David Brückner ist ein im sächsischen Meerane geborener Regisseur, der gerne auch als Filmeditor, Schauspieler und Produzent tätig ist. Sein Langfilmdebüt gab er mit dem Actionhorror „Dead Survivors“ im Jahr 2010. Das Nachfolgewerk „Iron Wolf“ (2012) war mein erster Berührungspunkt mit David Brückners Werk. Blöderweise zündete „Iron Wolf“ bei mir kaum. Ich empfand ihn irgendwann als unfassbar repetitiv, was wie so oft verheerende Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Erzähltempos hatte. Kurzum: Ich fand ihn sehr öde.
Rund um die Veröffentlichung von „Der Wolf“ (2021) rückte der Filmemacher aufgrund einiger echt starker Bewertungen wieder in mein Bewusstsein. Den Film, der zu gewissen Teilen auf dem Grimm’schen Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“ basierte, habe ich mir dann zwar trotzdem nicht gegönnt, aber als 2023 mit „Rapunzels Fluch 2“ der nächste Ausflug Brückners in die Welt der Gebrüder Grimm erfolgte, wagte ich einen neuerlichen Anlauf. Und da vor einem zweiten Teil immer auch ein erster steht, habe ich mir diesen auch noch zu Gemüte geführt. Man will ja kapieren, worum es geht.
Rapunzels Fluch – Sie will Rache
Originaltitel: Rapunzels Fluch__Herstellungsland: Deutschland__Erscheinungsjahr: 2020__Regie: David Brückner__Darsteller: Tabea Georgiamo, Michael von der Brelie, Davis Schulz, Urs Remond, Sophie Swan, Olivia Dean, David Brückner, Hartmut Engel, Karsten Rybandt, Michael Krug u.a. |
Die Filmstudentin Alina hat sich auf das Schreiben von Drehbüchern fokussiert. Am Ende ihres Studiums steht freilich ein Abschlussfilm, den sie mit dem Regie-Studenten Thomas in einem herrlichen Schloss zu inszenieren gedenkt. Witzigerweise ist sie bei ihren Recherchen für einen eventuellen Drehort über den Fakt gestolpert, dass sie über zig Verstrickungen mit einem früheren Besitzer des Schlosses verwandt ist.
Bei ihren Recherchen fand sie ebenfalls heraus, dass die Gemäuer in finsteren Zeiten für ungenehmigte Exorzismen genutzt wurden. Doch das schreckt Alina in keinster Weise, hat sie doch ein Drehbuch für einen Horrorfilm ersonnen. Mit dem Kameramann, dem Regisseur und ihren zwei Hauptdarstellern fährt Alina eines Tages zu dem Schloss, um hier vor Ort die Lichtverhältnisse zu checken und eventuelle Drehorte zu scouten. Die Anwesenheit des Teams weckt einen rastlosen Dämon. Dieser ist vor hunderten von Jahren in eine junge Dame namens Rapunzel gefahren und konnte nie ausgetrieben werden. Blutdurstig macht er sich über das Drehteam her.
Rapunzel, lass dein verflucht langes Haar herunter
„Rapunzels Fluch“ braucht ein wenig lang, um in Schwung zu kommen. Dem Zuschauer wird ein wenig zu ausführlich präsentiert, wie sich das Drehteam findet, wie es interagiert und irgendwann in dem Schloss herum schleicht. Vieles mutet belanglos an, wenig hilft den Figuren und ihrer Entwicklung.
Zumindest fällt sofort auf, dass David Brückner ein glückliches Händchen bei seinen Schauspielern hatte. Vor allem Michael von der Brelie als Regisseur Thomas und Davis Schulz als Frauenheld und Schauspieler Leonard kommen unfassbar natürlich und extrem sympathisch rüber. Tabea Georgiamo wirkt da als Alina Grimm (sic!) etwas steifer, macht ihren Job aber auch gut. Nur Sophie Swan hat einige etwas unglückliche Momente als unglaubwürdig exaltierte Schauspielerin Emily. Als Kameramann David ist Regisseur David Brückner zu erleben, der ebenfalls sehr angenehm aufspielt.
