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Rhea M – Es begann ohne Warnung

„Rhea M“ ist die erste und bisher einzige Regiearbeit von Horrorpapst Stephen King, basierend auf dessen Kurzgeschichte „Trucks“. In dem actionreichen Horrorfilm drehen verschiedene Gerätschaften, vor allem LKW, durch und killen Menschen. Eine Gruppe von Leuten ist in einer Raststätte gefangen, die von den Trucks belagert wird.

Originaltitel: Maximum Overdrive__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1986__Regie: Stephen King__Darsteller: Emilio Estevez, Pat Hingle, Laura Harrington, Yeardley Smith, John Short, Ellen McElduff, J.C. Quinn, Christopher Murney, Holter Graham, Frankie Faison, Pat Miller, Jack Canon, Larry Parks, John Brasington, J. Don Ferguson, Leon Rippy, Giancarlo Esposito, Stephen King, Marla Maples u.a.
Rhea M

“Rhea M” ist die erste und bisher einzige Regiearbeit von Horrorpapst Stephen King

In den 1980ern waren Stoffe von Stephen King im Buchladen und auf der Leinwand nahezu ein Erfolgsgarant, warum also den Star-Autor nicht mal Regie führen lassen? Dachte sich auch Produzent Dino De Laurentiis („24 Stunden in seiner Gewalt“), der dem Schreiber „Rhea M“ ermöglichte.

King adaptierte seine eigene Kurzgeschichte „Trucks“, die er auf Spiellänge aufplusterte und mit Erklärungen des Grauens anreicherte. So erfährt man eingangs vom hierzulande titelgebenden Kometen Rhea M, der an der Erde vorbeizieht. Infolgedessen spielen verschiedene Maschinen verrückt. Ein Bankautomat beschimpft einen Kunden, gespielt von Stephen King himself, mit „Fuck You“ und „Asshole“. Der nächste In-Joke folgt direkt, als eine Klappbrücke von alleine hochfährt, es zu reichlich Autocrashs kommt und ein Kleinbus mit dem Logo der Band AC/DC, die den Soundtrack beisteuert, geschrottet wird. Allerdings wirkt das ganze Spektakel trotz der zahlreichen Stunts seltsam unspektakulär, was schon Vorahnungen auf die Qualitäten des Regie-Debütanten gibt.

Das ist erst der Anfang, denn es rasten immer mehr Gerätschaften aus: Ein Getränkeautomat benutzt Dosen als tödliche Geschosse, ein elektrisches Schneidemesser säbelt in eine Kellnerin hinein und vor allem LKW überfahren mit großer Freude Menschen. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist eine Raststätte namens Dixie Boy, wo Bill Robinson (Emilia Estevez) Koch ist und die bald von zahlreichen Trucks belagert wird…

Schaut euch den Trailer zu „Rhea M“ an

„Rhea M“ wurde nicht unter den besten Voraussetzungen gedreht. King mangelte es nicht nur an jeglicher Erfahrung im Bereich der Regieführung, der Autor befand sich damals auch noch auf dem Höhepunkt seiner Alkohol- und Drogensucht. Teilweise schrieb er mit Tampons in der geschundenen Nase, um die Seiten in der Schreibmaschine nicht vollzubluten, konnte sich in der Rückschau nur noch halb daran erinnern „Cujo“ verfasst zu haben und verbrachte den Dreh von „Rhea M“ nach eigener Aussage größtenteils im zugekoksten Zustand. Um es mal ganz böse zu sagen: Das merkt man der Regie- und Drehbuchleistung durchaus an. Das fängt schon bei den Figuren an, die in Kings Romanen meist eine Stärke sind, ebenso in den besten seiner Filmadaptionen. In diesem Fall sind es die reinsten Klischees, deren Verhalten kaum nachvollziehbar ist. Der Koch Bill und die Anhalterin Brett (Laura Harrington) fühlen sich Rekordzeit voneinander angezogen und landen in der Kiste, weil junge, gutaussehende Menschen in Filmen wie diesem halt ein Paar werden, aber das Buch kann es nicht glaubhaft rüberbringen. Dass die vorher schlagfertige Brett, die einen grabbeligen Bibelverkäufer souverän in die Schranken verweist, bald nur noch mit Kulleraugen auf Bill schaut und diesen bei jeder Gelegenheit als „Held“ bezeichnet, liegt dann irgendwo zwischen peinlich und unfreiwillig komisch.

Der Rest der Belegschaft ist größtenteils profillos und als Hintergrunddeko oder zum Draufgehen da. Wen es wohl erwischt, ist in den meisten Fällen schon am Verhalten zu sehen. Schmierlappen wie der Raststättenchef Hendershot (Pat Hingle), der Bill wegen einer Vorstrafe zu Schwarzarbeit zwingt und auch sonst in jeder Hinsicht ein Arsch ist, sind halt Metzelmasse in spe. Ebenso der Bibelverkäufer mit Doppelmoral, der Dieb in der Spielhalle oder die hysterische Kellnerin, welche die Maschinen von der vermeintlichen Überlegenheit der Menschen („We made you!“) überzeugen will. Ansonsten gehen viele gesichtslose Statisten drauf, meist abrupt und spannungsarm, wobei allenfalls die Ruppigkeit beeindruckend ist, denn da macht King keine Gefangenen. Da wird auch mal ein Kind von einer Dampfwalze überrollt. Manches ist sogar beklemmend, etwa wenn ein Junge durch die Vorstadt fährt und überall Menschen herumliegen, die vom Kabel ihres Föns erwürgt wurden oder auf andere grausame Weise zu Tode gekommen sind. In der ursprünglichen Version wäre „Rhea M“ sogar noch derber gewesen, doch einiges wurde für das R-Rating entfernt. Unter anderem sollte man einige Opfer noch deutlicher sehen, die Dampfwalze hätte noch einen Vater auf dem Parkplatz überrollt und das elektrische Messer hätte einer Figur im Diner noch den Finger abgesäbelt (deshalb sieht man diesen im fertigen Film auch am Boden liegen, obwohl nichts dergleichen passiert ist). Kreativ sind die Todesszenen also, das muss man King lassen.

