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Pulp Christian!

Die Bibel. Das Buch der Bücher. Die „Heilige Schrift“. Und gleichzeitig ein Buch voller Exzesse und Wahnsinn. Findet zumindest Autor Mario Urban, der sich für sein Buch „Pulp Christian! – Das ultimative Soap-Opera-Trash-TV-Porno-Horror-Buch: Ein neuer Führer durch die Bibel“ intensiv mit der Bibel und dabei sowohl mit dem Alten als auch dem Neuen Testament beschäftigte. Er fördert infolgedessen große, epische Geschichten zutage, die geprägt sind von einer ordentlichen Portion Trash, hartem Splatter, exzessivem Sex, wegweisenden Special Effects und einigen haarsträubenden Anschlussfehlern. Man könnte auch von einem übergroßen B-Film sprechen…

„Pulp Christian!“ – Die pulpigen Seiten der „Heiligen Schrift“

„Die meisten Christen vermeiden eine kritische Hinterfragung ihres Glaubens. Es ist nämlich einfacher zu glauben, wenn man nicht denkt. Umgekehrt übrigens auch.“ Mario Urban

Pulp Christian

“Pulp Christian!” sucht nach den abgefahrenen Geschichten innerhalb des Alten und des Neuen Testaments. Copyright: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Mario Urban (Jahrgang 1983) begann sich während seines Studiums erstmals mit der Bibel und dem Juden- und Christentum zu beschäftigen und stolperte schon da über die unterhaltsamen Seiten der zugrundeliegenden religiösen Schriften. Daran wollte er uns teilhaben lassen und sammelte all seine Erkenntnisse in seinem Buch „Pulp Christian!“. Dieses beginnt wie eine Art Ratgeber. Stellt es doch zusammen, welche Empfehlungen für unser Handeln die Bibel für unseren Alltag bereithält. Die Kapitel tragen dabei vielsagende Titel wie: „Wie man seine Sklaven richtig schlägt“ oder „Wie man seine Kinder richtig schlägt“. Nun trägt Urban zusammen, was er in der Bibel in Bezug auf diese Themen auffinden kann und filtert natürlich vor allem die abstrusen Inhalte heraus…

Selbstverständlich findet sich in dem Zusammenhang auch ein Kapitel, das ausschließlich auf die menschliche Sexualität fokussiert: So gehen laut Urbans Interpretation Massenvergewaltigungen ab und an durchaus in Ordnung und ist Selbstbefriedigung bäh. Wer mit einer menstruierenden Frau Sex hat, gehört wie die Frau ausgerottet. Und Schwule sollte man sowieso lynchen. Sagt die „Heilige Schrift“. Und das nicht einmal verklausuliert oder irgendwie anders deutbar. Männer in Frauenklamotten sind im Übrigen genauso wenig ok wie Frauen in Männerklamotten. Zumindest da geht es in den religiösen Schriften fair zu. Freilich weist Urban in diesem Kapitel auch auf den größten Goof überhaupt hin, wonach Sex mit nahen Verwandten eigentlich grundsätzlich verboten sei. Dumm nur, dass laut Bibel wir allesamt von den gleichen zwei Personen abstammen…

„So dürfen Adam und Eva zwar nicht mehr im Garten Eden leben, doch immerhin erleben sie den Traum jeder Eltern: Sie dürfen mit ansehen, wie ihre Kinder aufwachsen und miteinander weitere Kinder zeugen.“ Mario Urban

Und ähnlich angeschrägt geht es weiter. So ist es vom Sex zum Problemfall Frau kein weiter Weg. Folgerichtig fragt Urban direkt nach dem Sexkapitel, „wie der liebe Gott eigentlich auf die Schnapsidee kam, Weiber zu erschaffen?“ Hier wird es dann wundervoll seltsam. Wie Urban bei seinem Studium der Bibel erfahren musste, waren Frauen per se eigentlich gar nicht im Schöpfungsplan vorgesehen. Zudem stellt er fest, dass Frauen, die in den religiösen Geschichten selbstbestimmt handelten, so dies überhaupt mal vorkam, immer negativ gezeichnet wurden. Und natürlich waren sie immer Eigentum der Männer – meist ihrer Väter – und nur zum Gebären gut. Zum Glück für die Frauen waren die Vertreter der Emanzipationsbewegung vermutlich allesamt nicht sehr gläubig. Auch Tierschützer müssten mit der „Heiligen Schrift“ eigentlich ihre liebe Not haben. Dort sind Tiere nur Statussymbole, Lasttiere und Blutspender für Opferungen. Von der hinterlistigen Schlange im Paradies ganz zu schweigen. Und last but not least sind natürlich auch die Zehn Gebote ein langes Thema…

