Am 26. Januar 2016 beehrten ein Filmlexikon auf zwei Beinen, ein Kopfgeldjäger und eine oscarnominierte Verbrecherin Berlin und stellten ihren neuen Film „The Hateful 8“ vor. Die im Film aneinander geketteten Kurt Russell und Jennifer Jason Leigh wussten auf der offiziellen Pressekonferenz viel über den Film zu berichten und erlaubten einige Blicke hinter die Kulissen der Dreharbeiten. Doch die Highlights setzte natürlich Quentin Tarantino, der in seinen Antworten vom Kleinen ins Kleinste kam, zu wirklich allem eine Anekdote beizutragen hatte und mit einem schier unendlichen Filmwissen auftrumpfte. Eines merkte man allen drei Stargästen an: Sie brannten für ihren Film.
Wie ein altes Ehepaar – Ein aneinander gefesseltes Ehepaar
Kurt und Jennifer, wie war es, während der gesamten Dreharbeiten aneinander gefesselt zu sein?
Jennifer Jason Leigh: Zunächst haben wir uns darüber gar keine großen Gedanken gemacht. Doch schnell fiel uns auf, dass diese Situation deutlich komplizierter ist, als gedacht. Denn wenn ich etwa in diese Richtung wollte, wollte Kurt in die andere… Aber innerhalb von drei Tagen funktionierten wir – und damit auch John und Daisy – wie ein altes Ehepaar. Es war eine Art Tanz geworden. Ein müheloser obendrein. Und sobald wir nicht mehr aneinander gebunden waren, vermisste ich Kurt schrecklich.
Kurt, sie mussten Jennifer mehrere Male heftig verprügeln…
Kurt Russell: Wenn du ein Kopfgeldjäger in dem Alter von John Ruth bist und du bist immer noch am Leben, hast du etwas richtig gemacht und weißt diverse Sachen einfach mit Bestimmtheit. Etwa: Wenn du die Flüchtigen lebend ablieferst, dienst du den Grundfesten der amerikanischen Justiz, ganz egal wie unwichtig oder schlecht du als Mensch bisher auch gewesen sein magst. Und John glaubt daran. Gleichzeitig bringt ihm das eine Menge Probleme ein, denn es ist oft nicht leicht, die Verbrecher am Leben zu halten. Eine Grundlage dafür ist die Festlegung wichtiger Regeln. Dazu gehörte in diesem Fall, dass John Daisy genauso behandeln muss, als wäre sie ein zwei Meter hoher Kerl. Ruth kann ihr gegenüber gar nicht gnädiger oder humaner sein, nur weil sie eine Frau ist.
Das geleakte Drehbuch von „The Hateful 8“ erwacht ein einziges Mal zum Leben
Jennifer, du warst im April 2014 mit 1500 anderen Zuschauern im Ace Hotel Theatre, als Quentin, Kurt, Michael Madsen und einige andere Schauspieler das Drehbuch zu „The Hateful 8“ live lasen. Was hast du über das Drehbuch gedacht, als du es auf diesem Wege zum ersten Mal dargeboten bekommen hast?
Jennifer Jason Leigh: Es war definitiv eine großartige Nacht im Ace Hotel Theatre. Es hat Spaß gemacht, Quentin zuzuschauen, wie er zum einen alle Bühnenanweisungen/szenischen Beschreibungen aus dem Drehbuch las und gleichzeitig die Schauspieler live auf der Bühne dirigierte. Das Drehbuch war einfach brillant. Es funktionierte einfach toll. Wäre das Ganze am nächsten Abend noch einmal aufgeführt wurden, ich wäre wieder hingegangen. Die Lesung war unglaublich unterhaltsam, sie verflog im Nu. Es war wie mit gutem Essen, von dem man möchte, dass es nicht zur Neige geht. Einen Monat später bekam ich dann den Anruf, dass man mich gerne im Film dabei hätte.