Aufgrund der schauspielerischen Leistungen ist man auch trotz der etwas flachen Figurenzeichnung im Film drin und verzeiht manche Länge. Auch weil der Drehort, Schloss Hinterglauchau in Sachsen, wunderbar zelebriert wird. Drohnenflüge fangen die Schönheit des Settings ein, Innenaufnahme feiern eher die Morbidität des Gemäuers. Eine häufiger in den Bildausschnitt gerückte Ausstellung ausgestopfter und anderweitig präparierter Tiere und Menschen pumpt zusätzlich Atmosphäre. Zudem gefällt durchweg, dass „Rapunzels Fluch“ trotz etwas zu glattem Digitallook niemals wie die Low-Budget-Produktion rüber kommt, die sie war.
Startet der Film dann in seinen eigentlichen Horrorpart, gefällt vor allem, das Brückner nicht mehr locker lässt. Es folgt also nicht Jump Scare auf Jump Scare mit langweiligem Leerlauf zwischen den Attacken. Stattdessen wird die Bedrohung sehr eindrücklich inszeniert und rennt vornehmlich und gerne auf ihre Opfer zu, was die Lage der Opfer nur noch auswegloser zu machen scheint. Leider wird nun das Setting nicht hinreichend für spannende Verfolgungsjagden oder ähnliches genutzt. Entsprechend bleibt der Abzählreim etwas unspektakulär. Viel Blut will obendrein nicht fließen und hier und da würde man sich einen effektiveren Schnitt wünschen.
„Rapunzels Fluch“ bietet solide Horrorunterhaltung aus deutschen Landen
Was am Ende bleibt, ist ein Film mit Ecken und Kanten. Es gibt viel Licht, aber auch einiges an Schatten. Final hat mich der Independenthorrorfilm durchaus überzeugt und unterhalten. Dabei haben vor allem die Darsteller und die technischen Aspekte funktioniert, nur in Sachen Dramaturgie und Spannung ist noch deutlich Luft nach oben. Aber da kann ja vielleicht „Rapunzels Fluch 2“ punkten.
„Rapunzels Fluch“ ist seit August 2020 von White Pearl Movies / daredo auf DVD und Blu-ray zu haben. Streamen kann man ihn auch und das uncut mit einer Freigabe ab 18.
Copyright aller Filmbilder/Label: White Pearl Movies / daredo__Freigabe: FSK 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |
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Nach „Rapunzels Fluch“ ließ David Brückner den bereits erwähnten „Der Wolf“ folgen, bevor 2023 „Rapunzels Fluch 2“ veröffentlicht wurde. Dieser geht in vielerlei Hinsicht eigene Wege.
Rapunzels Fluch 2 – Sie ist zurück
Originaltitel: Rapunzels Fluch 2__Herstellungsland: Deutschland__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: David Brückner__Darsteller: Silviana Ursu, Daniel Littau, Tabea Georgiamo, Sabine Heinen, Asia Luna Mohmand, Malina Stark, Sebastian Prenzel, Juergen J. Straub, Valentin Kleinschmidt, Jacob F. Schmiedel u.a. |
Seit Alina und ihr Team bei den Vorbereitungen für einen Horrorfilm von der besessenen Rapunzel angegriffen wurden, sitzt Alina in einer Klapsmühle und steht unter dem Verdacht, eine Mörderin zu sein. Parallel steigt der Ruf des Schlosses als verwunschener Ort exponentiell an. Unter anderem Influencer nutzen das Schloss als Drehort für neuen Content. Dabei wird der Dämon aus Teil 1 durch einen dummen Zufall aus seinem Gefängnis befreit und er macht sich auf, Alina endgültig zu beseitigen.
Dazu kriecht er in den Körper von Erik, der versprochen hat, seiner Schwester Katharina bei deren Einzug in ein neues Haus zu helfen. Doch aufgrund des Dämons in sich, verhält sich Erik in den folgenden Tagen äußerst merkwürdig. Katharina beginnt mehr und mehr an seinen halbgaren Ausreden für sein Verhalten zu zweifeln und recherchiert. Dabei stolpert sie alsbald über die Geschichte von Alina Grimm…
Schaut in den Horrorfilm hinein
Rapunzel, sind das Extensions?
War „Rapunzels Fluch“ im Grunde seines Herzens eine Art Slasher mit Dämonenanteil, geht „Rapunzels Fluch 2“ andere Wege. Über weite Strecken ist David Brückners aktuellster Film ein Zweipersonenstück, das vollkommen auf das steigende Misstrauen der Schwester gegenüber ihrem Bruder, der zudem eine unrühmliche Drogenvergangenheit hat, abstellt. Auf dem engen Raum der neuen Wohnung von Katharina wird es nun unheimlich.
