Originaltitel: Silent Movie__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1976__Regie: Mel Brooks__Darsteller: Mel Brooks, Marty Feldman, Dom DeLuise, Sid Caesar, Harold Gould, Ron Carey, Bernadette Peters, Carol Arthur, Liam Dunn, Fritz Feld, Chuck McCann, Valerie Curtin, Yvonne Wilder, Harry Ritz, Charlie Callas, Henny Youngman, Arnold Soboloff, Burt Reynolds, James Caan, Anne Bancroft, Liza Minnelli, Paul Newman u.a. |
Es gab in der gesamten Geschichte des Films wahrscheinlich keine bedeutsamere Zeitenwende als den Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm. Keine jedenfalls, die den Film in seiner erzählerischen Funktion, in seinen medialen Eigenschaften, maßgeblicher verändert hätte. Karrieren großer Stars gingen zu Bruch, als die Leinwände Anfang der 1930er Jahre durch die Talkies flächendeckend zu sprechen begannen. Neue Karrieren wiederum blühten auf. Nur wer überaus wandlungsfähig war, konnte sich in beiden Zeiten behaupten. Während Literatur und Kino entgegen ursprünglicher Prognosen letztlich zur Koexistenz fähig waren, galt das offensichtlich nicht für den Stumm- und Tonfilm. Der eine musste sterben, damit der andere leben konnte.
Wohl deswegen schwingt immer eine besondere Form von Jenseitigkeit mit, wenn man sich doch mal wieder an diese frühe Unterart des filmischen Mediums erinnert. Anders als andere ausrangierte Standards, die durch technische Weiterentwicklung im Laufe der Zeit auf dem Abstellgleis gelandet waren, denken wir etwa an den Schwarzweißfilm, den 4:3-Standard oder das Technicolor-Verfahren, ist der Stummfilm kaum mehr in irgendeiner Form mit der Gegenwart verknüpft; er scheint im wahrsten Sinne des Wortes ausgestorben. Es werden zwar bis ins 21. Jahrhundert hinein vereinzelt noch Stummfilme gedreht („The Artist“, 2011, „Blancanieves“, 2012, „Return to Babylon“, 2013), die man aber als Ausnahmen von der Regel betrachten muss. Und wenn sie zustande kommen, dann sind sie nicht einfach nur Stilmittel, sondern drehen sich auch inhaltlich konkret um Sujet und Metier. Letztlich sind es immer Historienfilme, und sie gehören meistens der Gattung „Filme über das Filmemachen“ an, welche sich üblicherweise aus den Kategorien Satire, Parodie und Hommage bildet.
Mel Brooks’ „Silent Movie“ weicht davon keinen Millimeter ab; wie könnte er auch bei den Anlagen des Schöpfers. Der hat Genres ja schließlich schon immer im Ganzen mit dem Schaufelbagger ausgehoben; den Western in „Der wilde wilde Westen“ oder den klassischen Horrorfilm in „Frankenstein Junior“. Sich als nächstes des Stummfilms in all seinen Schattierungen anzunehmen, ohne darin direkt zwischen Genres oder Strömungen unterscheiden zu wollen, passt zu der groben, bei genauerem Hinsehen dann aber doch oft erstaunlich feinfühligen Vorgehensweise.
Dass die Unvereinbarkeit von Ton- und Stummfilm zu seinen zentralen Themen gehört, macht Brooks von Anfang an im Formalästhetischen deutlich. Er lässt zum Einstieg einen Oldtimer langsam gen Kamera steuern und verzichtet dabei vollständig auf Ton, so dass der Zuschauer trotz des Wissens um die Thematik kurzzeitig irritiert sein könnte; schließlich ist man selbst aus frühesten Anfangstagen wenigstens musikalische Begleitung gewohnt, und sei sie auch nur live mit den Bildern synchronisiert anstatt untrennbarer Teil des Films. Der Fokus wird also augenblicklich auf die Einschränkungen des Mediums selbst gelenkt, das anhand seiner technischen Eigenarten die Form und den Inhalt des Erzählens vorgibt, was durch kaum eine Maßnahme deutlicher werden könnte als durch den Entzug des Grundrauschens, oder auch: das Hinzufügen von Stille.