Kurt Russell: Für mich war das eine interessante Zeit. Ich bekam eines Tages einen Anruf von Quentin: „Ich habe da ein Skript geschrieben und ich möchte dazu eine Lesung durchführen. Möchtest du da mitmischen?“ Das klang nach Spaß für mich. Und ich kannte das Procedere schon von anderen Regisseuren. Man kommt zusammen mit Freunden, liest das Drehbuch und arbeitet die Stärken und Schwächen des Drehbuchs heraus, sieht, ob es funktioniert. Genau das hatte ich da auch erwartet. Auf einmal wurden am Donnerstag vor der Lesung Proben angesetzt. „Wow“, dachte ich, „Quentin meint es ziemlich ernst damit, das Drehbuch in Form zu bekommen“. Also lasen wir das Drehbuch am Donnerstag und hatten eine großartige Zeit. Da wurden für den Tag darauf noch einmal Proben angesetzt. Ich dachte nur: „Mann, der meint es wirklich ernst.“
Am Freitag bekam ich dann mit, dass wir mit dem Drehbuch arbeiteten, das geleakt wurde! Da war mir klar, dass Quentin dieses Drehbuch, das er eigentlich ad acta gelegt hatte, wenigstens ein einziges Mal „aufführen“ wollte. Dann bekam ich mit, dass da 1500 Zuschauer dabei sein sollten und ich dachte nur: „Oh, wow, ok, das wird eine richtige Performance!“ Am Tag der Lesung fragte ich Quentin dann, ob er sich die Lesung eben als Lesung wünsche oder als eine Art schauspielerische Darbietung.
Er antwortete: „Irgendwie beides. Spiel es für die Zuschauer und ich möchte sehen, wie es funktioniert.“ Es war eine wirklich lustige Nacht und das Publikum hatte eine gute Zeit. Das besondere Goodie für die Zuschauer war, dass sie live dabei sein konnten, wie Quentin, der in seiner Rolle des Erzählers übrigens komplett als Cowboy verkleidet war, mit den Schauspielern arbeitete, wie sie auf ihn reagierten und wie er die Einzelteile zusammenführte. Ich denke, das gab dem Abend eine gewisse Magie.
Quentin Tarantino: Ja, das war wirklich ein großartiger Abend! (Und mehr noch, die Reaktionen des Publikums überzeugten Tarantino final, doch noch „The Hateful 8“ umzusetzen.)
Kurt Russell und das Westerngenre
Kurt, du hast unlängst einen anderen Western auf den Weg gebracht: „Bone Tomahawk“. Und du hast Tombstone gedreht. Was liebst du am Westerngenre?
Kurt Russell: Nun, als ich angefangen habe mit dem Filmen, haben junge Leute mehr Arbeit bekommen, wenn sie reiten konnten, auf einem Pferd durch Zuckerglas sprangen oder irgendetwas anderes auf einem Pferd tun konnten. Also lernte ich es von Grund auf. So kamen auch Fantasien auf, Rinder zu züchten und ein Rancher zu sein. All das ging in meine DNA über und ich kann es nicht verleugnen, dass ich mich in diesem Umfeld sehr wohl fühle.
Jennifer, du hängst den ganzen Film eng an Kurt. Hast du dir zur Vorbereitung auf den Film Filme mit Kurt angeschaut? Und wenn ja, welchen Film mochtest du am meisten?
Jennifer Jason Leigh: Das ist eine unmöglich zu beantwortende Frage. Ich habe viele Filme von ihm gesehen. Ich mag sein Schauspiel. Aber einen herauszupicken, fällt mir wirklich schwer. Am Anfang der Dreharbeiten zeigte uns Quentin „The Thing“, einen meiner absoluten Lieblinge, den ich schon mehrere Male gesehen habe. Aber Filme des Schauspielpartners als Vorbereitung auf eine Zusammenarbeit anzuschauen, wäre aus meiner Sicht ein riesiger Fehler. Man würde eine verklärte Sicht auf den Kollegen bekommen. Und Daisy hat keinen verklärten Blick auf John Ruth. Was aber brillant war, waren die Trailer, die uns Quentin zusätzlich zeigte. Diese umfassten die ganz frühen Arbeiten von Kurt. *lachen*
Quentin Tarantino zu dem Fragesteller: Ich denke, ich kenne deinen Lieblingsfilm von Kurt, denn ich sehe Snake Plissken auf deiner Handyhülle. *lachen*
Keine Schwäche zeigen – Jennifer Jason Leigh erarbeitet sich den Zugang zu Daisy
Jennifer, wir wissen, dass du dich gerne in deine Figuren hineinarbeitest. Was hast du gemacht, um dich in Daisy hineinzufinden?
