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Raze – Fight or Die!

Originaltitel: Raze__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Josh C. Waller__Darsteller: Zoe Bell, Rachel Nichols, Tracie Thoms, Sherilyn Fenn, Doug Jones, Bruce Thomas, Bailey Anne Borders, Rebecca Marshall, Adrienne Wilkinson, Allene Quincy, Douglas Brown, Victoria Cruz u.a.
Raze

Zoe Bell in dem brettharten Actioner “Raze”

Jamie erwacht auf dem kalten Boden einer Art Bunker. Sie hat keine Ahnung, wie sie hierhergekommen ist. Alles, was sie weiß, ist, dass sie einen schönen Abend mit einem sexy Kerl hatte, der auf Teufel komm raus mit ihr flirtete. Wieder zu Hause angekommen genoss sie ein warmes Bad, als plötzlich ein Kerl auftauchte, der sie betäubte…

Jamie richtet sich auf und folgt den Gängen ihres unterirdischen Verlieses. Da begegnet ihr eine andere Frau. Sie trägt die gleiche, schmucklose Kleidung und beteuert ihr, genauso unverschuldet in diese Situation geraten zu sein. Gemeinsam geht man den Gang weiter, als eine Tür hinter beiden zufällt und sie sich in einem kreisrunden Raum befinden. Hier geht Jamies Begleitung plötzlich auf sie los. Jamie kann sich wehren, sie liebt das Kickboxen, doch die andere Frau ist zu stark und zerschmettert mit ihren wuchtigen Schlägen Jamies Schädel.

„Raze“ heißt soviel wie „Vernichten“ und genau das geschieht in dem hier besprochenen Film auch. Wiederholt. Wie wir nun erfahren, heißt die Frau, die die vermeintliche Heldin von „Raze“ soeben umgebracht hat, Sabrina. Sie wird, wie eine Vielzahl anderer Frauen auch, in dem Bunker gefangen gehalten und soll zur Belustigung einiger reicher Geldsäcke gegen die anderen Frauen in Kämpfen auf Leben und Tod antreten. Eine Weigerung ist ausgeschlossen, denn die Veranstalter dieser Fights bedrohen nicht nur das Leben der Frauen. Vielmehr drohen sie an, all ihre Lieben auszulöschen, sollten sie nicht kämpfen. Und sogar im Falle einer Niederlage werden die Familien der Verlierer ausradiert.

Um zu beweisen, dass sie nicht scherzen, übertragen die Veranstalter die Bilder der Exekutionen auf Bildschirme, die in den Zellen aller Frauen angebracht sind. „Fight or Die“ heißt die Devise. Nur die Gewinnerin des „Turniers“ werde danach freigelassen. In Sabrinas Fall wird das Leben ihrer Tochter bedroht, die die Soldatin nach deren Geburt zur Adoption freigegeben hatte. Doch Sabrina hat nicht vor, sich erst durch alle anderen Frauen zu fighten. Sie will dem Treiben vorzeitig ein Ende setzen!

httpv://www.youtube.com/watch?v=Id29tVGhbFA

Brachiale Fights unter ansehnlichen Frauen, die unter einem strengen Regiment von ausschließlich männlichen Wärtern in einer Art Frauenknast gehalten werden. Geht es noch exploitativer? Vermutlich kaum. Und so ist „Raze“ in erster Linie ein reinrassiger Exploitationfilm, der keine Sekunde daran zu denken scheint, sich irgendwie einbremsen zu lassen. Nachdem uns gleich zu Beginn die scheinbare Identifikationsfigur genommen wird, erfahren wir nach und nach, wie das Leben in diesem Labyrinth des Todes funktioniert. Als neue Identifikationsfigur dient nun Sabrina, die schon einige Zeit in dem Bunkersystem um ihr Leben kämpft. Und sie hat schon viel gesehen: Frauen, die an der Situation psychisch zerbrachen. Frauen, die in dem Kampfzirkel einen unvermuteten Tötungshunger in sich entdeckten. Und andere Frauen, die den Selbstmord als Ausweg wählten und damit sich und ihre Familien auslöschten. Sabrina will nicht töten, doch sie muss es tun. Und sie ist verdammt gut darin.

