seiner Vita, etwa der Psychotrip „Mandy“, die Lovecraft-Adaption „Die Farbe aus dem All“ und das Bovinen-Rachedrama „Pig“. Auch „Prisoners of the Ghostland“, eine Zusammenarbeit mit Regie-Exzentriker Sion Sono („Why Don’t You Play in Hell?“), schlägt in diese Kerbe.
Cage spielt den namenlosen Protagonisten, der von den Credits nur als „Hero“ geführt wird und später auch von Charakteren so genannt wird, den wir aber erst einmal beim wenig heldenhaften Banküberfall mit seinem Kumpan Psycho (Nick Cassavetes) erleben, was andeutungsweise in einem Blutbad endet. Schmodder-Fans brauchen an dieser Stelle nicht traurig sein, in mehrmaligen Rückblenden reicht Sono das Massaker später noch nach. Danach ein großer Zeitsprung und der Hero liegt als Gefangener im Kerker des Governor (Bill Moseley). Der hat sich in der dystopischen Welt des Films sein eigenes Reich zwischen Samurai-Ära und Wildem Westen aufgebaut, in dem er über Geishas, Schwertkämpfer und Revolvermänner herrscht.
Der Governor, der nicht nur vom Namen, sondern auch von seinen Allmachtsphantasien her an „The Walking Dead“ erinnert, ist auch das Scharnier, das den Hero mit der zweiten Hauptfigur verbindet: Bernice (Sofia Boutella) ist die Enkelin des selbsternannten Gouverneurs und mit einigen Freundinnen in die Ghostlands geflohen, wo bösartige Geister nach den Lebenden greifen. Dass Bernice diese gefährlichen Lande der Gesellschaft ihres Großvaters vorzieht, sagt eigentlich schon alles, aber der erweist sich bei seinen ersten Auftritten auch noch als dermaßen überkandidelt-bösartig, damit es auch jeder mitbekommt, denn mit Subtilität hat es Sono nicht so, auch wenn er seinen Film für allerlei Andeutungen und Allegorien offen lässt.
Der gefangene Held soll die Verschwundene zurückholen. Damit er sich weder verkrümelt noch die Hand gegen sie erhebt oder sich anderweitig an ihr vergreift, bekommt er einen Anzug mit Sprengladungen an Hals, Armen und Klöten um. Für die Rettung bleiben ihm maximal fünf Tage, sonst macht es Boom am Kehlkopf…
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Sion Sono und seine sonst primär als Schauspieler tätigen Drehbuchautoren Aaron Hendry und Reza Sixo Safai verrühren hier jede Menge Genres, allen voran den Endzeitfilm inklusive einer Reise-hin-Reise-zurück-Dramaturgie Marke „Mad Max: Fury Road“. Der endzeittypische Rückfall in frühere Zeiten wird durch die erwähnten Wild-West- und Samurai-Elemente verdeutlicht, manche Gewaltspitze erinnert eher an den Horrorfilm und das Duo aus Hero und Psycho könnte auch gut und gerne aus einem derben Gangsterfilm stammen. Elemente des japanischen Theaters werden ebenso eingewoben wie eine Frauentruppe, die als eine Art griechischer Chor fungiert. Es gibt psychedelische Visionen und Actionszenen, womit „Prisoners of the Ghostland“ ein ziemlich abgefahrener Mix ist – der aber dummerweise keines seiner Genres so richtig zu bedienen weiß.
So ist dann nicht viel mit großer Endzeitaction. Es gibt ein winziges Scharmützel zwischen Hero und den Geistern in der ersten Hälfte, der nächste Clash wird dann im Dialog gelöst, sodass es zwischendurch eines Schwertkampfes zwischen Gefolgsleuten des Governors bedarf, damit noch ein bisschen Krawall vor dem Showdown da ist. Der bietet dann immerhin einige handfeste Gefechte mit Knarre, Schwert und Faust, die recht dynamisch choreographiert daherkommen und einen würdigen Höhepunkt abgeben. Natürlich wäre es noch besser, wenn die Wemmsereien auch noch zwischen Charakteren stattfinden würden, die dem Publikum nicht vollkommen egal sind, doch in dieser Hinsicht sieht es bei „Prisoners of the Ghostland“ leider zappenduster aus.
