Originaltitel: Rebel Moon – Part One: A Child of Fire__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Zack Snyder__Darsteller: Sofia Boutella, Cary Elwes, Charlie Hunnam, Jena Malone, Michiel Huisman, Ed Skrein, Djimon Hounsou, Corey Stoll, Cleopatra Coleman, Stuart Martin, Bae Doona, Dominic Burgess, Alfonso Herrera, Ray Fisher, Fra Fee, Ray Porter, Rhian Rees u.a. |
Kora (Sofia Boutella), eine junge Kriegerin mit aufwühlender Vergangenheit, lebt im Schutze einer autarken Gemeinschaft auf dem Mond Veldt, die sich kraft der eigenen Hände von den Früchten der Erde zu ernähren weiß. Als Admiral Noble (Ed Skrein), Repräsentant der Mutterwelt, auf dem Mond landet, um Getreide für seine Armee einzufordern, gerät der Frieden in Windeseile aus den Fugen. Kora muss nun all ihre Kräfte bündeln, um sich einem übermächtigen Gegner stellen, denn es steht mehr auf dem Spiel als das Schicksal von Veldt…
Wie es der Zufall so wollte, zeigte Kabel 1 gerade mal wieder „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ im Weihnachtsprogramm 2023, nachdem mich die Netflix-App unsanft aus dem Stream warf, sobald der Abspann für den ersten Teil der designierten neuen Hit-Saga „Rebel Moon“ einsetzte. Während Bud Spencer und Terence Hill den Schergen des Majors gerade eins auf die Mütze gaben, um die hilflosen Mormonen zu verteidigen, da dämmerte die Erkenntnis, dass man gar nicht unbedingt auf George Lucas’ Sternenkriege verweisen muss, um die einfach gestrickten Denkmuster von Kosmos-Erneuerer Zack Snyder offenzulegen. Es reicht, einen Blick auf über 50 Jahre alte Italo-Westernkomödien zu werfen, die das Rezept damals schon perfektioniert hatten. Wäre Ed Skrein nach seiner Landung auf dem Bauernmond Veldt zufällig Bud Spencer in die Quere gekommen, hätte er sich eine Kopfnuss geholt, wäre weinend zu seinem Meister gehumpelt und Kapitel 1 wäre nach einer Viertelstunde beendet gewesen.
Stattdessen folgen 130 Minuten verkrampften World Buildings, um mehr oder weniger auf dasselbe Ergebnis zuzuarbeiten. Jüngst noch hatte sich „The Creator“ auf der großen Kinoleinwand ähnlich eifrig an Allgemeinplätzen des SciFi-Erlöserkinos abgearbeitet, kam aber wenigstens mit einer abgeschlossenen Geschichte und einem phänomenalen Art Design mitsamt nahtloser Verschmelzung von CGI und On-Location-Sets aus der Deckung. „Rebel Moon“ verheddert sich dagegen mit jeder Minute zunehmend in einem Chaos aus Popkultur-Fragmenten, während er vom Kleinen ins Große hinein nichts Geringeres als ein Universum erschaffen will. Beginnend mit der bescheidenen Einstellung eines einfachen Ackers, der vor der malerischen Kulisse eines riesigen Planeten am infrarot gefärbten Himmel von einem außerirdischen Nutztier, einer Mischung aus Pferd und Bulle, gepflügt wird, weicht die Bescheidenheit des einfachen Farmerlebens mit Ausbruch überdimensionaler Raumschiffe der Mutterwelt mit jeder Einstellung dem Größenwahn eines Weltenbauers, der glaubt, es aus dem Stand mit den großen SciFi-Epen der Kinogeschichte aufnehmen zu können… und zwar, indem er sie schamlos repliziert.
Und so arbeiten wir uns von einer Referenz zur nächsten, zumeist unmissverständlich referierend auf George Lucas, beginnend jedoch mit Quentin Tarantino. Wie sich Skrein als General seinen Weg in die Mitte der Bauern bahnt, da steckt sehr viel Sehnsucht nach dem Suspense der Eröffnungsszene von „Inglourious Basterds“ drin. Weil dem Zuschauer die jeglicher Logik widerstrebende Architektur der Welt da draußen bis zu diesem Zeitpunkt noch verschlossen ist, nimmt man den Suspense vielleicht sogar an, genießt den Sadismus des passiv-aggressiven Anführers und nutzt die offene Brutalität seiner Schergen nur zu gerne, um den späteren Moment der Genugtuung voll auskosten zu können; denn aufgrund der Konstellation weiß man intuitiv, dass Sofia Boutella diesem Unrecht mittelfristig nicht tatenlos zusehen wird.
Mit dem unverhohlen an den Plot von Kurosawas „Die sieben Samurai“ angelegten Eröffnungskapitel wird aber aus einer kindlichen Ungeduld heraus, die Welt endlich weiterbauen zu dürfen wie einen großen Erlebnispark, äußerst schnell abgeschlossen. Bevor Skreins Admiral mit dem Namen „Noble“ (funktioniert so wie bei Bud Spencer, wenn man ihn „Der Kleine“ nennt) auch nur einen Getreidehalm in den Vorratslagern seiner Armee gespeichert weiß, brennen der Heldin die Sicherungen durch und sie zeigt ihr wahres Gesicht der unaufhaltsamen Gun-Fu-Queen, mit dem sie höchstwahrscheinlich irgendwann in ferner oder naher Zukunft, wenn auch der letzte Zuschauer kein weiteres Kapitel mehr sehen möchte, das Universum retten wird. Es ist der Auftakt für ein World-Hopping-Abenteuer mit einer unmotiviert zusammengestellten Supertruppe nach Justice-League-Format. Die Farmer, die auf dem Planeten immer noch um ihr Leben kämpfen, verschwinden vorerst im Rückspiegel, und mit ihnen auch die halbwegs interessanten, wenn auch abgekupferten politischen Dynamiken.
