Originaltitel: Spectre__Herstellungsland: Großbritannien, USA__Erscheinungsjahr: 2015__ Regie: Sam Mendes__Darsteller: Daniel Craig, Naomie Harris, Léa Seydoux, Monica Bellucci, Stephanie Sigman, Ralph Fiennes, Christoph Waltz, Dave Bautista, Ben Whishaw, Andrew Scott u.a. |

Daniel Craig gibt zum vierten Mal den Doppelnullagenten James Bond in „Spectre“.
Das neueste Bond-Abenteuer, das unmittelbar an den mega erfolgreichen Vorgänger „Skyfall“ anschließt, steigt mit einer grandiosen Plansequenz in seine Handlung ein. Alles beginnt mit einer Totalen von Mexico City. In der Stadt wimmelt es nur so vor Menschen. Die Kamera taucht ein in das wilde Treiben der Feierlichkeiten anlässlich des Tages der Toten. Sie fliegt durch die Massen und bleibt irgendwann bei einem Mann im Skelett-Outfit und seiner Begleiterin hängen. Ihnen folgt sie in ein Gebäude, in dem die Dame dem Mann eine eindeutige Offerte macht. Längst ist dieser aus seinem Kostüm geschlüpft, baut sich im edlen Zwirn vor ihr auf und das Bond-Thema erklingt. Untypischerweise denkt Bond allerdings nicht daran, sich der Fleischeslust hinzugeben. Stattdessen klettert er auf den Fenstersims, läuft ihn entlang und macht eine Waffe schussbereit. Erst als er gegenüber des Hauses seiner offenkundigen Zielperson in Stellung geht, erfolgt der erste sichtbare Schnitt…
Mir ist absolut schleierhaft, wie man eine so aufwändige Plansequenz hinbekommt. Aber „Spectre“ beweist, dass es funktionieren kann und er setzt gleich eine richtig krasse Duftmarke. Dieser Film schickt sich an, die Herausforderung anzunehmen, den Erfolg von „Skyfall“ verblassen zu lassen. Bevor man diesen Gedanken zu Ende denken konnte, bricht auch schon der erste Schuss. Bond nimmt das Apartment seines Ziels unter Feuer und trifft offensichtlich einen Sprengsatz. Eine gewaltige Explosion gestaltet einen ganzen Straßenzug von Mexico City um. Und „Spectre“ rollt richtig an.
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Bond konnte mit seinem brachialen Einsatz einen Anschlag verhindern. Der Tipp dafür kam von einer geheimen Quelle, die ihm obendrein riet, auch der Beerdigung des Attentäters beizuwohnen. Selbige führt ihn nach Rom, wo er die scharfe Witwe des soeben Verschiedenen kennenlernt und… naja, ihr wisst schon. Sie erzählt Bond von einer geheimen Organisation, in deren Namen ihr Mann gearbeitet habe. Bond nutzt eine sich bietende Gelegenheit und schleust sich in eines der Treffen dieser Organisation ein. Hierbei wird er allerdings schnell enttarnt und kommt gerade so mit dem Leben davon. Doch seine Neugier ist geweckt. Wer sind die Hintermänner dieser „Spectre“ genannten Organisation? Und kann es sein, dass er deren geheimnisvollen Anführer kennt?

Die aparte Französin Lea Seydoux ist das neue Bond-Girl.
Parallel ficht M in London einen weiteren wichtigen Kampf aus. Denn Max Denbigh, der Chef des Centre for National Security, plant die Zusammenlegung aller Geheimdienste dieser Welt unter seiner Führung. Dabei stellt er die Agentendinosaurier aus Ms Abteilung – also alle Doppelnullagenten – offensiv in Frage. Und Bond, der auf seiner eigenmächtigen Suche nach den Hintermännern von „Spectre“ eine Spur der Zerstörung über den Globus zieht, spielt Denbigh damit massiv in die Hände…
Wie diese beiden Storystränge zusammenlaufen werden, muss jeder selbst in einem Kino seiner Wahl herausfinden. Denn allzuviel sollte man von dem Agenten-Abenteuer nicht verraten. Dieses entblättert seine Geschichte ganz allmählich vor den Augen des Zuschauers und schickt seinen rabiaten Helden auf eine weltweite Schnitzeljagd. Und ist damit den alten Bond-Abenteuern von Roger Moore und Sean Connery um ein Vielfaches näher als alle anderen bisherigen Craig-Bonds. Man könnte fast meinen, Regisseur Sam Mendes („Road to Perdition“) mache eine komplette Rolle rückwärts und kehre zurück zu den Wurzeln des Franchises. Diese Rückbesinnung tut der Reihe durchaus gut. Bond hat zuletzt genügend emotionalen Ballast mit sich herumgeschleppt und mutierte dabei beinahe zu einer Art Trauerkloß. Was allerdings nicht bedeuten soll, dass „Spectre“ zum reinen Actionhappen mutiert. Auch das neueste Bond-Abenteuer spannt eine persönliche Dimension auf, nur dass diese nicht so allmächtig und schwer über der Handlung schwebt wie zuletzt.
Das Drehbuch zu „Spectre“ schafft zudem viele Anknüpfungspunkte an frühere Bonds. Genannt sei beispielsweise „Spectre“. Diese Organisation war bereits in verschiedenen älteren Bondfilmen („Diamantenfieber“ oder „In tödlicher Mission“ seien genannt) Thema. Doch vor allem aus den direkten Vorgängern „Casino Royale“, „Ein Quantum Trost“ und „Skyfall“ werden viele offene Handlungsfäden aufgenommen und zu einem netten Ende gebracht. So tauchen Bösewichter wie Mr. White wieder auf und das in „Skyfall“ gesprengte MI6-Hauptquartier wird sogar zum Schauplatz des Showdowns! Sam Mendes verschmilzt so die bisherigen Auftritte von Daniel Craig als 007 gekonnt zu einer funktionierenden Einheit, hält das Interesse hoch und schafft es, auch über die recht lange Laufzeit hinweg die Spannung oben zu halten.

Ein Bild aus der netten Autoverfolgungsjagd in „Spectre“.
Nur seinen Bösewicht bekommt der Regisseur einfach nicht unter Kontrolle. Oder sagen wir besser: Er bekommt ihn nicht effektiv genug in seinen Film implementiert. Der in seinen wenigen Szenen gut aufspielende Christoph Waltz („Django Unchained“) wirkt bestenfalls wie eine nette Dreingabe. Mehr aber auch nicht. Weder darf er böse sein noch Bedrohliches tun. Er wirkt nicht präsent. Ganz im Gegenteil. In der Folge gerät Bond andauernd eher zufällig mit irgendwelchen Bösewichtern aneinander, von denen man nur die Figur des WWE-Superstars Dave Bautista („Guardians of the Galaxy“) irgendwie mit Waltz‘ Franz Oberhauser in Verbindung bringt. Wäre da nicht der nette Background von Oberhauser und die finale Anbindung ans Bond-Franchise selbst, Waltz hätte wohl den Preis als schwächster Gegner von James Bond sicher gehabt.
Ein zweites großes Problemfeld ist die Action. Die ist zwar krachig laut abgemischt und zumindest akustisch ein wahres Fest, aber letzten Endes fehlt es ihr an echten Highlights. Dahingehend ist der Aufbau der Actionszenen interessant: Diese beginnen meist mit dem ruppig agierenden und vorpreschenden Craig. Man hört Knochen knacken und Setpieces unter dem Druck einschlagender Körper zerbersten. Mehr nicht. Sprich: Die Musik hat Pause. Bond wirkt in diesen Momenten wie Jason Bourne. Rau, brutal, mitten auf die Fresse. Die Musik von Thomas Newman setzt meistens ab einen ganz speziellen Punkt ein und nimmt dann sofort richtig Fahrt auf. Man spürt, dass auf einen Höhepunkt hingearbeitet wird, dass es spektakulärer werden soll… Aber letzten Endes bleibt genau dieses letzte Quäntchen Spektakel dann immer aus.
Absoluter Tiefpunkt dahingehend ist der vollkommen vergurkte Pre-Showdown rund um die grandiose „Festung“ von Oberhauser. Ein fantastisches Setting. Wie gemacht für einen richtig großen Showdown. Ein Showdown nach dem Vorbild alter Bond-Klassiker mit massig toten Lumpen und vielen Keilereien und Ballereien. Doch „Spectre“ versemmelt den Moment. Komplett. Man kann gar nicht in Worte fassen, wie enttäuscht man nach dem Ende dieser Szene wirklich ist. Der eigentliche Showdown holt dann zwar noch einmal ein paar Kohlen aus dem Feuer, ist letzten Endes aber auch nicht der erhoffte Knaller. Das gleiche gilt für eine Verfolgungsjagd zwischen zwei coolen Sportkarren, die durch den Schnitt seltsam unrund wirkt und von Ethan Hunts spektakulärer Verfolgungsjagd in „Mission: Impossible – Rogue Nation“ komplett nass gemacht wird. So bleiben letzten Endes nur der Auftakt in Mexiko City mit einer Hubschrauber-Stuntshow und eine Szene in Österreich wirklich in Erinnerung. Und selbst diese Momente sind nach heutigen Actionstandards kaum mehr als das: Standard…