Jennifer Jason Leigh: Das wichtigste am Set eines Quentin-Tarantino-Filmes ist, dass du seine Dialogzeilen rückwärts und vorwärts aufsagen kannst. Und er hat recht damit. Denn nichts kann überzeugend zum Leben erweckt werden, wenn du immer nur daran denkst, was deine nächste Dialogzeile ist. Er wollte es einfach so organisch wie möglich haben. Natürlich habe ich auch Informationen über diese Zeitperiode gelesen. Aber so haben wir Daisy nicht gefunden. Wie das gelungen ist, kann ich nicht einmal erklären. Es hängt stark mit der Zusammenarbeit mit Kurt, Samuel L. Jackson und natürlich Quentin zusammen. Daisy ist ein Gemisch aus Quentin und mir in meinem Körper. Auf eine ziemlich schräge Art und Weise.
Interessant ist auch, dass ich vor dem Film noch niemals Gitarre gespielt habe und es für den Film erlernen musste. Und Quentin hatte das Vertrauen in mich, dass ich es schaffen würde. Und wenn er das tut, kann man nicht einfach sagen: Nein, das wird nichts. Also versuchte ich es und lernte das eine Stück, das ich spielen musste. Das spielte ich einer Freundin vor, die eine gute Gitarristin ist und daraufhin nur meinte, dass dies ein sehr schwieriges Stück sei. Dann kam eine lange Pause und sie meinte: „Ich denke, du schaffst das.“
Mir half diese Erfahrung sehr. Ich hatte wirklich große Angst, zu scheitern, durfte das aber nicht zeigen. Ich fühlte mich verwundbar, durfte das aber auch nicht zeigen. Und genau mit diesen Empfindungen hat auch Daisy zu kämpfen: Sie würde John Ruth niemals zeigen, dass sie Angst hat, zu sterben. Obwohl diese Angst da ist. Sie würde ihm nie ihre verwundbaren Seite zeigen. Obwohl diese da sind. Und diese Verbindung hinsichtlich unserer Unsicherheiten, die wir vor anderen verbergen müssen, ließen mich in Daisys Kopf hinein.
Quentin Tarantino: Nachdem Jennifer für die Rolle vorgesprochen hatte, maß ich unbewusst alle folgenden vorsprechenden Damen an Jennifers Leistung. Würden sie die Tücken der Rolle so gut händeln, wie sie es tat? Das beeindruckte mich so sehr, dass ich unmittelbar nach dem Vorsprechen ein Jennifer-Jason-Leigh-Filmfestival durchführte. In den meisten Fällen sah ich ihre Filme zum wiederholten Mal: „Mrs. Parker and the vicious circle“, „Georgia“, „eXistenZ“, „Last exit to Brooklyn“. Dann sah ich Filme, die ich noch nicht kannte, wie „The Men’s Club“ oder „Heart of Midnight“.
Ich hatte also dieses Jennifer-Jason-Leigh-Filmfestival und ich habe es geliebt. Es war so unterhaltsam, dass ich den jeweils nächsten Film gar nicht mehr abwarten konnte. Ich hatte einfach eine großartige Zeit und eigentlich brauchte ich gar keine Erinnerung daran, was sie für eine kraftvolle Schauspielerin ist, aber ich bekam sie. Ich denke, was ich so sehr an den Filmen mochte, war, dass die Filme rund um ihre Performance aufgebaut waren. Selbst die anderen Darsteller und ihre Figuren wurden nur um ihre Performance herum aufgebaut. Und diese Performance war so groß. Und das brauchte ich für Daisy.