So bleibt die nachvollziehbarste Figur ausgerechnet der Governor, aber auch nur deshalb, weil er eine Ansammlung typischer Villain-Klischees inklusive ungutem Interesse an seinen Enkelinnen ist. Ansonsten reagiert erratisches Verhalten, etwa wenn Handlanger des Schurken sowohl die eigenen Leute niedermetzeln als auch den Hero angreifen, der Held aus heiterem Himmel verkündet, dass die Geister ihm helfen würden, weil er radioaktiv sei, oder die Figuren irgendwelche schrägen Dinge allein um der Schrägheit willen tun. Beispielsweise wenn der Held beim Aufbruch zu seiner Reise erst ins Auto steigt, ein waghalsiges Fahrmanöver vollführt und dann aus dem Auto springt, um ein klappriges Damenrad zu nehmen. Kurz darauf holt ihn Yasujiro (Tak Sakaguchi), die rechte Hand des Governors, mit der Karre ein und überzeugt ihn, dass er mit dem Auto doch schneller ist. Manchmal kann man eine metaphorische Ebene in dem Treiben suchen, etwa wenn die titelgebenden Gefangenen der Geisterlande die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes anhalten wollen, indem sie ein Seil an den Zeiger der Turmuhr gemacht haben und mit mehreren Leuten sich gegen dessen Fortgang stemmen.
Doch unterm Strich ist „Prisoners of the Ghostland“ eine frustrierende Erfahrung, da all diese Ansatz-Brocken nur hingeworfen, aber nie vernünftig ausgeführt werden. Es ist Planting ohne Pay-Off. Und viele dieser Andeutungen funktionieren auch nur deshalb im Ansatz, weil die ältesten Klischees bemüht werden: Der Vollstrecker, der dem Schurken dient, weil der ein Familienmitglied in seiner Gewalt hat. Der Streit unter Partners in Crime, weil der eine es zu weit trieb. Die Suche nach Vergebung für vergangene Untaten. Sono hat dabei immerhin ein paar nette visuelle Ideen, etwa wenn fliegende Kaugummikugeln als Symbol für bunte, kindliche Faszination eine grausige Tat dienen oder ein Gegner mit dem Kopf in einem Lampion getötet wird, dessen Schirm von innen mit Blut bespritzt wird. Doch „Prisoners of the Ghostland“ erweist sich als große Freakshow, die nicht nur schrill, sondern passagenweise auch ziemlich öde ist, gerade wenn Hero, Bernice und die Gefangenen der Geisterlande rumsitzen und Blech reden.
Immerhin kann der Hauptdarsteller immer mal wieder in den Crazy-Cage-Modus schalten, beim Reden Worte wie „Fuck“ oder „Testicle“ laut durch die Gegend brüllen und sich als wie gemacht für diese Art von absurd-schrillem Kino erweisen, auch wenn andere Filmemacher das Overacting von Nicolas Cage schon gewinnbringender eingesetzt haben. Nick Cassavetes („Blinde Wut“) und Bill Moseley („Slayer: The Repentless Killogy“) folgen dem Beispiel des Hauptdarstellers und geben sich fröhlich schweinigelnd der Überzeichnung hin, auf gelungene Weise. Tak Sakaguchi („Kingdom“) dagegen setzt Akzente mit stiller Gravitas. Nur Sofia Boutella („Hotel Artemis“) wirkt irgendwie hilflos und nur begrenzt überzeugend unter den Hauptdarstellern, während der Rest der Truppe zwar auch meist grelles Overacting abliefert, dies aber nicht mit der Präzision von Cage, sondern auf die eher nervige Weise.
Mit „Prisoners of the Ghostland“ präsentiert sich Nicolas Cage nach „Willy’s Wonderland“ zum zweiten Mal in kurzer Zeit als namenloser Held in einem abgedrehten Film, das Ergebnis ist ähnlich missraten, wenn auch auf andere Weise. Sion Sonos neuester Streich wirkt so, als habe der Regisseure alle Klischees über japanisches Populärkino, inklusive erratischem Figurenverhalten, laut schreienden Charakteren und Schrillheit um der Schrillheit willen, in einem Film bündeln wollen. Ein bärig aufgelegte Cage, ein gelungener Actionshowdown und einige starke Bilder stehen einem frustrierenden Filmerlebnis gegenüber, das zig Dinge anreißt, aber nirgendwo hinführt und phasenweise langweilt.
„Prisoners of the Ghostland“ erscheint hierzulande bei Falcom Media auf Blu-Ray und DVD, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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