Die Folge sind wirklich brachiale und brechend brutale Fights, abgefeuert im Rahmen einer Art Turniermodus. Was „Raze“ vom Gros ähnlicher Turnierfilme unterscheidet, ist – neben der Tatsache, dass hier ausschließlich Frauen kämpfen – seine Konsequenz. Wo Turnierkampfsportfilme meist mit dem K.O. eines Kämpfers enden, geht es in „Raze“ immer bis zum Tod. Und selbiger kommt niemals plötzlich oder durch einen Lucky Punch. Ganz im Gegenteil. In „Raze“ wird sehr intensiv und vor allem breit ausgespielt gestorben. Es wird erwürgt, zerschmettert und zerschlagen – entsprechend des Titels wird der Gegner förmlich vernichtet. Dass die deutschen Freigabestellen mit diesem brettharten Streifen ihre liebe Not hatten, ist nach Ansicht von „Raze“ mehr als nachvollziehbar. Die Fights sind in ihrer Choreographie sehr bodenständig und vor allem auf Effektivität getrimmt und sie gehen in hoher Schlagzahl auf den Zuschauer hernieder. Es gelingt den Machern ziemlich gut, den Kämpfen jeweils genügend Eigenständigkeit zu geben, um zu verhindern, dass sich eine Konfrontation wie die nächste anfühlt. Das bedeutet aber nicht, dass man eine Vielzahl an Kampfsportarten in dem Film zelebriert. Man orientierte sich stattdessen sichtlich eher an der Physis der Fighterinnen. Kleinere Frauen dürfen ihre Schnelligkeit ausspielen, größere/schwere Frauen setzen auf ihre Kraft usw.

Die Action ist ungeheuer dynamisch und mit einer agilen Kamera in Szene gesetzt. Eigentlich eine Art Wunder, wenn man in den Extras der DVD/Blu-ray sieht, dass der Schauplatz der Arena tatsächlich alles ist, was den Kameraleuten an Raum zur Verfügung stand. Sie mussten mehr oder weniger immer darauf achten, die Fighterinnen nicht umzurennen oder sich selbst einen Schwinger einzufangen.

Abseits der Action herrscht dann eine etwas andere Art der Inszenierung vor. Hier bekommt der Film dank seiner düsteren Optik und der darin steigenden Handlung nämlich immer auch kleinere Schlenker in Richtung Horrorgenre. Dass dabei die gesamte Grundsituation irgendwo an „Hostel“ erinnert, unterstreicht diesen Eindruck nur noch. Die Zellen der Kämpferinnen sind in Finsternis getaucht, die Kamera schleicht durch die Gänge und erlaubt Blicke auf aufgebahrte Leichen und die irritierend klinische Sauberkeit des Bunkersystems trägt zum verstörenden Gesamteindruck trefflich bei. Die düstere Musik, die in den Fights freilich deutlich treibender daherkommt und die Schlagzahl der Bilder vorgibt, trägt in diesen Abschnitten ihren Anteil zur kreierten Stimmung in den Katakomben bei.

Beim Figurenensemble bediente man sich großflächig im Genre des Knastfilmes: Der sadistische, brutale Wärter, der irre Direktor, der einzelgängerische Held, der schnell Freunde findet, der fiese Mithäftling, der andere drangsaliert – alles drin. Einige psychologisch interessante Momente lassen die Figuren aber nie vollends zu Klischees erstarren. Vor allem auf Seiten der „Insassen“, sprich Kämpferinnen, wird vor allem der Sinn des Ganzen mehrfach hinterfragt und ab und an werden auch erstaunliche oder sehr menschliche Entscheidungen gefällt, die die Figuren aus dem engen Korsett der Knastfilm-Figurenzeichnung ausbrechen lassen. Dass die Psychologie der Figuren ansonsten eher simpler Natur ist, sich die Charaktere kaum verändern und vor allem die Veranstalter des Ganzen arg überzeichnet wirken, sei dem Film verziehen. Er gibt ja immerhin nie vor, mehr zu wollen, als an den Urinstinkten des Zuschauers zu rühren. Und spätestens wenn der den Lumpen die Krätze an den Hals wünscht und mit der Heldin mitfiebert, hat „Raze“ es geschafft, den Zuschauer zu involvieren und damit seine Hauptschuldigkeit getan.