„Silent Movie“ versucht sich aber ohnehin nicht – ganz anders als die eingangs genannten Beispiele der 2010er – an einem täuschend echten Imitat der Stummfilm-Ästhetik, sondern rührt dessen Bestandteile unter zeitgenössische Merkmale. Der Oldtimer, der da auf einer mit Palmen bepflanzten Straße in Hollywood angebraust kommt, ist nicht etwa in Graustufen lackiert, sondern in einem satten Kanariengelb, während der Himmel in deckendem Blau erstrahlt. Und während seine Insassen, die Filmemacher Mel Funn (Mel Brooks), Marty Eggs (Marty Feldman) und Dom Bell (Dom DeLuise) in den nun folgenden Episoden etliche Stars für ihren Stummfilm zusammentrommeln, treffen sie nicht etwa auf Doppelgänger von Douglas Fairbanks, Mary Pickford oder Harold Lloyd, sondern auf aktuelle Hollywood-Stars der 70er: James Caan („Der Pate“), Burt Reynolds („Beim Sterben ist jeder der Erste“), Liza Minnelli („Cabaret“), Anne Bancroft („Die Reifeprüfung“) und Paul Newman („Flammendes Inferno“).
Was Ende des 19. Jahrhunderts noch als bestmögliches Ergebnis einer weniger weit entwickelten Technologie verstanden wurde, wird hier zum bewusst eingesetzten Stilmittel. Um nachzuweisen, dass der Stummfilm trotz und gerade wegen seiner technischen Limitationen unersetzliche Eigenschaften besitzt, muss Brooks diese Eigenschaften also nun zum Vorschein bringen, indem er Situationen erschafft, die mit Dialog und Effektspur nicht zu bewerkstelligen wären.
Entsprechend stark vertraut „Silent Movie“ auf seine formale Ebene. Visuelle Gags dominieren den Bildausschnitt, der nicht auf altmodisches 4:3, sondern auf modernes amerikanisches Breitwandformat maskiert ist. Wie Comicstrips aus der Tageszeitung versuchen sie, mit ihrer Farbe und ihrer Verrücktheit gegen die Textlawinen um sie herum die Aufmerksamkeit des Lesers zu erringen. Die braunen Texttafeln, die mit ihren einfach strukturierten, inhaltlich oft moralisch simplen Aussagen schon damals eher Mittel zum Zweck waren, sind dies für Brooks gleichermaßen. Sie kontextualisieren das Nötigste, sollen die Bilder aber letztlich so viel atmen lassen wie nur möglich.
In den Bildern wiederum spielt sich der fundamentale Ursprung des Kinos ab: Bewegung, Veränderung, Ursache und Wirkung. Es ist nicht nur das kanariengelbe Auto, das als Transportmittel entlang des linearen Handlungsfadens ein roter Faden im Film ist, sondern auch die Fast-Motion-Beschleunigung, das Ergebnis der Projektion von 18 gedrehten Bildern pro Sekunde auf den seit einem Jahrhundert geltenden Kino-Standard von 24 Bildern. Ob Tanzchoreographie oder Stuntkoordination, die Gags, die der Regisseur wie Sketch-Abläufe aneinanderreiht, gehorchen stets den Regeln der Physik. Hier beschleunigt und im Vordergrund ausgestellt, als sei die Dynamik in der Szene alles, was zähle – ganz im Geiste Buster Keatons und Charlie Chaplins, deren Silhouetten man immer wieder zu erahnen glaubt, wenn etwa Marty Feldman mit seiner Fliegerhaube wie eine menschliche Kanonenkugel durch den Flipperautomat der Kulisse irrt.
Es ist aber nicht nur das Bild, in dem die exklusiven Vorzüge des angestaubten Formats erkundet werden, sondern auch der Ton. Bei der Einführung macht die vollkommene Stille nicht halt, auch mittendrin arbeitet das Sounddesign immer wieder auffällig gegen Brooks’ Hofkomponist John Morris, der sich oftmals enorm zurückhalten muss. Letztlich arbeitet es dadurch aber für ihn, denn wenn seine Noten erklingen, dann mit einer plastischen Wucht, wie man sie gerade in der vorherrschenden New-Hollywood-Landschaft der 70er mit ihren rauen, ungefilterten Geräuschquellen kaum mehr gewohnt war. Insbesondere auf der Toneffektebene geschieht durch die artifizielle Abmischung Unvergessliches, wenn kleine Ticks und Marotten wie schnippende Finger deutlich hervorgehoben werden, während der Lärm von Autos und belebten Orten auf Null zurückgepegelt wird. Nach diesem Prinzip funktioniert letztlich auch der wohl bekannteste Gag des Films, die einzige gesprochene Dialogzeile, die in den drei beißenden Buchstaben der Ironie ausgerechnet vom französischen Pantomimen Marcel Marceau ausgesprochen wird. Ein Echo, das von den „Simpsons“ bis zu „Jay und Silent Bob“ über die Postmoderne hinaus weitergetragen wurde.
