Originaltitel: Scream 4__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2011__Regie: Wes Craven__Darsteller: David Arquette, Neve Campbell, Courteney Cox, Emma Roberts, Hayden Panettiere, Anthony Anderson, Adam Brody, Rory Culkin, Mary McDonnell, Marley Shelton, Alison Brie, Erik Knudsen, Kristen Bell, Anna Paquin, Lucy Hale u.a. |
Anno 2000 hatte „Scream 3“ noch groß vom Ende von Trilogien getönt, von einem vierten Teil sah man ab, aber in der letzten Jahren gingen die Karrieren aller Beteiligten nicht unbedingt steil – wie also überzeugend einen vierten Teil an den Mann bringen?
Die lange Wartezeit hat da durchaus gut getan, denn das Thema sind nun Remakes und Reboots von Franchises – seit einigen Jahren ein Standard nicht nur im Horrorgenre, vor allem aber dort. Auch der Boom des Torture Porn und das ewige Versequeln kriegen in der Auftaktsequenz ihr Fett weg, eine Film-im-Film-im-Film-Szene, die uns zeigt, dass es mittlerweile sieben „Stab“-Filme gibt, welche die ursprünglich realen Ereignissen autark weiterspinnen, zur Not auch mit Zeitreisen, postmodernem Aushebeln der Realität usw. Durchaus gewitzt, aber leider auch ein Symbol für den etwas überkandidelten Tonfall, der den vierten Teil der Reihe auszeichnet – da kommt auch der Auftaktmord an zwei Teen-Girls nur bedingt als Erdung daher.
Davon weiß Sidney Prescott (Neve Campbell) nichts als sie in ihre Heimatstadt Woodsboro zurückkehrt, um 15 Jahren nach den Geschehnissen von „Scream“ ihre Autobiographie „Out of the Darkness“ vorzustellen. Dwight ’Dewey’ Riley (David Arquette) und Gale Weathers (Courteney Cox) haben mittlerweile geheiratet, er ist Sheriff des Städtchens, sie nur noch Hausfrau infolge einer gescheiterten Karriere. Damit bemüht sich „Scream 4“ die Figuren weiterzuentwickeln, auch wenn die Ehekrise im Hause Riley etwas gekünstelt wirkt – ironischerweise trennten sich die beiden in der Realität verheirateten Schauspieler während der Dreharbeiten.
Bald werden die Leichen gefunden, Sidney wieder in Gefahr – sowie auch die Teenager des Ortes, darunter auch Sidneys Cousine Jill Roberts (Emma Roberts). Ist es etwas Persönliches oder will der Killer tatsächlich nur sein persönliches „Stab“-Reboot?
httpv://www.youtube.com/watch?v=7rreSKYQ2Yw
Natürlich sind die Motive der Killer in den „Scream“-Filmen immer eine Mischung aus beidem, da man bereits geplant hat wie man davonkommt und dies in den Medien ausschlachtet, dabei aber auch immer gerne noch ein paar persönliche Rechnungen begleicht. Insgesamt erinnert das Killermotiv am ehesten an den ersten Teil der Reihe, was im Gesamtkontext aber durchaus Sinn macht: „Scream“ dient extra- wie intradiegetisch als Blaupause, der man mal folgt, von der man mal abweicht. Wieder ist eine Party als Austragungsort des Showdowns, nur nicht die, von der die Figuren dies dachten, Gale versucht wieder den Trick der Kameraüberwachung, aber der Killer hat sie durchschaut, vielen Figuren sind durchaus als Spiegelbilder der bekannten „Scream“-Charaktere angelegt – gerade Jill erinnert nicht nur optisch an Sidney, sie hat auch einen suspekten Ex-Freund.
Ja, es hagelt wieder Verweise auf die eigene Franchise und das Horrorkino allgemein, der Killer stellt seine Fragen diesmal zu den Remakes der letzten Jahre, zwei Polizisten fürchten das Schicksal ihrer Vorgänger aus „Scream 2“ zu erleiden, von denen einer auch noch Anthony Perkins (Anthony Anderson) heißt. Die obligatorischen Film-Nerds in der Randy-Nachfolge tauchen auf, Webcam-Filmer Robbie Mercer (Erik Knudsen) und Schüchterbacke Charlie Walker (Rory Culkin), doch neben den beiden Nerds, die auch so aussehen, gibt es mit Kirby Reed (Hayden Panettiere) einer Horror-Buff, der gut aussieht und sogar „Suspiria“ im Regal stehen hat. Insofern funktioniert die Verweiskultur in „Scream 4“ ebenso blendend wie in den Vorgängern, gerade Kenner und Fans sind angehalten nach Details zu suchen.
