Originaltitel: Rampage: Capital Punishment__Herstellungsland: Kanada, Deutschland__Erscheinungsjahr: 2014__Regie: Uwe Boll__Darsteller: Brendan Fletcher, Lochlyn Munro, Mike Dopud, Michaela Mann, Bruce Blain, John Sampson, Uwe Boll u.a. |
Wir erinnern uns: Nach den Ereignissen in „Rampage“ drohte Amokläufer Bill Williamson trotz seiner eigentlich perfekten Tarnung als Täter aufzufliegen und tauchte unter. Zwei Jahre nach seinem Verschwinden tauchte ein Video bei Youtube auf, das ankündigte, dass Bill weitere Amokläufe plane, um die Welt, wie sie sich aktuell gestaltet, zu verändern. Er wolle etwas bewegen. Etwas tun. Doch seitdem hörte man nichts mehr von ihm. Er zog im ganzen Land umher. Lebte mal hier, mal da und versuchte immer unter dem Radar der Behörden zu bleiben. Doch seine Pläne von damals hat er nicht vergessen. Eines Tages ist es für ihn wieder soweit. Er streift sich seine Kevlar-Rüstung über, lädt die Knarren durch und startet seine nächste Bluttat…
Diesmal stürmt er einen TV-Sender und nietet um, was ihm vor die Mündungen läuft. Am Ende dieses Wahnsinns verschanzt er sich mit einigen Mitarbeitern des Senders in einem Kellerraum. Doch er will kein Lösegeld. Vielmehr zwingt er einen mit eingeschlossenen Nachrichtensprecher, eine DVD landesweit zu senden. In dieser ruft er offen zur Revolution gegen die Eliten auf…
httpv://www.youtube.com/watch?v=XGvuyT32Uwc
Spätestens wenn die Bilder der DVD über die Kinoleinwand flimmern, kommt man nicht umhin, in Brendan Fletchers Figur einen jungen Uwe Boll zu sehen. Denn wer Boll und dessen augenblickliche Wut auf eigentlich alles kennt, dem kommen die auf der DVD gespeicherten Phrasen nur zu bekannt vor. Die Reichen sind schuld an allem. Die Armen sollen sich erheben. Die amerikanische Regierung ist komplett korrupt. Obama gescheitert. Alle Politiker eh gekauft. Boll hält in seinem neuesten Werk nicht hinter dem Berg mit seiner Meinung. Und das dürfte für einige Filmfans das größte Problem des hier vorliegenden Filmes sein. Denn Boll wirft mit „Rampage 2“ keine Fragen auf. Er beantwortet sie lieber. Die Folge ist ein Bombardement aus vorgefertigten Meinungen, die weder von anderen Filmcharakteren hinterfragt noch sonst in irgendeiner Form reflektiert werden.
Wer „Rampage“ gesehen hat, wird über dieses Sendungsbewusstsein vermutlich recht verwundert sein. Denn in dem Vorgänger ging es Boll gar nicht so sehr darum, Botschaften an den Mann zu bringen. Vielmehr pervertierte er die Mechanismen eines Amoklaufes, indem er sie aufgrund der Motivlage des Amok- laufenden als komplett sinnbefreites Mittel zum Zweck erklärte. Das Ergebnis war einer von Bolls besten und in sich schlüssigsten Filmen, der seinem Zuschauer aber durchaus auch einiges zumutete. Erst gegen Ende kündigte sich dann an, dass Hauptfigur Bill Williamson doch noch weiter reichende Ziele haben könnte. Und diese schlagen nun in „Rampage 2“ vollends durch und lassen Boll, vertreten durch Fletcher, ordentlich Gift und Galle spucken…
Inszenatorisch bildet das mit „Rampage“ eine erstaunliche Einheit. Denn obgleich Boll mit weniger als der Hälfte des Budgets zu Teil I auskommen musste, setzt er dessen Look und Feel absolut stimmig fort. Das heißt, die nervöse Handkamera verlangt dem Zuschauer wieder einiges ab. Boll will den Zuschauer an Bill Williamsons Seite wissen und er will ihn gleichzeitig spüren lassen, dass dieser Charakter entwurzelt ist. Ein Getriebener, ein Terrorist, ein Psychopath. Was es freilich schwer macht, mit der Hauptfigur irgendwie zu sympathisieren. War das schon in Teil I nicht so leicht, gelingt dies in Teil II nun überhaupt nicht mehr. Und dennoch geht von der Figur aufgrund der famosen Schauspielleistung Fletchers eine morbide Faszination aus. Man will einfach wissen, was sein Charakter diesmal plant. Ob er wieder ein Ass im Ärmel haben wird. Ob es ihm gelingen wird, sich auch aus dieser Situation zu befreien.
