In „Project Power“, einem Sci-Fi-Actionthriller von Henry Joost und Ariel Schulman, geht es um eine Wunderdroge, die dem User für fünf Minuten Superkräfte gibt. Joseph Gordon-Levitt als knallharter Cop und Jamie Foxx als geheimnisvoller Ex-Soldat suchen aus unterschiedlichen Gründen nach dem Ursprung der Power-Kapseln, wobei sich ihre Wege kreuzen.
Originaltitel: Project Power__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2020__Regie: Henry Joost, Ariel Schulman__Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Jamie Foxx, Dominique Fishback, Rodrigo Santoro, Amy Landecker, Courtney B. Vance, Machine Gun Kelly, Tait Fletcher, Allen Maldonado, Andrene Ward-Hammond, C.J. LeBlanc, Kyanna Simone Simpson u.a. |
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Jamie Foxx und Joseph Gordon-Levitt spielen die Hauptrollen in dem Sci-Fi-Actionthriller „Project Power“
Netflix setzt verstärkt auf Superhelden: Nach den Serien aus dem Marvel-Hells-Kitchen-Kosmos versuchen nun auch die Film-Eigenproduktionen Kapital aus dem populären Thema zu schlagen, erst „The Old Guard“ und nun „Project Power“.
Das Regie-Duo aus Ariel Schulman und Henry Joost (gemeinsam unter anderem verantwortlich für „Nerve“ und „Viral“) schmeißt das Publikum auch relativ schnell in den Film, wenn ein geheimnisvoller Finsterling eine neue Droge gleich lastwagenweise an die Dealer von New Orleans verteilt und das für lau. Der Clou daran: Die Kapseln geben dem User Superkräfte, jedoch mit zwei Einschränkungen: Zum einen nur für fünf Minuten, zum anderen weiß derjenige nicht, welche Kräfte er erhalten wird. Das ist schon einmal eine interessante Prämisse, zumal die Einnahme der Droge auch tödlich verlaufen kann, auch wenn der Film hier nicht komplett freidreht: Mit jeder Einnahme bekommt man die gleiche Superkraft wie zuvor, weshalb man eine gewisse Sicherheit hat.
Dadurch laufen natürlich jede Menge aufgepowerte Kriminelle durch die Straßen der Stadt, weshalb der Polizist Frank Shaver (Joseph Gordon-Levitt) einen typischen Ermittlungsansatz des Cop-Actionfilms wählt: Um die Gangster zu besiegen, muss man ihre Methoden anwenden. Also schluckt auch der Gesetzeshüter Power-Kapseln, die er von der jungen Dealerin Robin (Dominique Fishback) erhält. Seine Kraft: Kugelsichere Haut. Als dies Captain Crane (Courtney B. Vance) auffällt, ist Frank natürlich in Schwierigkeiten. Zum Glück reagiert der Vorgesetzte auch in typischer Cop-Action-Manier und lässt seinen besten Mann unter der Hand weiter ermitteln und gibt ihm den Hinweis auf Art (Jamie Foxx).
Art macht allerdings selbst Jagd auf die Power-Dealer, um an die Quelle zu kommen, denn er hat ganz persönliche Motive für die Suche nach dem Ursprung. Bald stößt er auf Robin als Verbreiterin der Droge, sodass sich die Wege der drei Protagonisten zwangsläufig kreuzen…
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„Project Power“ erinnert an jene Filme, in denen Superkräfte (oft in Folge von Experimenten) keine klassischen Helden entstehen lassen, sondern Leute, die sich damit durchs Leben schlagen, so wie etwa „Push“ oder „Code 8“. Egal ob Krimineller oder Gesetzeshüter, die Fähigkeiten sind nur ein Boost für das, das man eh tut. Daher ist auch die Optik weniger auf Hochglanz poliert, eher etwas düsterer, und man bewegt sich durch nächtliche Gassen, Frachtschiffe und Clubs, so wie das Personal eines Crime- oder Cop-Films. Aus diesen Gefilden könnten auch die Hauptfiguren stammen: Der geheimnisvolle Loner auf einsamer Mission, der Cop mit eisernem Ehrenkodex und Gerechtigkeitswillen, die Jugendliche ohne Vater, die mit kriminellen Aktivitäten Geld für sich und ihre kranke Mutter verdient.
Dummerweise entwickeln die Figuren auch kaum Profil über diese Beschreibungen heraus, vor allem Frank. Art hat immerhin noch seine Hintergrundgeschichte, die aber auch in erster Linie in der Tradition von „Commando“ und „Taken“ vom rachsüchtigen Vater auf der Suche nach seiner Tochter erzählt, sodass Robin am ehesten noch ausgearbeitet wird. Aber sie ist eher eine Randfigur, die ein paar Informationen liefert, zwischendrin in Gefahr gerät und fürs menschelnde, aber sehr forciert wirkende Drama sorgen soll. Ähnlich erzwungen wirken dann auch ihre Rap-Einlagen, wenn sich das streetsmarte als talentierte Vertreterin des Sprechgesangs entpuppt, was letztendlich aber wenig bis gar keine Bewandtnis für den Plot hat.
