Originaltitel: Spiral: From the Book of Saw__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Darren Lynn Bousman__Darsteller: Chris Rock, Samuel L. Jackson, Marisol Nichols, Max Minghella, Genelle Williams, Zoie Palmer, Nazneen Contractor, Dan Petronijevic, K.C. Collins, Josh Stolberg u.a. |
Bei den Festivitäten zum 4. Juli verfolgt ein verdeckt ermittelnder Cop einen Taschendieb. Der lockt den Polizisten in das Tunnelsystem unter der Stadt. Hier folgt der Cop dem Dieb weiter, bis plötzlich eine dem Zuschauer nur zu vertraute Schweinemaske aus der Dunkelheit auftaucht und der Kerl darunter den Cop überwältigt. Als der wieder zu sich kommt, steht er äußerst instabil auf einer winzigen Trittfläche, die Arme an der Decke des Tunnels fixiert und seine Zunge in eine seltsame Apparatur eingeklemmt.
Vor dem Cop steht ein Fernseher mitten auf den Gleisen der örtlichen U-Bahn. Als der TV angeht, verkündet eine Stimme: „Ich möchte ein Spiel spielen…“ Zugegeben, als es vor wenigen Jahren hieß, das „Saw“-Franchise werde mit Teil sieben zu Grabe getragen, wurden kaum Tränen der Trauer verdrückt. Zu recht, wie sich herausstellen sollte, denn mit „Jigsaw“ probte man den Rücktritt vom Rücktritt und fuhr das Franchise mit Karacho gegen die Wand.
Total gequält kochten ausgerechnet die sonst so solide arbeitenden Spierig-Brothers die bekannten Franchise-Ingredienzien auf und mussten bitterlich feststellen, dass die Story um „Jigsaw“ schlichtweg auserzählt war. Das Publikum juckte das leider wenig und die Taler rollten trotzdem. Vier Jahre später sitzt der geneigte Fan nun vor einem neuerlichen Film aus dem „Saw“-Universum. Der heißt „Saw: Spiral“ und sorgte im Vorfeld mit interessanten Fakten für Aufmerksamkeit.
So sollte „Saw: Spiral“ keine direkte Fortsetzung der „Saw“-Filme werden, allerdings in deren Zeitlinie spielen. Die Idee für die Geschichte stammte von Chris Rock, der ja eher als Komiker bekannt ist und zudem die Hauptrolle spielen wollte. Mit Samuel L. Jackson konnte vor allem im Vergleich zu den Vorgängerfilmen ein echter Hochkaräter als weiterer Darsteller verpflichtet werden. Und mit Daren Lynn Bousman („Death of Me“) kehrte der Regisseur der Teile 2, 3 und 4 zum Franchise zurück, unterstützt durch die Begründer der Filmreihe, James Wan („Aquaman“) und Leigh Whannell („Upgrade“), die als Produzenten ihren Teil beitrugen. Was sollte da groß schiefgehen?
Und wirklich: „Saw: Spiral“ bietet zumindest ordentliche Unterhaltung, fernab der Untiefen des Vorgängerstreifens. Und damit zurück zu dem Cop in misslicher Lage. Der erfährt durch sein Gegenüber auf dem TV-Bildschirm, dass dieser das Rechtssystem und dabei vor allem die Polizei des Ortes reformieren wolle. Anfangen werde er mit dem gefesselten Cop, der bei Aussagen vor Gericht mehrfachen Meineid geleistet habe. Sei dieser bereit, sich selbst mithilfe der Apparatur seine Lügenzunge herauszureißen, bevor ihn die nächste U-Bahn zermatscht, habe er genug Buße getan.
Kurze Zeit später wird Detective Zeke Banks in einen U-Bahntunnel einbestellt. Eine Bahn habe vermutlich einen Penner überfahren. Banks muss allerdings schnell feststellen, dass der Berg menschlicher Überreste keinem Penner gehört. Als er wenig später eine Geschenkbox mit einer menschlichen Zunge und einer Polizeimarke darin erhält, wird ihm schnell klar, dass das Opfer ein Cop war. Ein USB-Stick mit einer Videobotschaft räumt zudem mit dem Irrglauben auf, dass es sich bei der Todesursache des Cops um einen Unfall gehandelt haben könnte. Nicht nur Banks denkt sofort an einen Jigsaw-Nachahmungstäter.
Mit einem neuen Kollegen macht sich der im Präsidium verhasste Banks, der einst einen Kollegen an die Interne verpfiff, an die Ermittlungen. In dem Fall beginnen sich alsbald die Leichen zu stapeln und sogar der moralisch integre Banks scheint aus irgendeinem Grund eine Zielscheibe für den Killer zu sein.
Schaut in den Horrorfilm mit Chris Rock hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=1x6RCks8tX4
Wenn eine Stimme verkündet, sie wolle ein Spiel spielen, und die Kamera mittels Jump Cuts, hektischer Montage und treibender Musik eine Todesmaschinerie im Stile Jigsaws erkundet, indem sie auf Ketten, Zahnräder, Kurbeln und ähnliche Details fokussiert, ist man gefühlt sofort wieder mittendrin im „Jigsaw“-Kosmos. Und auch wenn das fiese Mastermind der Teile 1-8 nun nicht mehr selbst im Film mitspielt, schwebt sein Vermächtnis beständig über dem Streifen. Immer wieder fällt der Name Jigsaw. Man sieht ihn auf Fotos und mehrmals gibt es Bezugnahmen vor allem auf den ersten Teil. Mal ironisch gebrochen, etwa wenn eine ganz spezielle Säge im Film auftaucht. Mal volle Pulle, beispielsweise wenn ab Minute 60 die bekannten „Saw“-Themes von Charlie Clouser durch den Saal dröhnen.