Aber ich brauchte noch etwas. Etwas, was Jennifer niemals tun würde, weil es nicht ihr Stil ist. Nehmen wir Daisy her. All die hässlichen Sachen, die sie sagt und tut. Mir war wichtig, eine Schauspielerin zu finden, die es nicht zu ihrer Mission macht, aus Daisy etwas Anderes zu machen. Ich brauchte eine Darstellerin, die Daisy nicht verurteilt. Das wäre das Ende für Daisy gewesen. Und Jennifer würde niemals ihre Figuren verurteilen.
Die beste Zeit am Set seit „Kill Bill“ und das Konzept der Rache
Quentin, wie würdest du die Reise von der Idee zu „The Hateful 8“ bis zum fertigen Film umschreiben?
Quentin Tarantino: Nun, die Leute haben viel geredet: Über die Verbreitung des ersten Drehbuchs im Internet. Meine Entscheidung, den Film genau deshalb nicht machen zu wollen. Mein Umdenken. Das klingt schon, als hätten wir ein Tal der Katastrophen durchschritten. Oder die Probleme mit dem Schnee. Als es im eigentlich schneesicheren Colorado partout nicht schneien wollte. Was uns zwang, einen Monat länger in Colorado zu drehen, als geplant. Aber genau das machte den Film um ein 50faches besser, weshalb ich froh bin, dass es gelaufen ist, wie es nun einmal gelaufen ist. Denn auf einmal hatten wir genau das Wetter, das wir brauchten und was ihr nun im Film sehen könnt.
Dennoch waren wir nach den ersten Monaten in Colorado froh, dann wieder im Studio arbeiten zu können, weil wir hier mehr Kontrolle über alles hatten. Aber ich sehe die Zeit gar nicht als eine Abfolge von Hindernissen. Im Gegenteil: Ich hatte bei den Dreharbeiten die beste Zeit seit „Kill Bill“. Die Darsteller und ich, wir fühlten uns einfach glücklich mit dem Material. Wir waren zuversichtlich, dass es funktionieren würde. Und wir probten viel damit, so dass es uns ins Blut überging. Kurzum: Wir hatten einfach an jedem Tag Spaß.
Meine Darsteller kannten das Material, sie kannten ihre Charaktere. Ich hätte beispielsweise erwartet, dass ich am Set sitzen würde und die Dynamik zwischen den aneinander gefesselten Charakteren ausarbeiten müsse: „Wenn er das macht, musst du dich ‘aufrollen’ wie ein JoJo oder dich in diese Richtung bewegen.“ Aber ich musste einfach nur dasitzen und zusehen. Sie haben all das von alleine gemacht. Für mich war es einfach eine tolle Zeit und ich denke nur noch an die guten Sachen. All die Probleme haben sich längst in Luft aufgelöst.
Was denkst du persönlich über das Konzept der Rache und warum hast du so viele Charaktere geschrieben, die von Rache angetrieben werden?
Quentin Tarantino: Rache im echten Leben ist, was immer sie ist. Sie ist vermutlich töricht und sehr ähnlich zu dem, was Hattori Hanzo in „Kill Bill“ sagt. Der bezeichnet sie als Wald, in dem es leicht ist, vom Weg abzukommen und nicht mehr zu wissen, wo man den Wald betreten hat. Aber in Filmen ist Rache einfach großartig. Nichts wirkt auf mich eindrücklicher, als wenn die Figur, der ich eine gewisse Zufriedenheit wünsche, genau diese Zufriedenheit auch bekommt.
