Originaltitel: Santet – Wanita harimau__Herstellungsland: Indonesien__Erscheinungsjahr: 1989__Regie: Sisworo Gautama Putra__Darsteller: Suzzanna, Jeffry Daniel, Rina Hassim, Doddy Sukma, H. Bokir, H. Nasir T., Igln Jagatkarana, Arbie Soetama, Neny Ribut Rawit, Rina Lydia Rawit, Lela Anggraeni, Sri Wigati, H. Kosim Betawi, Wadhy S., Simon PS u.a. |
Auf den ersten Blick hat eine Weltstadt wie London nicht viel mit der Handvoll Waldhütten aus „Santet 2“ gemein, die sich gerade noch mit Ach und Krach ein indonesisches Dorf schimpfen dürfen. Und doch werden hier wie dort letztlich die gleichen Attraktionen geboten: Legendäre Konzerte, große Märkte mit exotischen Frischwaren…. und blutgierige Therianthropen, die das Nachtleben gehörig aufmischen.
Zeit hat Regisseur Sisworo Gautama Putra keine zu vergeuden bei dem Versuch, an den nur ein Jahr zuvor veröffentlichten Vorgänger anzuknüpfen. Mit noch frischen Erinnerungen geht es im Sequel auch gleich zur Sache, als nach wenigen Sekunden bereits der Wohnzimmerschrank von Hauptfigur Katemi (Suzzanna) rappelt, die nach ihren aufreibenden Erfahrungen mit der Welt des Übernatürlichen gerade wieder versucht, im Alltag Fuß zu fassen. Zum Vorschein kommt eine hässliche Hexe mit wirrem Haar und schlechten Zähnen, die ähnlich wie Sam Raimis Deadites aus „Tanz der Teufel“ stets von einer grellen Scheinwerfer-Aura umgeben ist und sich zappelnd und kichernd als Mentorin von Nyi Angker vorstellt, von der Katemi damals in die Kunst der schwarzen Magie eingeführt wurde. Und dann geht es auch schon los: Wer schon immer mal sehen wollte, wie die legendäre Transformationsszene aus „American Werewolf in London“ in einem indonesischen Rip-Off mit einem Plüschtiger imitiert wird, ist hier absolut goldrichtig. Und ja, es sieht in Aktion tatsächlich so bescheuert aus, wie es klingt.
Wo der Werwolf also im kühlen Großbritannien heult, da sind es in der indonesischen Kultur eher Krokodile oder Tiger, die sich als Menschmischwesen im Urwald tummeln und ihre nicht verspeisten Ziegeninnereienreste auf dem Gehweg liegen lassen. Und weil sich Rick Baker zu jenem Zeitpunkt 16.000 Kilometer entfernt vermutlich eher schon Gedanken über „Gremlins 2“ machte, anstatt bei dem Tiger auszuhelfen, muss sich „Santet 2“ eben mit einem ausgestopften Bettvorleger in Lebensgröße begnügen, der mit kraulenden Beinbewegungen von den Assistenten durch das Grün des Dschungels geschoben wird und dessen Pfoten sich manchmal auch um die Hälse Einheimischer legen, selbst wenn die nicht allzu stabilen Wände der Hütten im Weg sind. In den Effektszenen sind dann auch nicht die Effektspezialisten die Stars, sondern der Schnittmeister, sorgt der doch regelmäßig für Publikumserheiterung, wenn er Aufnahmen echter Tiger immer wieder direkt an die Plüsch-Action montiert. Die majestätische Schönheit und Grazilität der indonesischen Natur, Seite an Seite mit einer abstrakten Bastel-Imitation derselben, schöner kann man die assoziativen Tricks der Filmmontage eigentlich gar nicht entlarven.
Abgesehen vom Tiger, der natürlich als Variation des Krokodils aus Teil 1 eingebaut wurde, stößt man alle paar Filmminuten auf vergleichbare Parallelen: Statt Schlangen gibt’s nun Axolotls, und die spontane Rambo-Gesangseinlage wurde mit einer ganzen Reihe von Tanzveranstaltungen und Musical-Einlagen erweitert, die stark an das indische Unterhaltungskino angelehnt sind. Es scheint Putra fast noch mehr um Metamorphose als Kontinuität zu gehen: Zwar werden einige Handlungsstränge und Running Gags aus dem Vorgänger durchaus wieder aufgegriffen und weitergeführt (insbesondere, was den Slapstick um Nebendarsteller Bokir angeht, der als schlaksiger Ehebrecher und Theatraliker in vielen Szenen sogar der populären Hauptdarstellerin die Butter vom Brot stiehlt), aber insgesamt fühlt sich „Santet 2“ nach „Santet“ eher so an wie die zweite Hälfte eines Double Features im Theater, wenn die Kulissen umgebaut worden sind und den Akteuren neue Kostüme verpasst wurden. So spielt Gusti Jagat Karana, der sein charismatisches Narbengesicht im ersten Teil noch einem widerwärtigen Gangster lieh, eine völlig neue Rolle, die ihn weitaus neutraler wirken lässt, und auch sonst sieht man viele alte Bekannte in neuer Position wieder.
