Originaltitel: Reach Me__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2014__ Regie: John Herzfeld__Darsteller: Danny Aiello, Tom Berenger, Sylvester Stallone, Lauren Cohan, Kevin Connolly, Terry Crews, Ryan Kwanten, Kyra Sedgwick, Thomas Jane, Tom Sizemore, Danny Trejo, Kelsey Grammer, Cary Elwes u.a. |
Kann ein Regisseur einrosten, wenn er lange Zeit nicht mehr für die große Leinwand gedreht hat? Das wird sicher von Fall zu Fall variieren. Im Falle des Regisseurs John Herzfeld, der vor allem mit dem großartigen „2 Tage in L.A.“ und der galligen Mediensatire „15 Minuten Ruhm“ Erfolge feiern durfte, kann man die Frage nur bejahen. Denn mehr als einen saucool rockenden Abspannsong, einen wildgewordenen deutschen Dackel und einen entspannt aufspielenden Sylvester Stallone, der sich auch beim Malen inszenieren lässt, hat Herzfeld bei „Reach Me“ nicht zusammenbekommen.
Herzfeld, der zuletzt nur das fantastische Making Of „Inferno“ zu dem Actionfest „The Expendables“ gedreht hat, erzählt in seinem Streifen „Reach Me“ von einem ganzen Haufen Leuten, deren Leben auf irgendeine Weise von einem ganz besonderen Buch beeinflusst wird/wurde. Dieses heißt wie der Film „Reach Me“ und ist ein Selbsthilfe-Ratgeber. Dieser rät seinen Lesern, sich von nichts und niemandem aufhalten zu lassen und vor allem an sich selbst zu glauben.
Der erfolglose Journalist Roger wird auf den Verfasser des Buches angesetzt. Dieser heißt angeblich Teddy Raymonds und macht sich trotz seines riesigen Bucherfolges extrem rar. Dennoch will Gerald, Rogers Boss, dass Roger die Arschbacken zusammenkneift und den Autor ausfindig macht. Dabei kreuzt Roger die Wege von Raymonds’ Tochter, die dieser vom Stottern heilte, eines Rappers, der im Knast dank „Reach Me“ auf den richtigen Weg zurückgefunden hat, einer Ex-Knastinsassin, die sich ihren Traum von einer Modelinie erfüllen will, und von zwei Schlägern, die gemeinsam ein Restaurant zu eröffnen gedenken…
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Was das alles miteinander zu tun hat, weiß offensichtlich nicht einmal „Reach Me“ so genau. Dem reicht das Buch als kleinster gemeinsamer Nenner. Für den Zuschauer allerdings ist das etwas wenig. Der weiß lange Zeit gar nicht, was er hier gerade schaut, und wo das Ganze irgendwann mal hinführen soll. Die Folge ist ein seltsam unentschlossener Mix aus Drama, schwarzer Komödie, etwas Thriller und ganz vielen eigenartigen Situationen. Dazu gehören beispielsweise alle Auftritte von Thomas Janes schießwütigem Jetztzeit-Cop im Western-Outfit. Jane ist cool, keine Frage, seine Einlagen allerdings passen irgendwie so gar nicht auf den Ton des Filmes. Wirken beinahe wie aus einem anderen, einem cooleren Film entliehen.