Der macht sowieso nicht genug her, als dass er die Laufzeit von knapp zwei Stunden rechtfertigen würde. Zu generisch ist die Geschichte um die unheilige Allianz aus Gangstern und Regierungsbutzemännern, die ein illegales Experiment in freier Wildbahn durchführen. Ein Verräter ist natürlich die Person, die es in solchen Filmen immer ist. Vor allem aber spielen die Superkräfte eine enttäuschend untergeordnete Rolle: Meist schmeißen die Figuren ihre Pille vor der nächsten Actionszene, damit sich zwei Superwesen was auf die Zwölf geben können, sonst wird aber so gut wie nichts daraus macht. Themen wie Abhängigkeit oder Schäden durch exzessiven Konsum werden nur am Rande angerissen, als Art zu Beginn den Dealer Newt (Machine Gun Kelly) stellt, Gefahren durch die Kapseln wie spontane Selbstdetonation werden auch nur für den gelegentlichen Knalleffekt (im wahrsten Sinne des Wortes) genutzt.
Auch die Action ist durchwachsen. Auf der einen Seite gibt es durchaus famose Sequenzen: Etwa den Fight gegen einen Schurken, aus dessen Körper lauter gefährliche Knochenspitzen jagen, oder das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Art und Newt in und um mehrere Etagen eines Gebäudes. Dann gibt es wiederum Szenen, die ziemlich verhauen sind, etwa eine Schießerei in einem Club, die lediglich im Hintergrund zu erahnen ist. So etwas mag als Auftaktgag in einem selbstironischen Comicspektakel wie „Guardians of the Galaxy 2“ funktionieren – hier wirkt es in der Filmmitte reichlich deplatziert. Zumal die Szene eh etwas konfus ist, wenn kaum auseinander zu haltende Schurkengruppen aufeinander schießen und die Helden im Kreuzfeuer landen, man aber nie so recht weiß, wer jetzt gerade auf wen ballert.
Zudem ist die Kreativität bei den Superkräften ebenfalls limitiert. Zwar mögen Verlage wie DC, Marvel oder Dark Horse inzwischen so gut wie jede Superkraft verwendet haben, aber die meisten Transformationen in „Project Power“ orientieren sich an ganz besonderes bekannten Superwesen: Kugelsichere Haut (Luke Cage, Superman), auf Riesengröße anwachsende Wüteriche (Hulk, Venom), Feuer (The Human Torch, Pyro), übermenschliche Stärke (jeder zweite Superheld) – da wirkt ein Kontrahent mit Gummigelenken regelrecht kreativ, selbst wenn man darin Spurenelemente von Mister Fantastic erkennen kann. Immerhin visualisiert das Regieduo die Power-Trips und die Action recht dynamisch, sodass „Project Power“ über einige Strecken Oberflächenkurzweil bietet.
Das kann allerdings kaum verbergen, dass die Darsteller reichlich unterfordert sind. Es ist schön Joseph Gordon-Levitt („Snowden“) in der für ihn ungewohnten Harter-Hund-Rolle mit offen angesprochenen „Dirty Harry“-Bezügen zu sehen, doch viel mehr als markige Posen muss er dabei nicht leisten. Jamie Foxx („Baby Driver“) als Ex-Soldat und verzweifelter Rächer macht einen soliden Job, muss aber auch keine Glanzleistung vollbringen, während sich Dominique Fishback („The Hate U Give“) ins Zeug legt, jedoch kaum mehr als ein besserer Sidekick ist. Courtney B. Vance („Die Mumie“) agiert sich okay durch seine wenigen Szenen, die Fieslingsriege rund um Amy Landecker („The Hunter’s Prayer“), Rodrigo Santoro („69 Tage Hoffnung“) und Tait Fletcher („John Wick“) macht auch keinen schlechten Job, muss aber ebenfalls damit kämpfen, dass sie nur relativ egale 08/15-Schurken darstellen.
„Egal“ ist eh ein gutes Wort, um „Project Power“ zu beschreiben. Der Sci-Fi-Actionthriller zwischen „Ohne Limit“ und „X-Men“ sieht gut aus, hat ein paar schicke und ein paar versaubeutelte Actionszenen, aber läuft ohne nennenswerte Halbwertszeit rein und wieder raus. Zu wenig wird aus der interessanten Prämisse gemacht, da das Drehbuch in Sachen Charakterentwicklung und Storyverlauf nur formelhafte Stereotypen zu bieten hat. Nichts daran ist so wirklich schlecht, aber nichts daran weckt so wirklich großes Interesse.
Als Netflix-Eigenproduktion ist „Project Power“ nur dort zu finden und wurde nicht offiziell von der FSK geprüft. Der Streamingdienst empfiehlt eine Freigabe ab 16 Jahren.
© Nils Bothmann (McClane)
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