Doch „Saw: Spiral“ übertreibt es nicht mit dem Fanservice, bewahrt sich wirklich sehr lange eine gewisse Eigenständigkeit. Geriert sich als Whodunit, bei dem die Ermittlungen von Chris Rocks Figur Banks im Mittelpunkt stehen. Von dessen Ermittlungen führt diesmal auch keine Parallelhandlung um mehrere Charaktere, die in irgendeiner perfiden Anordnung von Fallen festhängen, weg.
Leider kommt die Story um Banks ein wenig schwerfällig aus dem Startblock. Auch weil Banks ein wenig zu störrisch angelegt wirkt. Rock verpasst ihm gefühlt ein paar Attitüden zu viel. Von ausgebrannt über von den Kollegen verraten hin zu vom Leben massiv enttäuscht reicht die Palette. Zyniker ist er auch noch. Das nimmt teilweise leicht unfreiwillig komische Züge an. Auch weil Rock in diesen Momenten nicht immer souverän wirkt. Ist die eigentliche Handlung endlich etabliert, läuft der Streifen runder. Versucht Bousman Nebelkerzen zu werfen und falsche Fährten zu legen. Das ist alles solide erzählt und wird mit zunehmender Laufzeit auch immer spannender.
Leider streuen Drehbuch und Regie einige Hinweise zu viel in Hinsicht auf den fiesen unbekannten Mörder. Ein eklatanter Logikbug enttarnt ihn sogar deutlich vor der geplanten Offenlegung und sorgt so ausgerechnet vor dem Finale für einen echten Spannungsbump. In Sachen Logik holpert es in dem Film im Übrigen häufiger. So ist es beispielsweise echt seltsam, dass es in der Welt des Filmes keine Beweisführung mittels DNA zu geben scheint. Trotzdem fühlt sich die Story rund an, wirkt in sich schlüssig und versucht gar nicht erst, eine wüst konstruierte Bezugnahme zu den bisherigen Filmen aufzubauen – womit sich die Vorgängerfilme zuletzt durch die Bank verhoben hatten.
Apropos Vorgängerstreifen: „Saw: Spiral“ wirkt im Vergleich zu den Vorgängerfilmen weniger blutrünstig. Die Opferzahl ist auch überraschend niedrig. Aufgrund der aktuellen Schwemme an PG-13-„Horror“, die einen auch als Zuschauer gefühlt ein wenig weichgespült hat, wirkt der Streifen für einen Mainstream-Horrorfilm dennoch erstaunlich deftig, auch weil Bousman so manche Todesmaschinerie heftig auskostet und ein bis zwei Wirkungstreffer erzielt, die einen unangenehm berührt im Sessel herumrutschen lassen. Die Splattereinlagen sind, wie vom Franchise gewohnt, aufwändig in Szene gesetzt und transportieren viel handgemachte Effektarbeit.
In technischer Hinsicht setzt Bousman den zuletzt im Franchise eingeschlagenen Weg fort. Präsentiert erstaunlich glatte, farbintensive Bilder, die die Optik der vor allem ersten drei Teile heftig kontrastieren. Um die im Film postulierte Hitzewelle zu bebildern, legte er auf alle Bilder zudem einen wirklich intensiven Braunfilter. Der so generierte Look ist zwar gefällig, der gritty Look der ersten Teile gefiel mir persönlich aber deutlich besser. Bei der Musik mag man in den ersten 60 Minuten gar nicht glauben, dass sie von Charlie Clouser kommt. Nach den 60 Minuten mischt er aber mehr und mehr bekannte Themes unter. Im Showdown lässt er dann das hinlänglich bekannte Maintheme durch die Boxen knallen.
Darstellerisch wirkt Chris Rock („Lethal Weapon 4“) wie bereits erwähnt nicht immer souverän, macht im Großen und Ganzen aber einen ordentlichen Job und erarbeitet sich seinen Status als Identifikationsfigur mit jeder Minute mehr. Samuel L. Jacksons („Kong: Skull Island“) Part als Vater von Rocks Figur hat leider sehr wenig zu tun bekommen und wirkt durchweg unterfordert. Die beste darstellerische Leistung liefert Max Minghella als neuer Partner von Banks ab. Er hilft beispielsweise extrem dabei, von Rocks überladenen Charakter ein wenig abzulenken. Als Chefin der Cops macht zudem Marisol Nichols („24“) eine gute Figur. Meine liebe Not hatte ich mit den anderen Nebendarstellern. Die wirkten teils echt ein wenig resterampig und verpassten dem Film mit ihrem Spiel einen seltsam deplatziert wirkenden B-Z-Charme.
„Saw: Spiral“ lässt die Säge kreischen
Der neueste Eintrag ins „Saw“-Universum erfindet das Franchise mitnichten irgendwie neu. Stattdessen bietet der Film eine solide runter erzählte Thrillerhandlung, die mit herzhaften Splatter-Szenarios und einigen gelungenen Bezugnahmen auf die vorherigen Filme aufgewertet wird. Logikbugs, hier und da etwas unbedarfte Schauspielleistungen, ein etwas zu behäbiger Start und die alles andere als überraschende Auflösung des großen Whodunits schmälern den Spaß allerdings deutlich.
STUDIOCANAL hat sich auch „Saw: Spiral“ zur Brust genommen und wertet ihn aktuell in den deutschen Kinos aus. Der Film ist ungeschnitten (zumindest ist noch keine Unrated-Version angekündigt) und mit einer Freigabe ab 18 durch die FSK bekommen.
In diesem Sinne:
freeman
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