Und nun holt das Kind die ganz großen Lego-Klötze aus dem Sack. C-3PO wird als Anthony Hopkins wiedergeboren. Oder ist es Chappie? Kneipenprügeleien lassen noch hauchzart den Western durch die Star-Wars-Schablone schimmern, genauso wie ein ungezähmter Greif, der als Abbild des zügellosen Westens noch imposanter wirkt als der einfache Hengst und darüber hinaus ideal zu der oftmals als faschistoid empfundenen Ästhetik des Regisseurs mit all seinen Zeitlupen und seiner aerodynamischen Perfektion frei fliegender Kameras passt. Bloß, einen wesentlichen Beitrag leistet der kleine Ausritt nicht, außer, einen weiteren Kämpfer gegen das Unrecht (Staz Nair mit dem glänzendem Oberkörper eines befreiten Sklaven als Rüstung) ins Ensemble aufzunehmen. Als sich später noch eine asiatische Schwertkämpferin (Doona Bae) im Kampf gegen eine Spinnenfrau (Jena Malone) beweisen muss, die bei der Borgkönigin und bei Kankra aus „Der Herr der Ringe“ gleichermaßen abgepaust scheint, werden die Teambuilding-Maßnahmen so konkret, dass Snyder im Grunde bereits seine eigenen Superhelden-Ensemblefilme kopiert. Und dann greift auch noch Charlie Hunnam als selbsternannter Opportunist mit verschlagenem Silberbiss ins Spiel ein… hatten wir das nicht kürzlich schon einmal?
Übersehen wird bei all diesen bewussten oder unbewussten (Selbst-) Referenzen, dass die Welt im Zuge eines derart flachen Aufbaus eine lineare Strecke bleibt, in der sich keinerlei Hierarchien oder Strukturen bilden können, abgesehen von denen, die schon in der Synopsis festgehalten sind (Das gefräßige Mutterreich droht jegliche autarke Kolonie im Universum zu assimilieren – Punkt). Von Denis Villeneuves famoser Literaturadaption „Dune“ mag man diesbezüglich gerade völlig verwöhnt sein, aber für ein erstes Kapitel einer Filmreihe, die frecherweise bereits als lebensfüllende Endlos-Franchise vorausgeplant ist, wird bemerkenswert wenig Aufbau betrieben, um den massigen Leib, der noch im Aufbau begriffen ist, später tragen zu können. Womöglich aus Furcht, den Zuschauer mit allzu öden Dialogen zu verlieren (und öde wären sie wohl auch geworden, wenn man die im Endschnitt gelandeten Dialogfetzen als Grundlage heranzieht), flüchtet man sich lieber gleich in Sternenkriege, auf dass die orangenen und blauen Leuchtspuren einem nur so um die Ohren fliegen. Und: Je mehr Zeitlupe, desto cooler der Gegenschlag – auch wenn die wahre Genugtuung womöglich erst in der sinnlos zurückgehaltenen Langfassung aufgehen wird, wenn hoffentlich etwas mehr Impact zu sehen ist, denn in der hier rezensierten Fassung, ja, soll man sie nun wirklich Kinofassung nennen, da verpuffen die Einschläge wie trockene Luft – egal ob Hammer auf Schädel oder Laserstrahlen in Brustkörbe.
Eine massive Hypothek nimmt „Rebel Moon“ jedenfalls schon jetzt mit in die Pläne des nächsten großen Netflix-Events, das bereits begonnen hat, sämtliche Feiertage in Beschlag zu nehmen, kaum dass „Star Wars“ vorerst nur noch in abgeschotteter Serienform weiterlebt, wohingegen die Kinoleinwand weiter verwaist bleibt. Wie langlebig Snyders gestreamter Traum bleiben wird, muss sich erst noch herausstellen. Mit „Teil 1 – Kind des Feuers“ wurden aber denkbar schlechte Entscheidungen für einen ersten Teil getroffen. In einem wenig originellen Produktionsdesign zwischen industriellem Futurismus und Fantasy-Agrikultur bricht sich ein ungefiltertes Chaos aus Filmverweisen Bahn, die weniger von Respekt vor den eigenen Vorbildern zeugen als vielmehr von der eigenen Einfalls- und Ideenlosigkeit. Selbst der ähnlich katastrophal aufgebaute „Jupiter Ascending“ profitierte zumindest noch von der absurden Selbstironie der Wachowskis, die der stets bedeutungsschwanger inszenierende Zack Snyder in der Form nicht kennt. Wer auf diese Weise ein Königreich zu errichten versucht, dem könnte es schon mit dem gezielten Faustschlag eines Narren wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Vielleicht schon im zweiten Kapitel. Spencer, übernehmen Sie.
Gute
“Rebel Moon – Teil 1: Kind des Feuers” ist seit 23. Dezember 2023 exklusiv über Netflix abrufbar. Vorerst wird nur eine kürzere Schnittfassung gezeigt. Für einen späteren Zeitpunkt ist bereits eine längere Schnittfassung angekündigt.
Sascha Ganser (Vince)
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