Erik redet wie besessen mit sich selbst, wütet, schlafwandelt und bringt sogar Menschen um. Der Dämon in ihm schafft es aber, all das hinreichend zu vertuschen. Natürlich fragt man sich nach mancher Aktion schon, warum Katharina ihren Bruder nicht vor die Tür setzt, aber geschenkt. David Brückner und Drehbuchautor Mario von Czapiewski wagen etwas und drehen nicht einfach „Rapunzels Fluch“ neu. Stattdessen finden sie viele Anknüpfungspunkte an den Vorgänger, ohne repetitiv zu werden.
Und sie unterlaufen Erwartungen, weil man nach dem geradlinigen, sehr simplen Vorgänger schnell zu glauben meint, wie in der Fortsetzung der Hase laufen MUSS. Die jetzige Herangehensweise setzt auf schleichenden Horror, ist spannender als der Vorgänger und eben nicht so vorhersehbar. Zudem gibt sie den guten Schauspielern die Möglichkeit, ihre Figuren mit Leben zu füllen. Insgesamt sind die Schauspielleistungen im Vorgänger stärker, doch Daniel Littau als Erik und Silviana Ursu als Katharina spielen ebenfalls gut auf. Wirken insgesamt aber nicht so natürlich, nicht so locker, nicht so leicht.
Leider trifft das Drehbuch in Richtung Finale eine Entscheidung, die mir nicht gefiel. Erik und Katharina spielen für das top geschnittene, laute und blutige Finale leider gar keine Rolle. Was den Weg bis ins Finish irgendwie komplett egal macht. Das ist ein wirklich gewaltiger Pferdefuß, der auch der bisher aufgebauten Spannung komplett den Garaus macht. Der Showdown fetzt trotzdem, aber er wirkt, als gehöre er zu einem anderen Film – als gehöre er zu „Rapunzels Fluch“, nicht aber zu „Rapunzels Fluch 2“.
Wo „Rapunzels Fluch 2“ den Vorgänger mühelos übertrumpft, ist die technische Umsetzung. Die Fortsetzung wirkt um ein Vielfaches wertiger und filmischer als der Vorgänger. Und das trotz des eher reizlosen Settings. Hier passt vieles zusammen. Der Film wirkt grittyer, finsterer, setzt gerne auf viel blau und ein paar Komplementärfarb-Einsprengsel. Bricht sich Licht Bahn, ist es sehr diffus. Wenn Erik an seinem Verstand zweifelt, kippt die Kamera und liefert schiefe Bilder. Und „Rapunzels Fluch 2“ wirkt deutlich kompakter und dynamischer in seinem Schnitt. Mächtig dröhnt zudem das Sounddesign. Einzig in Sachen Musik meint es der Film zu gut. Hier werden einige wenig dramatische Dialoge mittels Musikteppich extrem überhöht und teils sogar übertönt.
„Rapunzels Fluch 2“ traut sich was…
„Rapunzels Fluch 2“ traut sich erzählerisch etwas. Er geht im Vergleich zum leichter zugänglichen ersten Teil eigene Wege, die ihn ab und an aber auch etwas schwermütig und getragen – sprich langsamer – erscheinen lassen. Viel spielt sich auf der psychischen Ebene ab, der Horror wird seltener konkret. Gute Schauspieler überspielen einige tempomäßig problematische Szenen, der deutlich bessere Schnitt verkürzt ebenjene ebenfalls gekonnt.
In Richtung Showdown verrät der Film ein wenig seine Hauptfiguren, geht hier aber gleichzeitig auch ziemlich steil. Aufgeschnittene Bäuche, blutige Einschüsse und eine handmade schmelzende Figur sorgen in Verbindung mit einer effektiven Düsterbebilderung für einen geilen Abgang. David Brückner, ich behalte Sie im Auge…
Der insgesamt härter als der Vorgänger rüberkommende „Rapunzels Fluch 2“ ist mit einer FSK 16 ungeschnitten und seit 13. Oktober 2023 auf DVD und Blu-ray von Soulfood zu haben.
In diesem Sinne:
freeman
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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Soulfood__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |