„Scream 5“ will ein Requel, also eine Mischung aus Reboot und Sequel, sein und nennt sich daher nur „Scream“, unterscheidet sich allerdings kaum von den anderen Fortsetzungen. Wieder taucht Ghostface auf, um eine Mordserie in Woodsboro zu veranstalten, wieder könnte jeder unter der Maske stecken und wieder müssen die alten Helden nebst neuer Belegschaft in diesem Meta-Slasher um ihr Leben fürchten.
Originaltitel: Scream__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett_Darsteller: Neve Campbell, Courteney Cox, David Arquette, Melissa Barrera, Jenna Ortega, Marley Shelton, Dylan Minnette, Jack Quaid, Jasmin Savoy Brown, Mason Gooding, Sonia Ammar, Mikey Madison, Heather Matarazzo, Skeet Ulrich, Kyle Gallner u.a. |

„Scream 5“ oder einfach nur „Scream“ will ein Requel, also eine Mischung aus Reboot und Sequel sein
Sie sind ja gerade in, diese späten Sequels, die sogar auf eine Nummerierung im Titel verzichten, einfach den Namen des Erstlings erneut benutzen, um ihre Verbundenheit mit dem Original auszudrücken, dabei aber auch für Unklarheiten sagen. Nach „Halloween“ von 2018 und „Candyman“ von 2021 nun also „Scream“ von 2022, der als „Scream 5“ allerdings wesentlich korrekter betitelt ist.
Denn im Gegensatz zu manch anderer Neuauflage werden nicht alle anderen Sequels ignoriert, sondern die Geschichte von Woodsboro und dem Ghostface-Killer konsequent weitergeschrieben. Für den Meta-Aspekt wird die Auftaktsequenz von „Scream“ hier zu Beginn variiert: Wieder ist eine Schülerin allein zu Haus, wieder verwickelt sie ein geheimnisvoller Anrufer in ein Horrorfilmquiz, an dessen Ende er ihr ans Leder will. Dieses Mal ist es Tara Carpenter (Jenna Ortega), die allerdings weniger auf allgemeine Horror-Trivia geprüft wird, sondern auf eine bestimmte Filmreihe: „Stab“, die intradiegetischen Verfilmungen der Woodsboro-Morde. Ein paar zeitgemäße Aspekte wie die Türverriegelung via Handy im Smart Home werden eingebaut, Regie und Drehbuch haben das Original aufmerksam studiert, zeigen sich aber in erster Linie als gute Kopisten, die zwar variieren, aber wenig echte Neuerungen einbauen.
Tara überlebt die Attacke von Ghostface schwer verletzt, was ihre Schwester Sam (Melissa Barrera) zurückkehren lässt. Diese hat ihren Freund Richie Kirsch (Jack Quaid) im Gepäck und trifft vor Ort Taras Freundin Amber Freeman (Mikey Madison) sowie die Clique ihrer kleinen Schwester. Damit ist natürlich schnell eine Riege der Verdächtigen zusammengestellt – was der Film auch offen ausspricht, als Sam die Hilfe von Ex-Sheriff Dwight ‘Dewey‘ Riley (David Arquette) in Anspruch nimmt, der als Überlebender mehrerer Ghostface-Attacken gleich mal ein paar Regeln für „Scream“- bzw. „Stab“-Filme erklären darf.
Das Wiederauftauchen des maskierten Massakrierers ruft auch Gale Weathers (Courteney Cox) und Sidney Prescott (Neve Campbell) auf den Plan. Derweil stellt Sam bei ihren Ermittlungen fest, dass die neuerlichen Bluttaten eine Verbindung zur ersten Serie von Woodsboro-Morden und zu ihrer eigenen Vergangenheit haben…
httpv://www.youtube.com/watch?v=8iGGxYz9Mwo
Es wirkt etwas peinlich, dass „Scream 5“ sich so überdeutlich auf den Erstling bezieht, als wolle er direkt den Status als einzig wahre Fortsetzung für sich reklamieren, denn letztendlich schreibt er die Geschichte auch nicht cleverer als die anderen Sequels fort. Immerhin findet das Drehbuch von James Vanderbilt („White House Down“) und Guy Busick („Castle Rock“) einen hübschen Terminus für die Welle später Fortsetzungen, nämlich Requel. Irgendwo zwischen Reboot und Sequel starten diese eine Filmreihe nicht ganz neu wie etwa „Child’s Play“ von 2019, sondern bringen alte Figuren, die sogenannten Legacy-Charaktere, zurück, während gleichzeitig eine neue, jüngere Belegschaft eingeführt wird – Filmfan Mindy Meeks-Martin (Jasmin Savoy-Brown) nennt Beispiele wie „Halloween“, „Jurassic World“ und „Star Wars: Das Erwachen der Macht“. Auch die Tatsache, dass Slasher derzeit eher out sind und dafür gehobener Horror wie „The Babadook“, „It Follows“, „Hereditary“ und „The Witch“ schwer im Kurs steht, wird angesprochen, kommt aber über Namedropping kaum heraus. Und eher peinlich wirkt es, wenn Streaming im Allgemeinen und Netflix im Besonderen so plump eingebaut werden, dass Richie den Spitznamen „Netflix“ erhält, weil er dort die „Stab“-Reihe zwecks Recherche schaut.

