Originaltitel: Star Wars: The Last Jedi__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Rian Johnson Kuen__Darsteller: Mark Hamill, Daisy Ridley, Adam Driver, John Boyega, Oscar Isaac, Carrie Fisher, Domhnall Gleeson, Andy Serkis, Benicio Del Toro, Laura Dern, Kelly Marie Tran u.a. |
Tja, wer soll es J.J. Abrams verdenken. Da wird ihm nach „Star Trek“ die ehrenvolle Aufgabe übertragen, auch die Sternenkriege ins neue Jahrtausend hinein zu kuratieren. Er hegt und pflegt das Imperium aus Sand, das George Lucas einst errichtete, poliert all seine kleinen Türme, konserviert das charakteristische Design und sorgt dafür, dass der Originalzustand möglichst für immer erhalten bleibt – und dann kommt der fiese Rüpel-Rian und macht mit einem einzigen Tritt alles zunichte. Es ist nur logisch, dass er nun, da er die Chance zur Restauration bekommt, zu retten versucht, was noch zu retten ist. Doch wie das eben mit zersprungenen Dingen ist, die man mit Nostalgie zu kleben versucht – schonender für die Nerven aller Beteiligten wäre es gewesen, die Scherben als Chance für einen Neuanfang zu betrachten, sich ein für allemal von dem alten Tand zu trennen und zu neuen Ufern vorzudringen.
So wird Kylo Rens reparierter Helm mit seinen roten Narben zum Sinnbild für Abrams’ Unfähigkeit, die Vergangenheit loszulassen. Er steht zudem für die Revision einer bereits in Gang gebrachten Veränderung, die nicht ohne sichtbare Nähte über die Bühne gebracht werden kann; zu weit ist bereits fortgeschritten, was eigentlich in eine völlig neue Richtung hätte geführt werden müssen. Das Zögern des Regisseurs ist nicht ihm vorzuwerfen. Wie der nämlich arbeitet, ist gemeinhin bekannt, so dass die Verantwortung für das künstlerische Ergebnis voll und ganz beim Studio liegt; eine Feststellung, die auch bereits bei der riskanten Besetzung des Regiepostens für den Mittelteil mit Rian Johnson zutraf.
Das halbgare Gesamtergebnis jedenfalls hat sich nun ganz alleine die Maus hinter die Ohren zu schreiben. Ganz egal, ob man nun komplett den konservativen Pfad Abrams’ oder den progressiven Pfad Johnsons gefahren wäre: Mehr Konsequenz bei der Umsetzung einer wahren Vision, ganz ohne die Berücksichtigung des Social-Media-Rauschens im World Wide Web, das ohnehin nicht sinnvoll gefiltert werden kann, hätte in jedem Fall zum besseren Gesamtwerk geführt. So oder so.
Nun müssen wir eben mit Beschwichtigungen vorlieb nehmen, kleinlauten Relativierungen und halbgarer Versöhnung, was insbesondere das letzte Drittel von „The Rise of Skywalker“ zu einer mutlosen Veranstaltung werden lässt. Johnsons kühne Versuche, den Braten aus seinem eigenen Safte zu hieven, werden zu einem irrationalen Wutanfall heruntergespielt, den man nicht allzu ernst nehmen muss. Mit kühlem Jedi-Köpfchen sieht das Universum plötzlich wieder ganz anders aus. „Was regt ihr euch eigentlich so auf?“, scheint das Drehbuch den Trotzköpfen mit demolierter Kindheit da draußen zuzurufen. „Ist doch gar nichts passiert“.
Schaut in “Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers” hinein
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Dabei werden die Ansätze von Johnson-Wildwuchs jedoch mit der gleichen Radikalität ausgerupft, wie man sie auch diesem unsensiblen Klotz von Vorgänger vorgeworfen hat. Es wirkt nicht allzu souverän, wenn man sich relativ komplexer Sachverhalte mit einer Handbewegung entledigt, auch wenn das vielleicht in gewisser Weise sogar „the Jedi Way of Life“ ist. Zugegebenermaßen eignet sich das Universum von „Star Wars“ aber sehr gut, erzählerische Willkür mit visueller Opulenz und opernhafter Dramatik zu übertünchen. Hier spielt die Produktion mal wieder alle Trümpfe aus, so wie sie es bereits in den vorangegangenen beiden Filmen tat. Ob nun Ewok-Nostalgie in leuchtenden Pinienwäldern zelebriert wird, Eiswelten wie Skulpturen in Szene gesetzt werden oder an den Physik-Reglern vertrauter Naturphänomene gedreht wird (bei dem Wellengang hat man sich offenbar Christopher Nolans „Interstellar“ zum Vorbild genommen), auch die neunte Episode geizt nicht mit Ausblicken auf die wundersamsten Orte des Universums und gelangt hier so nah an den Space-Opera-Kern der Saga wie sonst nirgendwo.