Betont schlicht, wenn nicht banal ist „Silent Movie“ in seinem erzählerischen Aufbau gehalten, der fast ausschließlich von Klischees lebt und dem Prinzip der Karikatur gehorcht. Könnten Produktionsgesellschaften einen „Evil Moustache“ tragen, die „Engulf & Devour“ (ins Deutsche übersetzt als „Gierschlund & Raffke“) würde es tun. Die Parodie auf die „Gulf + Western“-Gesellschaft, die unter anderem in den 60ern Paramount Pictures schluckte, dient als Antagonist und tritt hauptsächlich als Ansammlung alter Männer in Anzügen in Erscheinung, die um einen Besprechungstisch versammelt sind. Allzu Komplexes geschieht in der Parallelmontage aus Erfolgserlebnissen des Trios an Hauptfiguren und Sabotageakten der schurkenhaften Firmenbosse nicht; überhaupt verliert das anfangs so spritzige Abenteuer spätestens dann an Drive, wenn man merkt, dass hier im Grunde ein Sketch nach dem anderen aneinandergereiht wird und jeder dem Muster des vorherigen folgt. Inhaltlich wirken manche Gags inzwischen auch abgestanden, ob nun von der harmlosen Sorte (Fliege in der Suppe) oder mit gesellschaftlichem Zündstoff versehen (Umgang mit dem Thema Homosexualität). Die Gaststars versprühen in ihren Cameos allerdings so viel Esprit, dass man bis zur Zielgeraden, der Uraufführung des Films in einem ausverkauften Kinosaal mit Popcorn und Luftballons, stets bei Laune gehalten wird, auch weil die Gags mitunter so herrlich verrückt ausfallen. Gerade Reynolds und Bancroft schlagen in ihren Auftritten regelrecht Funken, während Bernadette Peters aus der zweiten Reihe im Stil früher Sexsymbole der Marke Gloria Swanson oder Greta Garbo bald das Heft in die Hand nimmt. Von Brooks / DeLuise / Feldman kann man das ohnehin in jeder Szene behaupten. Die Abnutzungserscheinungen werden durch den Körpereinsatz der Darsteller also abgefedert, so dass man am Ende fast dazu bereit ist, sich aus der eingesackten Position im Fernsehsessel zu befreien und sich den Standing Ovations anzuschließen.
Das Tragischste am Stummfilm ist womöglich, dass er vielleicht nie existiert hätte, wäre der heute uns bekannte Tonfilm für Filmemacher schon immer eine Option gewesen. Mel Brooks’ „Silent Movie“ macht eines überaus deutlich: Dies hätte einen erheblichen Verlust fürs Kino bedeutet. Er nutzt alle drei Dimensionen des Films, das Bild nämlich, den Ton und die zeitliche Abfolge, um erzählerische Pfade zu finden, die in der damaligen Filmlandschaft längst zugewachsen waren. Die konsequente Verschmelzung der Stilmittel des Stummfilms mit den Möglichkeiten des Gegenwartskinos stellt umso deutlicher unter Beweis, dass der Schweigende einen Diskurs immer zu bereichern weiß.
Informationen zur Veröffentlichung von “Silent Movie”
2-Disc Limited Collector’s Edition Nr. 62
Eine Komödie? Und dann auch noch stumm? Mel Brooks spielte in „Silent Movie“ nicht ohne Grund mit dem Vorurteil, dass eine Produktion dieser Art alles andere als ein Kassenschlager sein dürfte, bestenfalls ein Risiko mit geringen Erfolgsaussichten nämlich. Das galt nicht nur für das Box Office im Erscheinungsjahr 1976, es gilt sicherlich immer noch zu Beginn der 2020er bei der angeblich ersten europäischen HD-Auswertung auf Blu-ray.
Bei Wicked-Vision hat man inzwischen ja leider auch die Erfahrung machen müssen, dass Komödien tendenziell schwerer laufen als etwa Horrorfilme. Um so bemerkenswerter, dass man es dennoch immer wieder versucht. Wenn „Silent Movie“ sicher auch nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte, was ohnehin ganz allgemein auf das gesamte Comedy-Genre zutrifft, hat er eine angemessene Präsentation sicherlich aufgrund seiner filmhistorischen Bedeutung verdient… und bekommt sie nun durch die Aufnahme in die „Limited Collector’s Edition“-Reihe an 62. Stelle.
Über 20th Century Fox ist bereits seit langem eine DVD erhältlich, die den Film, anders als die bis dahin verfügbaren Videokassetten, auch im originalen 1,85:1 präsentierte, wie er damals auch im Kino zu sehen war. Pidax brachte 2018 nochmal eine Neuauflage inklusive Booklet, aber das vorliegende Paket aus Blu-ray und DVD setzt mal wieder wie üblich einen drauf… nicht nur, was die Bildqualität angeht.
Die Verpackung
Wieder einmal darf der Käufer zwischen drei Mediabook-Motiven wählen, wobei jedes von ihnen auf jeweils 333 Stück limitiert ist. Cover A nutzt das bekannte Originalposter, auf dem der Filmtitel orange leuchtend über einer nächtlichen Skyline erstrahlt. Die dreidimensional in die Tiefe reichenden Buchstaben verweisen dabei dezent auf die Leinwandprojektion in einem Kino. Mel Brooks macht den „Shhhh“-Finger wie der Vorführer im Kino, hinter ihm ist eine Filmrolle zu sehen. Das allgemein dunkle Motiv verführte dazu, das Mediabook dann auch im Ganzen in Schwarz zu gestalten.
Für die Cover-Varianten B und C ist hingegen Gilles Vranckx verantwortlich. Es handelt sich hierbei um Neuanfertigungen für diesen Release. Beide Motive nutzen im Kontrast zum Original einen weißen Hintergrund, der mit ähnlichen Arrangements gefüllt ist, aber aus einer jeweils etwas anderen Perspektive. Auf Cover B fährt der gelbe Morgan Plus 4 frontal auf den Betrachter zu. Den „Shhhh“-Finger übernimmt diesmal Marty Feldman, während die anderen beiden winken, als würden sie in einer Parade mitfahren. Der im Details unheimlich fotorealistische, in den Proportionen aber herrlich karikaturistische Zeichenstil passt hervorragend zum Film, ebenso wie der Minimalismus, der durch die Aussparung von Hintergrund zum Tragen kommt und ähnlich gut funktioniert wie das Weglassen von Ton in vielen Filmpassagen. Die abstrakten Linien und Muster in Bronze, Lachs und Blau sind passgenau auf das zentralisierte Motiv abgestimmt, verleihen ihm eine unwiderstehliche Dynamik und erinnern in leiser Andacht auch noch an vergangene Stummfilmtage. Man muss schon sagen, dass sich Vranckx hier selbst übertroffen hat.
Zur Anschau live und in Farbe liegt Cover C vor, das gegenüber B zwar nur zweiter Sieger bleibt, aber dennoch durch genau die gleichen Attribute überzeugt. „Shhhh“ heißt es nun von allen drei Darstellern in vereinter Synchronizität, wiederum in einer unwiderstehlichen Mischung aus Realismus und Karikatur getroffen. Unten fährt noch das Auto mit blauen Laufstreifen über die weiße Fläche, die zu locker 30 Prozent ausschließlich vom Filmtitel gepachtet wird, der sich wunderbar übertrieben ausbreitet wie ein Fußabdruck in einem Monthy-Python-Vorspann. Mit dem Hochglanz-Druck kommt das Ganze besonders edel rüber. Der weiße Spine mit den blauen Laufstreifen oben und unten macht sich auch noch schick im Regal, auf dem Rücken gibt es ein gewohnt kompetentes Layout, das die vielen Informationen überaus harmonisch zur Geltung kommen lässt und mit Screenshots und schmückenden Bildelementen garniert. Neben der Inhaltsangabe lesen wir hier einen kurzen Abriss zur Bedeutung des Films, Informationen zur Ausstattung, die Filmcredits, technische Spezifikationen zu Blu-ray und DVD und Kleingedrucktes. Was die Front angeht, sind natürlich keinerlei Fremdkörper auf dem Mediabook selbst abgedruckt, sondern wie immer auf einem lose beiliegenden Deckblatt ausgelagert.
Das gekonnte Spiel mit dem Design wird auch im Inneren fortgesetzt. Nimmt man etwa die blauweißen Discs vor blauweißem Innendruck aus der Halterung, wartet dahinter noch jeweils ein knallbuntes Motiv in Bullaugenform.