Auch Tom Sizemores Auftritte bleiben unerklärlich. Damit meine ich nicht einmal jene, die ganz offensiv ziemlich seltsam sind: Etwa wenn er vollkommen sinnloserweise auf Hasen ballert oder mit Golfschlägern um sich schmeißt. Nein, ich meine vielmehr den Handlungsstrang, in dem er aus irgendeinem Grund auf Christoph M. Orth sauer ist. Gut, der Zuschauer ist es auch, denn Orth overacted ziemlich. Aber warum ausgerechnet dieser Handlungsstrang im „Showdown“ einen so großen Stellenwert eingeräumt bekommt, das wird nie so wirklich klar. Der Showdown selbst ist erst recht ein Witz. Ein wenig Waffengefuchtel hier, viele seltsame Dialoge da. Keine Frage: Herzfeld ist eingerostet. Oder aber er hat das Drehbuch nicht verstanden. Oder das Drehbuch hat sich selbst nicht verstanden. Wer weiß das schon…
Irgendwann wirkt „Reach Me“ in seiner Aufdringlichkeit, in der er seine grundlegende Botschaft transportiert, wie ein schlechter Animationsfilm für die ganz Kleinen. Das Ergebnis ist ein seltsamer Flickenteppich aus ganz vielen noch seltsameren Einzelszenen, die eben allesamt an unseren inneren Schweinehund appellieren sollen und uns raten, an unseren Träumen festzuhalten. Wirklich abgeholt fühlt man sich von der Botschaften-Maschinerie aufgrund der plumpen Umsetzung aber nie.
So bleibt eigentlich nur der Starauftrieb in Erinnerung. Die Stars sorgen hier und da für gelungene Einzelszenen. Genannt seien Sylvester Stallone („Shootout“) als Gerald und das Team-Up aus Kevin Connolly („Entourage“) und Tom Berenger („Sniper: Legacy“). Diese befeuern allesamt den einzigen wirklich ernstnehmbaren Storyblock, in dem es um das Auffinden des Verfassers von „Reach Me“ geht. Auf diesen Part hätte sich Herzfeld beschränken und selbigen noch pointierter umsetzen sollen. Das Potential war nicht nur aufgrund der gut aufgelegten Darsteller da. Doch Kyra Sedgwick („The Closer“), Thomas Jane („Deep Blue Sea“), Tom Sizemore („Im Fadenkreuz: Seal Team 8“), Danny Aiello („Mojave Moon“), Danny Trejo („VANish“), Kelsey Grammer („The Expendables 3“), Terry Crewes („The Expendables“), Cary Elwes („…denn zum Küssen sind sie da“) und Lauren Cohan („Death Race 2“) hatten wohl gerade zuviel Zeit und Lust zu drehen, was Herzfeld ausnutzte und ihnen kleine, meist ziemlich nichtssagende Szenen zuschanzte. Welch Verschwendung…
Inszenatorisch bewegt sich der mittels Kickstarter-Kampagne mitfinanzierte „Reach Me“ auf seltsam nüchternem, sehr schmucklosem TV-Niveau. Vor allem zu Beginn fallen immer wieder äußerst ungünstig wirkende, beinahe schon amateurige Close-Ups der handelnden Figuren störend auf. Zum Glück geht Herzfeld davon irgendwann beinahe vollständig ab. Außerdem wirken die deutschen Datenträger gezoomt. Immer mal wieder kippen nicht unerhebliche Bildinhalte links und rechts aus dem Bildausschnitt (wenn das Originalbildformat wie von der IMDB angegeben wirklich 2,35:1 ist, ist zumindest die deutsche Blu-ray definitiv gezoomt). Die Songauswahl für den Score ist ok, nur das Free-Jazz Musikstück unter dem Showdown lässt einem die Ohren bluten. Apropos Musik: Rapper Nelly spielt auch mit! Wenn das nix ist!
Am Ende bleibt ein Film über einen Selbsthilfe-Ratgeber, der einen vollkommen ratlos zurücklässt. Falls „Reach Me“ irgendwann mal ironisch angelegt war oder er die verschiedenen „Tschakka, du schaffst es“-Selbsthilfe-Ratgeber persiflieren sollte, dann ist davon nichts übrig geblieben. Stattdessen gibt es jede Menge altbackener Klischees und überkandidelter Typen, die vollkommen überspannt irgendwelche inhaltsleeren Phrasen aufsagen. Zumindest das Dreigestirn um Stallone, Connolly und Berenger macht sich nicht vollends zur Pfeile. Thomas Jane hätte derweil einen besseren Film für seine schrägen Auftritte verdient gehabt. Der Rest des Ensemble-Stücks will einfach nicht funktionieren.
Die deutsche DVD/Blu-ray kommt am 28. Mai 2015 von Eurovideo und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
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