Nebenbei werden Webphänomene wie Facebook, Twitter und youtube aufs Korn genommen, die Vernetzung und Mediatisierung sind seit „Scream 3“ mächtig fortgeschritten und auch intradiegetisch macht sich der Killer dies zunutze. Dessen Vorgehen wird in spannend inszenierten Mordszenen bebildert, die Cravens Handwerkskunst erneut zeigen, getreu den Sequel-Regeln aus „Scream 2“ werden mehr Leute umgebracht und das auf drastischere Weise, was durchaus auch als Verweis auf das aktuelle, überharte Horrorkino durchgeht. Die Zeiten ändern sich und während man das Gedärm in Unrated DC des ersten „Scream“ lange Zeit nur in der ungeprüften Fassung sehen durfte, so gibt es ähnliches in „Scream 4“ nun frei ab 16.
Die Mördersuche ist durchaus spannend, die Auflösung in Ordnung, aber kein Brecher, aber durchaus sinnig und gut konstruiert, doch ein, zwei Wehrmutstropfen muss man bei dem Wiedersehen schon schlucken. Die Charaktere, eine der großen Stärken der Franchise, werden zumindest auf Neulingsseite noch schwächer entwickelt als die aus „Scream 3“. Deweys und Gales Geschichte führt man gut fort, bei Sidney ist echte Weiterentwicklung zu sehen: Sie geht den Killer aggressiv an, lässt sich von Messer und Maske nicht abschrecken und hat offensichtlich Kampfsport studiert – sie will eben kein Opfer mehr sein, wie sie in ihrer Biographie schreibt. Leider fallen da die nur rudimentär entwickelten Nebenrollen-Youngster noch etwas negativer auf. *SPOILER* Da ist es schon durchaus konsequent, dass man am Ende des Film wirklich alle jüngeren Figuren samt und sonders weggehäckselt hat. *SPOILER ENDE*
Noch ein Stückchen problematisch ist allerdings das Weitergehen des bereits von „Scream 3“ betretenen Pfades zur Slashercomedy. Witzig waren die „Scream“-Filme immer, Figuren wie Randy und Stu durchaus überdreht, aber hier ist man doch einen Tick zu überkandidelt: Ein Mordopfer fragt ob er am Leben bleiben dürfe wenn er schwul ist (neue Regeln und so), im Unterricht klingeln alle Handys gleichzeitig, man sieht das lange Sterben eines Kopfstichopfers, das dann noch einen letzten Oneliner ablässt usw. Das ist durchaus schade, denn der Wortwitz ist pointiert in gewohnter Williamson-Qualität, gerade das Gespräch der beiden Cops wer nun beim Patrouillengang draufgehen könnte ist ein wunderbares Beispiel.
Neve Campbell („Wild Things“), David Arquette („Bone Tomahawk“), Courteney Cox („Hetzjagd in St. Lucas“) – die Regulars sind zurück und machen eine gewohnt gute Sache, zumal Cox ein lustiges Doppelspiel spielt: Gale ist durchaus hart, die Oberbitch spielt sie aber nur. Und auch wenn das Drehbuch es nicht ganz so gut mit ihnen meint: Bei der jungen Besetzung kann man nicht klagen, Emma Roberts („Nancy Drew“) ist eh eine Nachwuchshoffung, Hayden Panettiere („Heroes“) macht sich auch als Tomboy und Erik Knudsen sollte schon seit „Jericho“ öfter größere Parts bekommen. Rory Culkin („Deadly Home“) spielt den Standard-Nerd durchaus solide, Marley Shelton („Die Vorsehung“) als Deputy ist dagegen etwas zu bemüht, für die Cameo-Fraktion gibt es Anna Paquin („X-Men“) und Kristen Bell („Veronica Mars“), deren Bit-Parts aber leider kaum ins Gewicht fallen, während Anthony Anderson („Exit Wounds“) und Adam Brody („Welcome to the Jungle“) als Cops punkten können.
„Scream 4“ kommt zur rechten Zeit um mit seiner Reboot-, Remake- und Web 2.0-Thematik den Nerv der Zeit zu treffen, er ist spannend, voller charmanter Verweise und durchaus pointiert geschrieben. Doch es bleibt eine leichte Enttäuschung, denn mit den neuen Charakteren weiß der Film wenig anzufangen, oft sind sie nur Metzelmasse, und der Humor ist doch etwas zu überkandidelt. Ein gelungener Film, aber der schwächste Eintrag der Franchise und hoffentlich auch der letzte – ansonsten könnte „Scream“ nämlich genau das gleiche Schicksal blühen wie der „Stab“-Reihe innerhalb des Films.
Knappe:
„Scream 4“ wurde hierzulande auf DVD und Blu-Ray bei Universal veröffentlicht; in der Komplettbox liegen die Rechte dagegen bei StudioCanal. Alle Versionen sind nicht nur ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben, sondern bieten alle das umfangreiche Bonusmaterial: Alternativer Anfang, alternatives Ende, entfallene Szenen, einen Audiokommentar von Wes Craven, Making Ofs, Outtakes und Trailer.
© Nils Bothmann (McClane)
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