Bond wie man ihn liebt: In Action!
Dafür sind die Bilder der internationalen Schauplätze vom Feinsten und die Schauspieler mit sichtlichem Spaß bei der Sache. Dabei gefällt vor allem, dass Q und M einen eigenen Storystrang abbekommen, der teilweise spannender anmutet, als die Schnitzeljagd von Bond. Was auch an dessen Aktualität liegt, geht es doch um die Datensammelwut von Geheimdiensten und die immer wieder propagierte allgegenwärtige Überwachung der Menschen zu ihrem eigenen Wohle. Vor allem Ralph Fiennes („Schindlers Liste“) genießt die neuen Freiheiten sichtlich und spielt exakt auf den Punkt. Lea Seydoux („Die Schöne und das Biest“) und Monica Belucci („Der Pakt der Wölfe“) haben die Rollen der Bondgirls inne.
Leider kommt das zuletzt extrem häufig durch die Medien gezerrte älteste Bondgirl dabei ziemlich schlecht weg. Die wunderschöne Monica Belucci hat nämlich kaum mehr als eine winzige Nebenrolle inne. Dafür sprüht ihr intimer Moment mit Daniel Craig nur so vor Erotik. Das kann man von dem Zusammenspiel zwischen Lea Seydoux und Daniel Craig nicht wirklich behaupten. Die wirklich hübsche Französin wirkt schlicht und ergreifend viel zu jung und weich für den extrem kantigen Craig. Zudem scheint die Chemie zwischen ihr und Craig überhaupt nicht zu passen. Die Anziehung der beiden bleibt so kaum mehr als bloße Behauptung.

Franz Oberhauser bedrängt nicht nur das Bond Girl…
Was am Ende bleibt, ist ein zwiegespaltenes Gefühl: Eigentlich gelingt es „Spectre“ sehr gut, eine Art Schlussstrich unter die bisherigen Craig-Bonds zu ziehen und diese zu einem schlüssigen und gut funktionierenden Ende zu bringen. Ein Ende, das es zudem erlaubt, Bond nun wieder mehr in altbekannte Fahrwasser zu lenken und flotte Agentenaction zu inszenieren. Ansätze dafür liefert „Spectre“ bereits einige. Der wirkt nämlich deutlich befreiter und leichtfüßiger als die schwermütigen Vorläufer und negiert damit einige Brechungen, die sich Mendes beim Vorgänger in Bezug auf das Franchise erlaubte. Das Problem ist nur, dass ausgerechnet das finale Kapitel auf dem Weg zu diesem Ende nicht das erhoffte Spektakel zu bieten vermag. „Spectre“ mag nicht wirklich packen, nicht wirklich mitreißen und letzten Endes auch nicht wirklich zünden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Der Bösewicht ist komplett verschenkt, der Love Interest funktioniert nicht, ab und an wirkt „Spectre“ einfach zu lang und die Action will und will einfach nicht richtig durchstarten. Der Erfolg der Reihe wird mit dieser Produktion nicht abreißen, die Klasse von „Skyfall“ dagegen bleibt in allen Belangen unerreicht.
„Spectre“ läuft ab dem 5. November in den deutschen Kinos. Wie es um die Schnittfestigkeit bestellt ist, ist schwer zu sagen, da der Film wohl bereits in seinem Ursprungsland geschnitten wurde für ein niedrigeres Rating. Die bei der Pressevorführung gezeigte Version sollte problemlos eine FSK 12 Freigabe erhalten und wirkte eigentlich intakt. Dazu passt eine Meldung, dass in Deutschland wohl eine minimal längere Fassung laufen werde als in UK.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Sony Pictures Releasing__Freigabe: FSK ???__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab dem 5.11.2015 im Kino |