Und warum ich so viele Filme zu dem Thema gemacht habe? Die anderen Filme konnten mich in ihrer Darstellung der Rache einfach nie zufriedenstellen. Man machte sich einfach immer zu große Sorgen um die Moral. Aber ich sage dazu: Fuck all that. Wobei das so auch nicht ganz richtig ist. Denn dann wäre die Rache der Braut an Bill ein reines Blutbad geworden. Was aber nicht passierte. Wenn man mich nach dem Ende gefragt hätte, als ich beim Schreiben von „Kill Bill“ noch auf Seite 20 war, hätte ich gesagt, dass das Ende sehr blutrünstig werden würde. Aber im Laufe des Schreibens hat sich das total geändert.
Die realistische Dialogzeile in „The Hateful 8“ und das Fehlen von Christoph Waltz
Wie stressig war es, mit der sechsspännigen Kutsche zu arbeiten?
Quentin Tarantino: Das ist eine interessante Sache: In den meisten Filmen, selbst in „Stagecoach/Höllenfahrt nach Santa Fe“, wo man Andy Devine auf der Postkutsche sitzen sieht, ist es nicht Andy Devine, der die Kutsche steuert. Und dafür gibt es einen Grund, denn eine Kutsche mit sechs Pferden zu steuern, ist wirklich schwer. Es ist eine der schwersten Sachen, die man von einem Schauspieler verlangen kann. Was man aber schon deshalb nicht macht, weil sie dazu ein monatelanges Training benötigen würden. Es gab einige wenige Schauspieler, die es konnten und es dann auch immer und immer wieder machten. Etwa Ben Johnson. Im Fall von „The Hateful 8“ schickten wir James Parks, der den Kutscher O.B. Jackson spielt, schon weit vor der Vorproduktion mit den Tiertrainern los, um zu üben.
Das ist im Übrigen der große Vorteil, wenn man schon einen Western gemacht hat. Man bekommt ein Gespür für das Drumherum. Man kennt die Tiertrainer. Man kennt die Tiere. Man weiß, was sie zu leisten imstande sind. Man weiß, was der Tiertrainer zulässt und was nicht. Du weißt, was die Stuntmänner können und was sie nicht können. Deshalb ist es ganz etwas Anderes, wenn man seinen zweiten Western dreht.
Zoe Bell wurde dann ebenfalls in das Training involviert und sie und James machten einen tollen Job. Dank James’ Arbeit mit den Trainern, lernte ich auch, das bestimmte Sachen in meinem Skript einfach falsch waren. Stellt euch die Szene vor, die man beispielsweise in jedem Film sieht: Der Kutscher steigt von der Kutsche herunter und geht weg, um etwas Wasser zu holen oder mit ein paar Leuten am Wegesrand zu reden. Aber: Genau das würde nie und nimmer passieren. Der Job des Kutschers ist, diese sechs Pferde unter Kontrolle zu halten. Es gibt da keine Möglichkeit, die Zügel zu nehmen und sie locker um einen Holzbalken vor dem Saloon zu wickeln.
So gibt es in meinem Drehbuch eine Szene, in der der Kutscher aufgefordert wird, von der Kutsche zu steigen. Und im Skript tat er das auch. Als mich James aber darüber informierte, dass das nie im Leben passieren würde, entstand daraus im Nachhinein die wohl realistische Dialogzeile im ganzen Film, wenn er entgegnet: Ich muss die Pferde im Zaum halten, kann Sie aber von hier oben aus sehr gut hören.
Warum spielt Tim Roth in „The Hateful 8“ einen Christoph-Waltz-Charakter?
Quentin Tarantino: Nun, ich denke, Tim Roth ist ein viel besserer Terry Thomas (ein englischer Schauspieler, dessen Spezialität verrufene Charaktere der britischen Oberklasse waren), als es Christoph Waltz ist. Aber es ist mein Fehler. Weil ich Tim in Grau gekleidet habe. Ja, ich denke, es ist nur wegen diesem verdammten Grau. Für mich musste dieser europäische Typ graue Klamotten tragen. Aber Tim ist nicht Christoph Waltz, er macht vielmehr eine sehr englische Sache. Ich würde Christoph nicht anheuern, um einen englischen Dandy zu spielen. Er könnte ein österreichischer Dandy sein oder ein bayerischer. Aber kein englischer Dandy. Nein.