Leider färbt dessen unbeholfene Regieleistung auch auf andere Gewerke ab. Evan A. Lottman war für den Schnitt von Klassikern wie „Der Exorzist“ und „Asphalt-Blüten“ (mit)verantwortlich, kam hier aber direkt nach „Der Protector“ in die nächste Chaos-Produktion. So wirken die Szenenübergänge teilweise holprig, was manchmal an den Schnitten fürs R-Rating liegen mag, an vielen anderen Stellen aber wohl so im Schneideraum entschieden wurde. Und mit Zeit- oder Budgetknappheit kann sich hier niemand rausreden, denn De Laurentiis ließ sich nicht lumpen, wie man an den Spektakelszenen sehen kann. Es gibt Verfolgungsjagden, Crashs und diverse Explosionen. Denn glücklicherweise ist Hendershot ein Prepper und ein Waffennarr, der unter anderem einen Raketenwerfer im Keller hat, mit dem man ganz prima Trucks wegballern kann. Das funktioniert allerdings immer auf die gleiche, undramatische Weise: Mensch und LKW stehen sich in weiter Entfernung gegenüber, der Mensch schießt aus der Hüfte und der Truck geht dann in einem großen Feuerball auf – dramatisch-spannende Action geht anders. Mit diesem Langweiler-Move wird im Finale sogar der Green-Goblin-Truck entsorgt, der zuvor zu einer Art Nemesis der Dixie-Boy-Besucher aufgebaut wurde und der sicherlich einige Marvel-Lizenzgebühren kostete.

Auch sonst knistert es dramaturgisch im Gebälk. Anfangs hat „Rhea M“ noch seine Stärken, wenn er drei Handlungsstränge um die Dixie-Boy-Leute, ein frisch vermähltes Ehepaar und einen Jungen nutzt, um das Ausmaß der Katastrophe zu zeigen und teilweise beklemmende Szenarien zu schaffen, gerade wenn das Paar und das Kind jeweils verzweifelt nach einem sicheren Ort suchen. Sobald alle im Dixie Box angekommen sind, nimmt „Rhea M“ immer mehr Tempo raus, um immer weiter zu versanden. Wenn die Trucks die Raststätte umkreisen wie die Indianer die Wagenburg im Western, dann ruft das zwar Assoziationen hervor, aber wenig Spannung, da die LKW nie das Gebäude attackieren. Warum, das erfährt man von Bill rund 20 Minuten vor Schluss. Weitere zehn Minuten später ist aber das passé, weil die Trucks dann doch angreifen und alles vorher Gesagte für die Katz ist. Aber solche Löcher im Plot gibt noch und nöcher, etwa eine in die Luft gejagte Planierraupe, die nachher doch wieder fährt. Manches muss man hinnehmen, z.B. dass Autos im Gegensatz zu anderen Vehikeln nicht von den Rhea-M-Auswirkungen betroffen sind. Und manches ist irgendwo zwischen dämlich, unlogisch und öde, etwa wenn die Trucks, die vorher stundenlang spritverbrauchend im Kreis gefahren sind, die Menschen mit einem Druckmittel dazu bringen sie zu betanken, was in eine extrem langweilige Passage mündet, in der man Bill und anderen minutenlang bei der Arbeit an der Zapfsäule zusehen darf.

Mit Emilio Estevez („Das Highway-Trio“) spielt ein Brat-Pack-Star die Hauptrolle und bringt genug von seinem Charisma ein, um Bill wenigstens zu einem halbwegs memorablen Helden zu machen. Laura Harrington („Buckaroo Banzai“) setzt anfangs Akzente, wird danach vom Drehbuch aber vollkommen im Stich gelassen, während Pat Hingle („Zum Teufel mit den Kohlen“) seine Arschgeigen-Nummer solide absolviert. Die spätere Lisa-Simpson-Stimme Yeardly Smith geht einem dagegen als quäkende Braut, die man ganz schnell in den Hillbilly-Himmel wünscht, gehörig auf den Keks, während ihr Film-Ehemann John Short („Kopfgeld“) andauernd wie die Discounter-Version von Andrew McCarthy aussieht.

So hat „Rhea M“ immerhin eine ungewöhnliche Prämisse, einige kreative Todesszenen und einige beklemmende Passagen zu bieten, doch leider ist das Ganze fußlahm von King umgesetzt worden und dramaturgisch holprig, sodass ein mäßiges Hardrock-Horrorfilmchen mit ein paar Action-Schauwerten draus geworden ist. Der Soundtrack von AC/DC trägt auch nicht gerade zur Gruselatmosphäre bei, hat aber immerhin ein paar schmissige Nummern zu bieten, die gerade in den actionreicheren Phasen dann wieder passen.

Nachdem „Rhea M“ in Deutschland erst nur als gekürzte FSK-16-VHS erschien, nahm sich Kinowelt im DVD-Zeitalter des Missstandes an und veröffentlichte ihn ungekürzt, freigegeben ab 18 Jahren. Mittlerweile wurde die Uncut-Version auf FSK 16 herabgestuft und von Koch Media als Mediabook mit DVD und Blu-Ray veröffentlicht. In Sachen Bonusmaterial gibt es dort drei Audiokommentare, eine Bildergalerie, Trailer, Interviews, Featurettes und ein Behind the Scenes.

© Nils Bothmann (McClane)

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