Originaltitel: Proud Mary__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Babak Najafi__Darsteller: Taraji P. Henson, Billy Brown, Danny Glover, Neal McDonough, Xander Berkeley, Margaret Avery, Jahi Di’Allo Winston, Rade Serbedzija, Owen Burke u.a. |
Alle Jahre wieder kommt das Blaxploitationgenre in Mode: 1996 versuchte Larry Cohen mit „Original Gangstas“ eine Neuversion mit Altstars des Genres, Quentin Taratino zollt dem Genre 1997 mit „Jackie Brown“ Tribut und mit Werken wie „I’m Gonna Git You Sucka“ oder „Black Dynamite“ parodierte man das Ganze. Nach der Marvel-Adaption „Luke Cage“ versucht nun „Proud Mary“ das Genre fürs neue Jahrtausend zu modernisieren.
Wobei in erster Linie der knallige Vorspann und die Postergestaltung auf weiblich zentrierte Blaxploitation-Klassiker wie „Coffy“ und „Foxy Brown“ anspielt. Mary (Taraji P. Henson) ist jedoch keine private Rächerin wie Pam Griers Paraderollen, kein Private Eye wie Shaft und kein Dealer wie Superfly, sondern eine Profikillerin, die man in der Auftaktszene bei ihrem Tagewerk sieht, wenn sie in Verkleidung bei einem Buchhalter auftaucht, diesen umnietet und dessen Sohn Danny (Jahi Di’Allo Winston) aber am Leben lässt, da sie keine Kinder töten will und der in sein Videospiel vertiefte Junge weder den Auftragsmord noch sie wahrnimmt.
Ein Jahr später arbeitet Danny als Laufbursche und Drogenverkäufer für einen Dealer namens Uncle (Xander Berkeley), der ein hartes Regime führt und seine minderjährigen Angestellten hungern lässt. Als Danny auf offener Straße zusammenbricht, nimmt Mary, die aufgrund nagender Schuldgefühle ein wachsames Auge auf den Jungen wirft, ihn mit nach Hause und päppelt ihn auf. Sollte man als Zuschauer, der schon mehr als drei Gangster- oder Actionfilme gesehen hat, nicht sofort erkannt haben, dass der Laufbursche der Youngster aus der Eingangssequenz ist, so hat man spätestens an diesem Punkt Gewissheit, noch ehe Mary und der Film es offen aussprechen, denn „Proud Mary“ ist komplett aus bekannten Genreversatzstücken zusammengesetzt.
Als Mary ihren Schützling aus Uncles Klauen freikaufen will, kommt es zum Streit, worauf Uncle und seine Leibwächter tot sind – ein schwerer Verstoß gegen die ungeschriebenen Gangregeln der Stadt. Schon bald droht ein Bandenkrieg, weshalb Mary ihre Rolle vor Benny (Danny Glover), dem Paten ihres Clans, geheim halten muss…
httpv://www.youtube.com/watch?v=kQ1Zcv54USA
„Proud Mary“ ist ein wenig ambitionierter Crime-Action-Reißer, der kaum als Update des Blaxploitationfilms taugt. Zwar läuft mal entsprechende Musik, etwa bei einem mit Tina Turners Song „Proud Mary“ untermalten Scharmützel, doch ansonsten unterscheidet „Proud Mary“ wenig von artverwandten Hit(wo)man-Thrillern wie bei dem ähnlichen, aber deutlich besseren „Wrong Turn at Tahoe“. Vielleicht auch, weil der 1980er Gangsterthriller „Gloria“ (der schon 1999 erfolglos geremaket wurde) Pate stand und kein waschechter Blaxploitationfilm, vielleicht aber auch, weil weder die Regie von Babak Najafi, der bereits „London Has Fallen“ in den Sand setzte, noch das Drehbuch von John Stuart Newman, Christian Swegal und Steve Antin irgendwelche Ambitionen über biederes Handwerk hinaus erkennen lässt, wobei letzterer bereits das „Gloria“-Remake schrieb.
Dass „Proud Mary“ dabei ganze drei Drehbuchautoren benötigte, ist fast schon verwunderlich, denn hier ist jede Figur und jeder Handlungsstrang dermaßen aus dem Setzbaukasten, dass ein Computerprogramm für Standardscripts es nicht stereotyper zusammensetzen könnte. Benny will seinen Schützling nicht gehen lassen, sowohl er als auch seine rechte Hand Tom (Billy Brown), der Marys Ziehbruder und Ex-Lover ist, riechen bald Lunte, während Mary verzweifelt versucht Spuren zu verwischen und Dannys Identität zu verschleiern, was natürlich nur bis zum Schlussspurt gutgeht. Der Bandenkrieg wird unmotiviert eingestreut, die Figur von Uncles Boss Luka (Rade Serbedzija) verschwindet irgendwann spur- und kommentarlos aus der Handlung, während jeder halbwegs genreerfahrene Zuschauer den Fortlauf der Geschichte problemlos voraussagen kann.
Dazu begeht „Proud Mary“ noch den Kardinalfehler zu denken, dass zwei größere Actionszenen ausreichen würden um das Ganze herauszureißen, von ein paar kleinen Morden und Schusswechseln mal abgesehen. Die beiden ausgiebigeren Shoot-Outs können sich durchaus sehen lassen, gerade wenn Mary im Finale im „John Wick“-Stil aufräumt, auch wenn sie weder an die atemberaubende Choreographie des Keanu-Reeves-Hits heranreicht noch ihr ähnlich große Gegnermaßen entgegenstehen. Ein Witz dagegen ist der Abschluss des Showdowns, wenn Mary ihren Finalgegner einfach niederschießt, es keine große Konfrontation gibt, die als Höhepunkt zwingend notwendig gewesen wäre. Aber mit gelungener (Action-)Dramaturgie hatte augenscheinlich keiner der Beteiligten etwas am Hut.
Da ist es natürlich schade um das Casting, das charismatische Darsteller wie Neal McDonough („The Marine 3: Homefront“), Xander Berkeley („Die Vorsehung“) und Rade Serbedzija („Taken 2“) in unwürdigen Kleinrollen verschenkt. Taraji P. Henson („Term Life“) macht sich ganz gut in der Hauptrolle, auch wenn sie als toughe Polizistin in „Person of Interest“ noch mehr Action-Credibility hatte, während sie hier etwas zu wankelig zwischen kalter Killerin und emotionaler Ersatzmutter mit Ausstiegswunsch schwankt. Danny Glover („Gridlocked“) ist auch als Schurke eine sichere Bank, Billy Brown („Sons of Anarchy“) ist okay als gekränkter Ex-Freund, während Nachwuchsdarsteller Jahi Di’Allo Winston („Everything Sucks!“) weder groß nervt noch viel Eindruck hinterlässt.
Wenn Winstons Figur Danny einmal im Fernsehen „Bad Boys 2“ anschaut, dann mag das als Hommage an das Actionkino schwarzer Ausprägung gedacht sein, zeigt dem Zuschauer aber auch auf, was er besseres aus der Sparte gucken könnte. Denn „Proud Mary“ ist formelhaft bis ins Letzte, dadurch wenig spannend und verschenkt seine gute Besetzung teilweise. Da retten auch zwei gelungene Shoot-Outs nur wenig, zumal die Action zahlreicher sein könnte und die Vorbilder mehr Pep haben.
Sony veröffentlicht „Proud Mary“ in Deutschland auf Blu-Ray und DVD, ungekürzt ab 18 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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