Merkwürdige Kreaturen mit Paralleleigenschaften zu den uns bekannten irdischen Vertretern des Tierreichs begleiten die obligatorischen Wischblenden und fungieren als finale Signatur für das Artdesign der Planeten. Eine wunderbare Vielfalt wird hier geboten, die man von einer Produktion dieser Größenordnung mit so vielen Meistern ihres jeweiligen Gebiets natürlich auch erwarten kann und sollte. Dass die wortwörtlichen Sterngefechte als Kumulation einzelner Fehden wieder eher Mangelware sind, wird erst kurz vor dem Schlussteil deutlich, als eine gigantische Flotte für regelrechten Verkehrsstau am Himmel sorgt und damit einen echten Aha-Moment verursacht. Bis dahin hat zwar der Millennium Falcon den ein oder anderen großen Moment in Aktion und ein Tie Fighter fordert Rey in einer epischen Neuauflage von Hitchcocks „Der Unsichtbare Dritte“ zum Western-Standoff, doch der Krieg, den bislang einzig das Spin-Off „Rogue One“ voll auszukosten wusste, ist hier wieder nur ein Wald am Horizont, der von Bäumen verdeckt wird, wenn auch solchen, die ihrerseits die Einzelbetrachtung mehr als wert sind.
Folglich liegt der Fokus auf den relativ nichtssagenden Beweggründen der Figuren, die allesamt ihre persönlichen Krisen zu durchleiden haben, um schließlich kollektiv an der imperialen Bedrohung zu knabbern. Adam Driver geht noch am ehesten als Gewinner aus der Trilogie hervor, begann er doch als blasser Schatten des großen Darth Vader und wusste mit der Zeit immer mehr Facetten in seine eindimensionale Figur zu bringen, sicher auch begünstigt durch die bemerkenswerte Entwicklung, die er als Schauspieler in anderen Filmproduktionen durchlaufen hat. Proportional umgekehrt verlor Daisy Ridley leider mit der Zeit den Glanz, der sie in Episode VII noch umschloss; dabei sollte dies nun eigentlich ihr Film sein. Das größte Opfer der Unentschlossenheit Disneys ist sicherlich in Oscar Isaac und John Boyega gefunden; nachdem die Beiden in Episode VIII derart zurechtgestutzt wurden, weiß Abrams sie bloß noch formal einzureihen. Sie schwimmen nun im Strom, ohne sich zuzutrauen, eigene Akzente zu setzen.
Man hätte „The Rise of Skywalker“ durchgängig so eine Schwerelosigkeit gewünscht, wie er sie in einzelnen Abschnitten durchaus verströmt. Wann immer das Setdesign so sehr hypnotisiert, dass man das strategische Figurenschach mal für einen Moment vergisst, strömt „Star Wars“ diesem Abschluss der dritten Trilogie aus allen Poren. Leider sind das immer nur Momentaufnahmen. Das Tauziehen um das Vermächtnis eines Giganten der Populärkultur hat zu einer Kompromisslösung geführt, die langfristig wohl niemanden zufrieden stellen wird. Lucas’ Prequel-Trilogie wird neuerdings zumindest dahingehend rehabilitiert, dass man die klare Vision des Schöpfers nun erkennt, auch wenn handwerkliche Aspekte der Episoden I – III (Computereffekte, Schauspiel, Digitallook) nach wie vor gerügt werden (nicht zu Unrecht). Es bleibt nun abzuwarten, wie beständig sich das heute noch gelobte Design gegen die Zeit behaupten kann. Ist dieses nämlich einmal porös, bleibt von der letzten Geschichte der Ära Skywalker nicht mehr übrig als die müde Imitation alter Gesten und eine große Luftblase.
“Star Wars: Die letzten Jedi” läuft seit dem 18. Dezember 2019 in den deutschen Kinos. Am 30. April 2020 erscheinen die physischen Datenträger für das Heimkino in vielen unterschiedlichen Editionen: Als DVD, Standard-Blu-ray, 3D-Steelbook und Dual Format mit Blu-ray und UHD.
Sascha Ganser (Vince)
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