Obwohl sogar die farbenfrohe Optik wieder die gleiche ist und zumindest visuell unverkennbar aus dem gleichen Farbtopf wie der Vorgänger kommt, so dass in einigen Einstellungen auch wieder märchenhafte Kompositionen zustande kommen, ist die Flagge in sämtlichen anderen Belangen leider diesmal auf halbmast. Das typisch verdorbene Gefühl, das oft bei Black-Magic-Filmen zugegen ist, hält sich diesmal allenfalls für die wenigen Filmminuten, in denen Katemi mit der Hexe spricht. Abseits dessen herrscht ein milder Ton vor, der sich durchaus bereits als Familienunterhaltung eignet. Body-Horror-Effekte stehen kaum mehr auf dem Plan, selbst die Verwandlung in einen Tiger wirkt durch den Schnitt seltsam unkörperlich, anders noch als das, was man damals mit dem tricktechnisch auch nicht unbedingt hochwertigeren Pappkrokodil angestellt hatte.
Überhaupt fehlt das solide Gerüst für den Plot, das in „Santet“ durch die drei Prüfungen und die schlüssig ausgearbeitete Motivation für den Einsatz der schwarzen Magie gegeben war. Hier geht es lediglich um die Rückkehr verdrängter Geister, und Suzzannas Rolle ist nicht tief genug ausgearbeitet, als dass sie schauspielerische Glanzlichter setzen könnte. Weiterhin besteht ihr Job darin, ihre Ausstrahlung wirken zu lassen und dabei möglichst ernst aus der Wäsche zu schauen, was vor allem dann skurril wirkt, wenn sie in den luftigen Musical-Szenen die Hüften schwingt, mit den Augenlidern klimpert und mit der Luft züngelt, während Bokir davon singt, wie sie ihre Lippen nässt. Bedenkt man, wie spontan und nahtlos solche Schlenker in Zwischenepisoden hinein im Vorgänger noch inszeniert wurden, wirken vergleichbare Versuche diesmal plump und lassen den Verdacht aufkommen, es reiche sonst einfach nicht, um volle 90 Minuten zu füllen. Der Humor ist bei alldem platt, der künstlerische Ausdruck spürbar gezähmt, zumal auf die Größe Allahs penetranter als bis dahin gewohnt ein Loblied gesungen wird, wann immer die dunklen Mächte Überhand zu nehmen drohen. Der Aberglauben der Landbevölkerung kommt durch diese Einschnitte nur gedämpft zur Geltung, eher schon werden die Weichen gestellt für narkotisierende Fernsehunterhaltung mit wenig Gehalt und viel Kontrolle.
„Santet 2“ hätte tatsächlich das Zeug dazu gehabt, der neue „Indonesian Weretiger in Some Indonesian Village“ zu werden: Mit der raschen Eröffnung und der initialen Verwandlungssequenz sind die Weichen gesetzt für ein unterhaltsames Sequel gefüllt mit maximal billigen Spezialeffekten, das die Markenzeichen des ersten Teils auf Grundlage der bunten Mythen Indonesiens lustvoll variiert. Leider fällt Sisworo Gautama Putra nicht genug ein, um vom mageren Skript abzulenken. Das grellste Konzertfeuerwerk und die schmachtigsten Balladen an Indo-Horrorqueen Suzzanna können nicht davon ablenken, dass der Tiger weder Krallen noch Zähne hat.
Schaut in den Trailer zur Blu-ray-Veröffentlichung
„Santet 2“ wurde in den USA über Vinegar Syndrome gemeinsam mit dem Vorgänger „Santet“ auf einer Blu-ray veröffentlicht. Während „Santet“ zumindest mit einem englischsprachigen Audiokommentar von Filmhistoriker Dr. Ekky Imanjaya aufwarten konnte, sind für das Sequel keinerlei Extras auf der Scheibe vorgesehen. Die in 2K aufbereitete Bildqualität stimmt aber bei beiden Filmen gleichermaßen. Geboten wird der indonesische Originalton in DTS-HD Master Audio mit optionalen englischen Untertiteln. Die ersten 6.000 Exemplare kommen im Slipcover und haben außerdem ein 16-seitiges Booklet mit Text von Thomas Barker an Bord. Die Scheibe ist codefree und läuft somit auch auf europäischen Abspielgeräten.
Sascha Ganser (Vince)
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