Das Booklet
Und das Booklet erst… das ist diesmal auch gerade in der Verarbeitung von einer besonderen Güte. 32 Seiten sind es geworden, also gleich 8 Seiten mehr als gewohnt, deswegen auch eingeklebt anstatt geklammert und mit besonders festen Front- und Backcoverseiten versehen. Als Frontmotiv dient dabei eine Variation des auf Cover A genutzten Kinomotivs, inklusive Credits im unteren Viertel und der Tagline „Mel Brooks letzte Verrücktheit“ im oberen Viertel. Ganzseitig findet man das Poster auch noch einmal innen in der englischen Variante. Sehr schön: am Ende des Booklets findet man noch einmal alle drei Mediabook-Motive ganzseitig abgedruckt.
Auf den ersten Seiten (bis Seite 9) folgen dann ausführliche Cast-und-Crew-Informationen, ergänzt um ausländische Alternativtitel, Starttermine und weitere Meta-Informationen. Es folgt ein Portrait über Mel Brooks von Rolf Giesen, das sämtliche Zwischenstationen des Filmemachers umreißt, seit dieser 1926 in New York geboren wurde. Der Text ist unheimlich witzig geraten, was hauptsächlich daran liegt, dass er gespickt ist mit äußerst unterhaltsamen Zitaten aus dem Munde Brooks’, obgleich sich am Ende auch ein paar nachdenkliche Töne einschleichen. Zwischendrin schmuggelt Giesen auch ein paar Auszüge aus einem Interview ein, das er selbst 1982 mit Brooks geführt hatte. Hier erfährt man ein wenig über Brooks’ ambivalentes Verhältnis zu amerikanischem Fernsehen und Kino, zu seiner Bewunderung für Werner Herzog und Rainer Werner Fassbinder oder dazu, was bei Comedy besonders wichtig sei. „Silent Movie“ selbst wird nur wenig mehr beleuchtet als seine anderen Hits, der eher oberflächliche Blick auf die Karriere des Filmemachers passt aber sehr gut als Einordnung, zumal dies der erste Brooks-Streifen im Wicked-Vision-Bestand ist… und vielleicht auch der letzte, da die anderen Titel schwer zu bekommen sind und auch dieser dem Hörensagen nach bald komplett zu Disney zurückgehen wird, so dass diese Auflage bis auf weiteres vielleicht die einzige Möglichkeit bleibt, sich den Streifen ins Heimkino zu holen.
Originalfassung und rekonstruierte deutsche Kinofassung
Was die Filmpräsentation angeht, sollte man meinen, dass sich bei der Blu-ray-Premiere alles um technische Verbesserungen dreht. Das eigentliche Highlight ist aber die Möglichkeit, den Film entweder in der originalen oder in der deutschen Fassung abzuspielen. Die Fassungen unterscheiden sich weder im Inhalt noch in der Laufzeit, aber in der neuen deutschen Fassung bekommt man deutschsprachige Texttafeln spendiert, die eigens für diesen Release in HD rekonstruiert wurden. Wicked Vision hat nicht zum ersten Mal in dieser Art und Weise Hand angelegt, schließlich wurde bereits für die deutsche Fassung auf der Blu-ray-Edition zu „Der Mann, der lacht“ an Texttafeln gearbeitet. Toll, dass man die Wahl hat, gerade „Gierschlund & Raffke“ ist ein so prägnanter Name, dass man ihn sehr gerne auf eine Texttafel imprägniert lesen möchte. Wer es eher mit „Engulf & Devour“ hält, kann dennoch zur englischen Fassung greifen. Die Auswahlmöglichkeit gilt allerdings nur für die Blu-ray – auf der DVD ist lediglich die deutsche Fassung verfügbar.
Bild und Ton
Das Bild… nun, es schert sich nicht um Schwarzweiß-Kontraste, Lowkey-Beleuchtung oder dergleichen, sondern erstrahlt in feinsten Beige-, Ocker- und Brauntönen, wie sie symptomatisch für ihre Zeit waren. In Kombination mit den oft in Zeitraffer gefilmten Aufnahmen ergibt sich auf diese Weise ein spannender Effekt. Genießen kann man den fast unbehelligt, denn abgesehen von ein paar Schmutzpartikeln, die vor hellen oder ebenen Flächen gerne aufflackern, verfügt das Bild selbst auf der niedriger aufgelösten DVD noch über viele Details und fein aufgelöste Strukturen, die auf der Blu-ray in 1080p erst recht zur Geltung kommen. So eignet sich „Silent Movie“ auch für Zuschauer, die mit dem „Silent“ in der Regel weniger Probleme haben als mit dem „Black/White“.
