Originaltitel: She Dies Tomorrow__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2020__Regie: Amy Seimetz__Darsteller: Kate Lyn Sheil, Jane Adams, Kentucker Audley, Katie Aselton, Chris Messina, Tunde Adebimpe, Jennifer Kim, Josh Lucas, Adam Wingard, Michelle Rodriguez u.a. |
„Was ist denn mit dir los?“ Wenn Heldin Amy von ihrer Freundin Jane genau das gefragt wird, durften wir Zuschauer bereits erleben, wie sie sich gute 20 Minuten an Wänden schubberte, am Fußboden rieb, abgebrochene Zweige herzte, Laub umarmte, Urnen googelte und Lederjacken bestaunte. Alles untermalt von dem immer wieder aufs Neue gestarteten „Requiem“ von Mozart.
Erklären, was mit ihr los ist, kann Amy nicht. Aber sie ist sich sicher, dass sie am folgenden Tag sterben wird. Jane schiebt alles darauf, dass Amy wieder rückfällig geworden sei. Immerhin ist der Alkohol von jeher ein großes Problem im Leben von Amy. Und eigentlich sollte der Kauf eines neuen Hauses einen neuen Lebensabschnitt einleiten. Experiment missglückt, findet zumindest Jane.
Doch das Gespräch mit Amy lässt Jane nicht mehr los. Allmählich entwickelt auch sie eine ähnliche Paranoia und steckt ihren Bruder, dessen Frau und die Gäste einer Geburtstagsfeier damit an. Alle glauben sie plötzlich, am nächsten Tag sterben zu müssen…
Schaut in den Arthouse-Horror mit Michelle Rodriguez hinein
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„Spring“, „Endless“ und „Synchronic“ stammen von den Regisseuren Benson und Moorhead, die mit ihren Werken das Genre zwar nicht neu erfinden, aber es mit frischen Ideen und Ansätzen aufpeppen. Und das, ohne dabei zu manieriert und zu gewollt zu wirken. Dementsprechend hellhörig wurde ich, als ich über die Ankündigung zu „She Dies Tomorrow“ stolperte, der von beiden produziert wurde.
Doch im Gegensatz zu deren eigenen Ausstoß wirkt „She Dies Tomorrow“ in jeder Filmsekunde manieriert, theatralisch und schwer zugänglich. Man könnte eine Reflexion über die Endlichkeit dahinter vermuten, da es immer mal wieder um verpasste Chancen und Sterblichkeit geht – um das „Nach dem Tod“. Die Regisseurin selbst, Amy Seimetz – vornehmlich als Darstellerin bekannt („Alien: Covenant“), sieht in dem Film eher einen Monsterfilm. Ohne ihre Erklärungen im Making-of zum Film tut man sich aber schwer damit, genau dieses Element in dem Film zu entdecken. Selbst wenn man schon vorher davon weiß.
Der vermeintliche Horrorfilm ist eine ultra-low-budget Produktion und wurde weitgehend in den Häusern der Macher und mit einem minimalen Cast umgesetzt. Statt auf große Bilder setzt „She Dies Tomorrow“ auf das Generieren von Atmosphäre und lanciert so tatsächlich Momente, die nachwirken. Wenn hier Szenen von einem stroboskopartigen Lichtwechsel und einem anschwellenden Score untermalt werden, nur um dann den Zuschauer abrupt in die Wirklichkeit zurück zu beamen, triggert der Film den Zuschauer.
Der steht direkt unter Strom, glaubt, gleich müsse die Spannungskurve eskalieren, gleich müsse etwas Großes passieren. Doch genau das bleibt leider immer aus. „She Dies Tomorrow“ füttert den Zuschauer immer wieder an und entlässt ihn dann ungesättigt. Wiederholt wird der Zuschauer zudem mit Szenen konfrontiert, die dem Film nichts bringen. Eine ellenlange Diskussion um fickende Delphine sowie das Davor und Danach seien genannt. Auch ist nie so recht klar, warum Seimetz irgendwann den Fokus auf Amy aufgibt und stattdessen lieber Jane folgt.
So startet keiner der beiden Handlungsstränge durch. Stattdessen schaut man Dialogen zu, in denen die Charaktere vollkommen aneinander vorbeireden und nebenbei die Sättigung der Farben aus der Szene verschwindet. Ohne dass all das auf etwas hinauslaufen würde. Und warum die Charaktere nun eigentlich glauben, sterben zu müssen, bleibt ohne das Making-of unergründbar. Und wird durch selbiges auch nicht wirklich nachvollziehbarer. Schade.
Genauso ziellos verlaufen leider einige Auftritte bekannterer Gesichter. So darf Michelle Rodriguez („Crisis“) lange über die weibliche Periode fabulieren, Josh Lucas („Stolen“) einen verstörend hässlichen Bartwuchs präsentieren und Regisseur Adam Wingard („Godzilla vs. Kong“) auf einer Couch hocken und einer anderen Figur an die Hupen packen. Dem Film und dem Zuschauer bringt all das aber gar nichts.
„She Dies Tomorrow“ – Ein wenig am eigenen Anspruch vorbei
Kurzum: Hier war etwas mit Anspruch das Ziel. Das theatralische Spiel der aparten Hauptdarstellerin Kate Lyn Sheil („You’re Next“) unterstreicht das nur. Doch auf handlungstechnischer und figurentechnischer Ebene ist das nicht einmal ansatzweise gelungen. „She Dies Tomorrow“ wirkt die meiste Zeit seltsam leer, hinsichtlich seiner Handlung total unzugänglich und in Bezug auf seine Figuren komplett hohl.
Dafür nimmt der Film mit seinen Bildern gefangen. Lange und ruhige Einstellungen dominieren das Bild. Immer wieder fragt man sich, was man da eigentlich gerade sieht, bis die Kamera das Motiv irgendwann scharf gezogen hat. Die dichte Musikuntermalung verstärkt die Wirkung der unsteten Schärfeverläufe, der Mikroskopie-Aufnahmen und beinahe trippigen Farbwechselszenen eindrucksvoll.
So muss letzten Endes jeder selbst wissen, ob es ihm reicht, sich von Stimmungen und Bildern vereinnahmen zu lassen, oder ob er letzten Endes dann doch gerne wissen würde, was er da gerade 85 Minuten lang gesehen hat. Ich platziere mich direkt mittenrein.
„She Dies Tomorrow“ erscheint am 22. Juli 2021 von Koch Media im Mediabook. Dieses enthält DVD und Blu-ray zum Film und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten. Ein Making of, Trailer zum Film und ein Booklet bilden die Extra-Sektion.
In diesem Sinne:
freeman
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