Sidney Prescott (Neve Campbell), und Gale Weathers (Courteney Cox) sind als Legacy-Charaktere am Start
Wesentlich gelungener sind die Meta-Kommentare zu einer toxischen Fankultur im Internet, die Popkulturprodukte dermaßen erbittert für sich reklamiert und jedes vermeintliche Sakrileg mit regelrechtem Hass beantwortet – intradiegetisch kam in diesem Falle „Stab 8“ nicht gut an. Gleichzeitig ist „Scream 5“ mit Verweisen auf die Vorgänger im Allgemeinen und den Erstling im Besonderen gespickt: Wieder erklingt „Red Right Hand“ von Nick Cave, viele der (potentiellen) Opfer sind Verwandte von Menschen, die in frühere Mordserien verwickelt waren, und sogar frühere Schauplätze werden neu besucht. In einer ganz hübschen Passage wird die Szene, in der Randy in „Scream“ Jamie Lee Curtis anfeuert, sich doch umzudrehen, während hinter ihm selbst Ghostface steht, noch einmal gespiegelt und die Metaschraube noch ein Stück weitergedreht.
So haben Vanderbilt und Busick einen ganz pfiffigen Metaslasher geschrieben, ohne dabei an die Kreativität ihrer Vorgänger Ehren Kruger und vor allem Kevin Williamson heranzukommen. Manches wird auch nur halbherzig betrieben, etwa das Namedropping von Horrorregisseuren: Sam und Tara heißen Carpenter mit Nachnamen, eine Figur heißt Wes, aber da hört es auch schon wieder auf. Zudem ist manche überraschend gedachte Wendung, dann doch nicht so pfiffig wie gedacht. Dass Tara den Angriff nicht aufgrund von Ghostface‘ Inkompetenz überlebte, sondern dies zu einem Plan gehörte, ahnt man schon früher als die Hauptfiguren. *SPOILER* Und dass es einen der Legacy-Charaktere erwischen würde, war auch abzusehen – nachdem diese zuvor gewissermaßen unter Artenschutz standen, wurde es wohl Zeit, so schade es irgendwo ist. *SPOILER ENDE* Die Auflösung in Sachen Killeridentität und Motiv ist gelungen, auch wenn ein paar Verdachtsmomente in die richtige Richtung etwas zu offen eingestreut sind.

Guck mal, wer da slasht: Ghostface will Tara (Jenna Ortega) ans Leder
Womit sich das Drehbuch allerdings schwertut, ist eine vernünftige Involvierung der Legacy-Charaktere. Während Dewey noch etwas Profil als menschliches, traumatisiertes Wrack erhält, erscheinen Gale und Sidney fast wie Gaststars, die in erster Linie für ein paar coole Szenen da sind. Manche Information wird kurz hingeworfen, etwa dass Sid inzwischen Mutter ist, aber irgendwas in Sachen Charakterzeichnung macht der Film dann doch nicht damit. Gleichzeitig sind die neuen Figuren nicht stark genug, um das auszugleichen. Sam und Tara gewinnen Konturen und können bestehen, ihre Freunde und Love Interests dagegen sind deutlich profilärmer als ihre Pendants aus den vorigen Filmen – Liv McKenzie (Sonia Ammar) etwa wirkt wie eine bessere Statistin.