Sabrina wird gegeben von Tarantino Muse Zoe Bell („Hänsel und Gretel: Hexenjäger“). Diese wird vermutlich nie eine große Schauspielerin werden, meistert die psychisch anspruchsvolle Rolle aber ganz ordentlich und wirkt nur in den emotionalen Momenten ihrer Figur etwas überfordert. Rachel Nichols („Tokarev“) darf als Jamie kurz die Heldin des Filmes antäuschen, fliegt dann aber flott wieder aus dem Film und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. TV Gesicht Bruce Thomas gefällt als Chef der Wachmannschaft, Rebecca Marshall („Saw 3D“) darf als Biest unter den Fighterinnen richtig aufdrehen und Bailey Anne Borders („Wie ausgewechselt“) gefällt als zerbrechliche und dennoch schlagkräftige Freundin von Sabrina. Als die Veranstalter des tödlichen Turniers agieren Sherilyn Fenn („The Shadow Men“) und der einmal maskenlose Doug Jones („Hellboy 1 + 2“). Beide spielen eher Karikaturen denn echte Menschen, was deshalb erwähnt werden muss, weil sich ihre Figuren mit der eigentlichen Handlung ein wenig beißen. Denn „Raze“ nimmt sich letztlich selbst todernst und hätte daher geerdetere Bösewichte gebraucht. Zumal Fenn und Jones viel zu selten zu sehen sind, um echte Akzente setzen zu können. In einem kurzen Cameo darf sich im Übrigen auch Rosario Dawson („Sin City“) totschlagen lassen und „Saw“ Autor Leigh Whannell wird in „Raze“ ebenfalls um die Ecke gebracht!

Was ist „Raze“ nun? „Raze“ ist in erster Linie ein Turnierprügler, der mit einigen Knastfilm-Ingredienzien und kleineren Dosen Horror angereichert wird. Im Mittelpunkt der nicht innovativen, aber dennoch gut funktionierenden Standardhandlung steht ein Overload an gnadenloser, extrem brutaler Action. Diese besteht aus knackig choreographierten und dynamisch inszenierten Kampfsporteinlagen, die sich aufgrund ihrer Konsequenz deutlich von anderen Genrevertretern abheben und in den wirklich beklemmend intensiven Finishing Moves dem Zuschauer ordentlich in die Magengrube treten. Ergibt sich die gebotene Brutalität in den Fights der Mädels noch aus der lancierten Handlung heraus, wird sie spätestens im Finale, passend betitelt mit „Sabrina vs. Alle“, zum unverhohlenen Selbstzweck. Nun mischen sich blutige Headshots und Attacken mit Hieb- und Stichwaffen unter und wird noch einmal intensiv den exploitativen Wurzeln des Filmes gehuldigt. Hier wird die ganze Chose schon ziemlich grotesk, bewahrt aber stets ihren ernsten Ton und nimmt darum auch in den hier präsentierten, brutalen Momenten noch einmal ordentlich mit. Das eigentliche Ende wird vermutlich nicht allen gefallen, passt aber zum konsequenten Anstrich des Streifens. Vollkommen ohne Fehl und Tadel sind die technischen Seiten des Filmes. Die Kameraarbeit ist großartig, das Sounddesign verstärkt den Impact der Kampfszenen und die Musik ist mal düster und mal wundervoll treibend. Die Darsteller sind durch die Bank in Ordnung und überzeugen vor allem in ihren physisch anspruchsvollen Momenten. Was bleibt, ist vornehmlich auf den Magen abzielendes, das Hirn nicht weiter tangierendes Exploitation-/Grindhousekino, das Freunde der mal wirklich harten Gangart ordentlich durchrütteln wird.

„Raze“ erscheint in Deutschland von dem Label „Pierrot Le Fou“ auf DVD und Blu-ray. Bisher nur in der ungeschnittenen, mit dem harten SPIO/JK Siegel versehenen Fassung. Die Datenträger hätten eine wuchtigere, tonale Abmischung vertragen können, das Bild ist derweil fehlerfrei. Einige kurze Interviews zum Film und ein megakurzes Behind the Scenes erlauben ein paar Blicke hinter die Kulissen des Streifens.

In diesem Sinne:
freeman

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Copyright aller Filmbilder/Label: Pierrot Le Fou__FSK Freigabe: SPIO/JK__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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