Nachdem Urban all die biblischen Handlungsempfehlungen auf ihre Anwendbarkeit in unserer heutigen Zeit abgeklopft hat, schaut er, wie die Handelnden in den Geschichten der Bibel selbst die hoch moralischen Ratschläge befolgten. Seid gewiss, da passt nicht viel zusammen…

„Dabei ist es so einfach, die Stimme Satans und die Stimme des lieben Gottes zu unterscheiden! Der eine stachelt uns zu Kriegen auf, befiehlt Völkermorde und erlaubt es, im Krieg gefangene Zivilisten zu lebenslangen Sklaven zu machen… Der andere ist der Teufel.“ Mario Urban

Mit feinem Witz, viel Ironie und beißendem Sarkasmus nimmt Urban die „Heilige Schrift“ so richtig auseinander. Dabei werden bekannte und nicht so bekannte Storys hergenommen und durchaus kritisch hinterfragt, während der grundlegende Ton immer ein beißender, leicht spöttelnder ist, der teilweise fast schon zu lapidar daherkommt.

Das Buch ist dabei ein äußerst umfangreicher (fast 400 Seiten) Mix aus Bibelzitaten und direkt folgenden oder vorangestellten Kommentaren Urbans, der die Zitate einordnet oder schlicht übersetzt/deutet. Dabei bleibt einem oft schier der Mund offenstehen, welche unglaublichen Fakten und Geschichten da in welcher Form Eingang in die „Heilige Schrift“ gefunden haben. Und es ist schon erschreckend, was man, wenn man es wollen würde, in bestimmte Kapitel hinein interpretieren könnte. Genau das wird bei „Pulp Christian!“ nebenbei mit am Deutlichsten: Religion ist manchmal genau das, was man selbst hineinliest oder hineinlesen möchte. Die Folgen leben wir leider aktuell…

Seine brillantesten Momente hat „Pulp Christian!“ immer dann, wenn Urban die Lehren und Handlungsanweisungen der Schriften auf die heutige Zeit überträgt und mit lakonischem Tonfall herausstellt, wie verkommen wir inzwischen doch alle sind, legt man die Maßstäbe der Bibel an. Ebenfalls schlichtweg großartig sind die Inkonsistenten, die innerhalb der Bibel und ihren Schriften bestehen. Absolut gelungen ist dahingehend ein fiktiver Gedankenaustausch der Verfasser der vier Evangelien. Spätestens hier wird jeder noch so humorresistente Leser vermutlich die Segel streichen und kopfschüttelnd losprusten müssen.

„Alle müssen gesteinigt werden! Das ist die wichtigste Lektion, die wir aus dieser Bibelstunde ziehen können. Und dass wir nicht töten sollen, natürlich.“ Mario Urban

Zu schimpfen gibt es über das Buch nicht viel. Ich habe eher ein grundlegendes Problem mit seiner Form. So brillant die Idee der Kommentierung von Bibelzitaten auch ist, sie ist in der Umsetzung etwas anstrengend. Denn für den Leser sind die Wechsel zwischen den im übersetzten Originalwortlaut belassenen Zitaten und den teilweise flapsigen, umgangssprachlichen Kommentaren wirklich schwierig. Zumal man viele Bibelzitate tatsächlich mehr als einmal lesen muss, um sie wirklich zu verstehen. Das lässt einen das Buch immer mal wieder leicht konsterniert aus der Hand legen.

Ansonsten liefert „Pulp Christian!“ genau das, was der Untertitel verspricht: Soap Opera, Trash, Porno und Horror satt. Natürlich setzt das Buch ein aufgeschlossenes Publikum voraus, das die „Heilige Schrift“ nun nicht unbedingt als genau das ansieht. Denn in „Pulp Christian!“ wird schon die eine oder andere heilige Kuh geschlachtet und einige Kommentare Urbans dürften manch treuem Christen deutlich zu weit gehen. Doch hey, die Hardcore Christen dürfen einfach das Original lesen und für sich herausziehen, was ihnen wichtig ist. Alle anderen erleben dank dem Buch einen teilweise augenöffnenden, immer unterhaltsamen Trip, der bei aller Ironie und vielen offensiven Lachern auch eine ordentliche Portion Nachdenklichkeit provoziert…

Alle Informationen zu „Pulp Christian!“

Pulp Christian! – Das ultimative Soap-Opera-Trash-TV-Porno-Horror-Buch: Ein neuer Führer durch die Bibel
Mario Urban
Broschiert: 384 Seiten
Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf (1. April 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3862654826

Bestellt Pulp Christian

In diesem Sinne:
freeman

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