Bei einem Stummfilm Worte über den Ton zu verlieren, mag hingegen etwas Ironisches an sich haben, aber in den seltensten Fällen sind Stummfilme ja wirklich stumm. Das dachte man sich auch bei Wicked Vision und schaltete eine Informationstafel vor den Film, dass die ersten Minuten tatsächlich tonlos seien, was aber keinen technischen Fehler darstelle, sondern dem Geiste Mel Brooks’ entsprungen sei. Anschließend bekommt man doch noch eine Instrumentalspur zu hören, die je nach Vorauswahl entweder in 5.1 oder in 2.0 Mono abgespielt wird, in beiden Fällen als DTS-HD Master Audio. Wofür auch immer man sich entscheidet, der Ton ist entscheidend für praktisch jede Pointe im Film. Die Mischung aus Soundeffekten, Trommelwirbeln, John Morris’ Soundtrack-Einschüben und Momenten der Stille arbeitet mit Präzision die Essenz von allem heraus, was sich auf dem Bildschirm abspielt. Die Tonspuren geben dieses empfindliche Zusammenspiel harmonisch wieder, ob man sich nun für die Surround-Option entscheidet oder auf authentische Frontkanal-Beschallung setzt. Der expressive Klang, der durch die Laut-leise-Kontraste ausgelöst wird, ist in beiden Spuren konserviert. Optionale deutsche Untertitel sind zuschaltbar für den Fall, dass englischsprachige Elemente eingeblendet werden, wie etwa die Schlagzeilen aus der lokalen Zeitung, die nach jedem Kapitel eingeblendet werden.
Das Bonusmaterial
Das Bonusmaterial ist überschaubar, aber wesentlich großzügiger als auf den bisherigen deutschen DVDs, die allenfalls einen Trailer an Bord hatten. Derer gibt es hier vier zu entdecken, und zwar den originalen englischen Kinotrailer, einen englischen TV-Spot sowie den spanischen und portugiesischen Trailer. Von besonderem Interesse ist aber wohl die 25-minütige Featurette Silent Laughter – The Reel Inspirations, die bereits auf einigen amerikanischen DVD- und Blu-ray-Releases zu finden war. Neben Mel Brooks kommen hier unter anderem Ron Clark, John Morris, Alan Specer, Rudy De Luca und andere zur Sprache, um aufzuzeigen, wie akribisch „Silent Movie“ die eigenen Vorbilder studierte, um sie entsprechend zu würdigen. Um dies zu unterstreichen, werden viele Ausschnitte aus alten Charlie-Chaplin- oder Buster-Keaton-Streifen gezeigt und in einen direkten Zusammenhang mit den entsprechenden Sequenzen aus „Silent Movie“ gebracht, so dass die Präzision bei der Aufarbeitung der Stummfilm-Referenzen spürbar wird. Sehr interessant sind auch die Einblicke in die später nicht mehr realisierte Szene um Hummer-Kellner, die Hummer-Gästen ein Aquarium mit Menschen darin zur Auswahl anbieten. Für diese Sequenz wurden diverse Hummer-Kostüme angefertigt und ein großer hydraulischer Hummer-Arm gebaut, am Ende war den Entscheidungsträgern die Idee aber wohl zu albern.
Für das wahre Flashback-Erlebnis ist außerdem die 17-minütige Super-8-Fassung mit an Bord. Die hangelt sich anhand einiger ausgewählter Schlüsselszenen grob durch den Plot und lässt dabei unter anderem James Caan, Paul Newman und Anne Bancroft unter den Tisch fallen. Das Bild entspricht mit seinem 1,33:1-Format und dem fast als schwarzweiß zu bezeichnenden Farbspektrum in dieser Fassung auch wieder eher den Stummfilmtagen, ein bisschen Musik ist auch dabei. Die ertönt auch bei der 10-minütigen Bildergalerie, die mehr als 100 Poster, Lobby Card, Stills, Pressematerialien und Heimkinomediencover beinhaltet und das Bonus-Paket abschließt.
Das ist nicht übermäßig viel, aber zufriedenstellend. Die eigentlichen Highlights sind ohnehin in den beiden Fassungen gefunden, in den starken Artworks, dem toll aufbereiteten Booklet… und natürlich im Film selbst, der Jahrzehnte später immer noch nicht ganz verstummt ist.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie
Sascha Ganser (Vince)
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