Quentin Tarantinos liebste 70-mm-Filme und der Soundtrack zu „The Hateful 8“
Welche Filme im Ultra Panavision 70-mm-Format sind deine Lieblingsfilme?
Quentin Tarantino: Beginnen würde ich mit „It’s a mad, mad, mad, mad World“, den ich schon als Kind extrem geliebt habe und wo mir die Größe des Bildausschnittes noch gar nicht wichtig bzw. bewusst war. Ich liebe diesen Film noch immer und sehe ihn auch immer wieder gerne mit anderen Leuten. Ich habe ihn eines Tages mal einer Freundin gezeigt. Ich habe dabei das Gleiche getan, was mein Stiefvater gemacht hatte, als er den Film das erste Mal mit mir geschaut hatte: Ich erzählte ihr genau, wer in dem Film wer ist: „Das ist Stan Friedberg da im Hintergrund. Das ist Andy Devine.“
Dass ich diese Namen erklären musste, zeigt, wie jung meine Freundin ist *lacht*. Ich liebe diesen Film einfach. Ich erinnere mich noch daran, als ich ihn das erste Mal gesehen habe. Damals wollte ich das Kino gar nicht mehr verlassen. Hätte man mich und meinen Stiefvater nicht rausgeworfen, hätten wir den Film wahrscheinlich immer und immer wieder geschaut. Dieser Film ist also nicht wegen des 70-mm-Formates ein Liebling von mir, sondern aus persönlichen Gründen.
Etwas anders verhält es sich da mit einem Film, den ich mir im Vorfeld von „The Hateful 8“ gezielt wegen seiner Panavision-Technik angeschaut habe und den ich sehr lieben gelernt habe: „Battle of the Bulge“. Ein Film, der bei den Kritikern nicht sehr beliebt ist. Er ist nicht sehr genau, was die realen Geschehnisse rund um die Schlacht angeht. Unter den ganzen Filmen, die in den 60ern diverse Schlachten aufarbeiteten, ist „Battle of the Bulge“ für mich aber definitiv der unterhaltsamste. Es handelt sich um einen wirklich gefälligen Film, wobei für mich vor allem die Idee um die Countdown-Uhr der Deutschen heraussticht. Robert Shaw ist fantastisch in dem Film, ebenso Ty Hardin.
Diese beiden Filme habe ich im Vorfeld von „The Hateful 8“ dann natürlich auch unter dem Aspekt des Bildausschnittes erneut geschaut und das war sehr interessant. Nehmen wir nur einmal „It’s a mad, mad, mad, mad World“. Wenn da der Charakter Grogan zu Beginn mit seinem Auto einen Abhang hinunterstürzt, stehen da noch 9 weitere Leute herum und diskutieren, was sie mit dem Geld machen sollen, dass dieser in rauen Mengen dabei hatte. Bis dahin ist mir nie aufgefallen, dass Regisseur Stanley Kramer seinen Bildausschnitt in nicht einer Szene stauchen oder strecken muss, um alle 9 Leute im Bild zu haben. Nach jedem Schnitt hat er alle 9 Leute im Blickfeld. Einfach weil der Bildausschnitt bei 70-mm-Filmen so gewaltig ist.
Wie kam es, dass du einen Song von David Hess für den Soundtrack ausgewählt hast? Und kennst du des Weiteren den spanischen Film „Cutthroats Nine/Todesmarsch der Bestien“? (Dieser nimmt wenige Motiv der „Hateful 8“ vorweg)
Quentin Tarantino: „Cutthroats Nine“ habe ich bis heute noch nicht gesehen. Ich habe ihn seit Ewigkeiten auf DVD daheim herumliegen. In einem dieser Spaghetti-Western-Packs, wo man 20 Western zum Preis von 5 Dollar bekommt. Aber ich kenne den Trailer und der ist ziemlich cool, betont er doch die Horror-Anteile und zeigt die ganze Brutalität des Filmes. Ich habe ihn nie gesehen, aber wir zeigen ihn in meinem Kino, dem „New Beverly Cinema“ in L.A., wo aktuell „The Hateful 8“ läuft.