Das geringere Budget schlägt sich vor allem in Hinsicht auf die Action und die Schauplätze nieder. Während Boll in Teil I noch eine ganze Stadt terrorisieren lassen konnte und dies auch hundertprozentig ausnutzte, beschränkt sich diesmal der Schauplatz flott auf das dröge Kellersetting. Die Action steigt in irgendwelchen Büroräumen (und erinnert hier frappierend an die Amoklaufszene in „Assault on Wall Street“) oder Gebäudegängen. Dicke Explosionen bleiben weitgehend aus und von dem angeblichen TV-Sender bekommt man nicht wirklich viel zu sehen. Eine schwache CGI-Explosion gegen Ende deutet dann überdeutlich an, dass Schmalhans hier Küchenmeister sein musste. Doch „Rampage 2“ funktioniert dennoch, was in der Action vor allem der unmittelbaren Kameraarbeit, dem fiebrigen Schnitt und dem grandiosen Score von Jessica de Rooij zugeschrieben werden muss.
Leider konterkariert Boll selbst seine intensivsten Momente mit wirklich schlechten humorigen Einlagen. Manche sind dabei bewusst gesetzt, andere finden unfreiwillig in den Film. Boll selbst sorgt als Senderchef für den unfreiwilligen Humor. Mit einer absolut schlechten deutschen Synchronisation seiner freilich auf Englisch gedrehten Szenen gibt er sich selbst permanent zum Abschuss frei und schneidet diese üblen Momente auch noch parallel zu den intensivsten Momenten der Handlung. Der freiwillige Humor dreht sich um eine katastrophal schlechte Einlage in Bezug auf die DVD, deren Inhalt der Nachrichtensprecher landesweit versenden soll. Was Boll geritten hat, diese Szene im Final Cut zu belassen, vermag ich nicht zu sagen. Sie sorgte allerdings in meiner Vorführung für das höhnischste Gelächter ÜBER (nicht mit!) einen Film, das ich je gehört habe. Hier wird auch der unvermutet stark aufspielende Lochlyn Munro („The Package“) bzw. seine eigentlich seriöse Figur absolut der Lächerlichkeit preisgegeben.
Was bleibt, ist eine in Form und Stil kohärente Fortsetzung zu einem der besten Bollwerke überhaupt. Über viele ultrakurze Rückblenden schafft Boll Anknüpfungspunkte an den Vorgänger und zitiert seine offensichtlichen Lieblingsszenen aus „Rampage“ liebevoll. Die Kameraarbeit und das Editing sind anstrengend, verfehlen allerdings nicht ihre Wirkung. Der Soundtrack ist eine Klasse für sich. Was unisono für den irre intensiv zwischen aufbrausend und unglaublich ruhig schwankenden Brendan Fletcher in der Hauptrolle gilt. Dieser macht mit Leichtigkeit aus seinem Bill Williamson einen vollkommen unberechenbaren Charakter, der es dem Zuschauer nicht leicht macht, ihm durch den Film zu folgen. Storytechnisch unterliegt „Rampage 2“ dem Vorgänger. Der war, bei allem gebotenen Zynismus, einfach raffinierter und runder. Das schmalere Budget lässt die Fortsetzung auch etwas schwächer aussehen als „Rampage“. Auch und vor allem in der Action, die doch deutlich kleiner skaliert ist. Ein absolutes No-Go sind die Humor-Momente des Filmes. Das vollkommen unreflektierte Sendungsbewusstsein Bolls wird ebenfalls so manchem quer einfahren. Zumal einige Lösungsansätze doch arg radikal herüberkommen. Dennoch erwischt man sich häufiger dabei, dass einen Boll bei so mancher Ansage doch bei den Eiern gepackt hat. Leichte Kost ist „Rampage 2“ damit definitiv nicht, aber das ist auch absolut im Sinne seines Machers, denn der ist nach wie vor wütend… und zwar richtig!
Der Film erscheint am 26. September 2014 auf DVD und Blu-ray von Splendid Film und ist mit einer FSK 18 Freigabe ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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