Das liegt freilich auch am nicht immer glücklichen Casting in der jungen Riege. Jenna Ortega („Songbird“), Dylan Minette („Prisoners“) und Jasmin Savoy-Brown („Sound of Violence“) können Akzente setzen, ihren Kollegen gelingt das nicht, was gerade bei Leading Lady Melissa Barrera („In the Heights“) ein Problem ist. Regelrecht mau ist die ständig sauertöpfisch dreinglotzende Mikey Madison („Once Upon a Time in Hollywood“). Einen besseren Cameo hat ein kaum wiederzuerkennender Kyle Gallner („Veronica Mars“) als Ex-Freund Livs. Dafür spielt die alte Riege aus Neve Campbell („Skyscraper“), David Arquette („Bone Tomahawk“) und (der leider unvorteilhaft gelifteten) Courteney Cox („Hetzjagd in St. Lucas“) gewohnt überzeugend, bekommt aber wenig Screentime ab. Heather Matarazzo („Im Auftrag des Teufels“) belebt ihre Rolle als Stus Schwester aus „Scream 3“ in einem Cameo neu, Marley Shelton („Rampage – Big Meets Bigger“) ist nach „Scream 4“ erneut als Deputy Hicks am Start und sogar ein digital verjüngter Skeet Ulrich („Soul Assassin“) tritt in Visionen einer Figur auf.

Alte und neuen Helden: Dwight ‚Dewey‘ Riley (David Arquette) und Sam Carpenter (Melissa Barrera) kämpfen gemeinsam ums Überleben
Es fällt auf, dass „Scream 5“ klar der humorloseste Film der Reihe ist. Es gibt ein paar In-Jokes und Metawitzeleien, zwischendurch mal einen coolen Spruch oder einen Ansatz von Situationskomik, aber sonst geht es hier deutlich ernster und düsterer zur Sache. Die Hauptfigur schleppt ein düsteres Geheimnis mit sich herum, dies Todesfälle sind eher als Tragödien und weniger als Slasherfun inszeniert – gerade deshalb hätten „Scream 5“ ein paar besser ausgearbeitete Figuren gut zu Gesicht gestanden. Das Regie-Duo aus Matt Bettinelli-Olpin („Devil’s Due“) und Tyler Gillett („Ready or Not“) kommt nicht an den verstorbenen Wes Craven heran, dem dieser Film gewidmet ist, sie erweisen sich aber als kompetente Handwerker, die manchmal sogar recht Brillanz zeigen. So gibt es eine Szene, in der eine Figur in Gefahr schwebt, sich durch ein Haus bewegt und andauernd Teile des Bildes durch geöffnete Kühlschrank- oder sonstige Türen verdeckt sind, weshalb man andauernd erwartet, dass Ghostface gleich auftaucht.
Obwohl „Scream 5“ wenig in Sachen Creative Killing veranstaltet (ein feuriges Inferno bleibt die Ausnahme), gehören die Mordszenen zu den derbsten der Reihe, etwa wenn Ghostface einem überrumpelten Opfer das Messer durch die Wange sticht oder es einen blutigen Kopfschuss gibt. Die Qualität der Szenen schwankt etwas: Da gibt es hochspannende Passagen wie den Auftakt oder das oben erwähnte Spiel mit den Erwartungen, dann allerdings auch wieder Momente, in denen eher egale Nebenfiguren zum erwarteten Zeitpunkt salopp niedergemessert werden. Und es gibt einen richtig ärgerlichen, weil unlogischen Moment, in dem sich eine Figur von ihrem Handy ablenken lässt, als sie Ghostface gerade den Rest geben will.
„Scream 5“ ist eine mehr als solide Weiterführung der berühmtem Slasherreihe, die aktuelle Entwicklungen im Film- und Horrorbereich durchaus treffend kommentiert, dabei aber nicht ganz den Witz und die Cleverness der Vorgänger erreicht. Die neuen Charaktere bleiben leider etwas egal, dafür ist „Scream 5“ sauber inszeniert und trotz einiger Schönheitsfehler recht gut geschrieben. Ironischerweise ist es allerdings eher ein klassisches Sequel, obwohl der Film das Thema Requels offen thematisiert.
„Scream 5“ läuft seit dem 13. Januar 2022 in den deutschen Kinos und ist ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Am 28. April bringt Paramount den Film bereits auf DVD und Blu-Ray heraus.
© Nils Bothmann (McClane)
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