Ab Februar zeigen wir „Cutthroats Nine“ regelmäßig im Rahmen von Double Features. Zudem ist jeder Dienstag Grindhouse-Tag mit den entsprechenden Filmen und da gehört der zweite Dienstag den „Cutthroats 9“ und den „Hateful 8“. Wenn ich in der Stadt bin, werde ich ihn mir auf jeden Fall in Verbindung mit den „Hateful 8“ im New Beverly anschauen. (Fun Fact nebenher: Im Umkreis der „Hateful 8“ 70-mm-Roadshow liefen im „New Beverly“ im Übrigen alle weiteren Quentin-Tarantino-Filme in den Mitternachtsvorstellungen. Und für die Kinder hatte Quentins Kino die ganz frühen Arbeiten von Kurt Russell für Walt Disney im Programm!)
Was David Hess angeht. Ich war schon immer ein großer Fan von David Hess. Habe ihn aber nie getroffen. Ich mochte ihn sehr in „Last House on the Left“ und bewunderte auch seine Songs. Ich bekam eines Tages eine Art Mix-Album von meinem Kumpel Eli Roth mit diversen Songs von David Hess. Und es hat einfach gepasst. Ich bemerkte, dass da wirklich gute Songs dabei waren, die ich für „The Hateful 8“ nutzen könnte. Wir probierten es aus und meiner Meinung nach war die Wirkung einfach nur erstaunlich. Nun untermalt sein Song die Szene, wenn Michael Madsen den Kerl im Schrank erschießt.
Quentin Tarantino und Deutschland
Magst du Berlin und wirst du wieder einmal hier drehen?
Quentin Tarantino: Das Schöne am Filmen ist, dass es einem auch ermöglicht, 6 oder 7 Monate lang an Orten zu leben, wo man sonst vermutlich nie leben würde. Genau das ist mir passiert, als ich „Inglourious Basterds“ in Babelsberg gedreht habe. Ich lebte in Kreuzberg und ich habe es geliebt. Ich freue mich schon darauf, einige Bars und Restaurants von damals noch einmal zu besuchen. Ich arbeitete mit einer herrlichen deutschen Crew. Ich hoffe, ein paar von ihnen heute Abend auf der Party zur Premiere zu treffen. Wenn ich jetzt nach Deutschland komme, ist es eine ganz andere Erfahrung als vor den Basterds, eben weil ich hier eine ganze Zeit lang gelebt habe. Ich liebe Berlin, ich habe meine eigenen Erinnerungen an Berlin. Ich habe besondere Freundschaften in der Stadt und die Erinnerungen an meine ganz besonderen Eskapaden. Ich würde definitiv wieder in Deutschland drehen. Es war toll, mit den Leuten in Babelsberg zu arbeiten. Und es gibt eine Straße in Babelsberg, die nach mir benannt ist.
Damit endete eine muntere Pressekonferenz. Auf die sich im Übrigen auch Jogi Löw geschlichen hatte. Unter lauter filmverrückten Journalisten geriet er aber zur bloßen Randnotiz. Ganz Fan nutzte ich im Übrigen ein kurzes Zeitfenster und begab mich zum Podium der drei Stars, wo es mir tatsächlich gelang, ein Autogramm von Kurt Russell zu bekommen. Yeah!
Die Deutschland-Premiere der „The Hateful 8“
Am Abend des gleichen Tages stieg dann im und um den Berliner Zoo-Palast (das einzige Kino in Berlin, das 70-mm-Kopien abspielen kann) die Deutschland-Premiere von „The Hateful 8“. Stilecht mit Kutsche und allem Drum und Dran. Hier ein paar Bilder des Abends (einfach klickern für mehr Details!).
Weitere Informationen zu „The Hateful 8“
Die Kritik zum Film auf Actionfreunde.de
Michael Madsen spricht über die Dreharbeiten
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