Jeder, der in den 80er und 90er Jahren einen wundervollen Ort namens Videothek aufsuchte, kennt vielleicht nicht zwingend seinen Namen, aber garantiert einen seiner Filme: „American Samurai“, „Delta Force 3“, „American Fighter 1 und 2“, „Cyborg Cop“ und natürlich den „Night Hunter“. Die Rede ist von dem Regisseur Sam Firstenberg. Der Prachtband „Stories From The Trenches: Adventures in making High Octane Hollywood Movies with Cannon Veteran Sam Firstenberg“ widmet sich sich dem Leben und der filmischen Karriere des B-Regisseurs.
Wer ist noch einmal dieser Sam Firstenberg?
Sam Firstenberg ist ein polnisch-amerikanischer Regisseur. Geboren am 13. März 1950, zog seine Familie nach Jerusalem, als er fünf Monate alt war. Hier wuchs er als Shmulik Firstenberg auf und entdeckte früh seine Leidenschaft für das Kino und das Geschichtenerzählen. Mit 18 wurde er in die Armee eingezogen, wo er drei Jahre seinen Dienst versah. Mit 21 entschied er sich, Film zu studieren und machte 1972 Nägel mit Köpfen.
Er ging nach Kalifornien und studierte an der Loyola Marymount University. Danach folgte er dem Ruf seines Landsmannes Menahem Golan und arbeitete als dessen Assistent. Sein Kurzfilmdebüt legte er 1979 mit „For the Sake of the Dog“ vor, 1983 setzte er dann bereits die Fortsetzung des Überraschungshits „Enter the Ninja“ für Cannon Films um.
„Die Rückkehr der Ninja“ hieß das Werk und zeichnete den weiteren Karriereweg des Regisseurs vor: Niedrig budgetierte B-Action für das Studio von Menahem Golan und Yoran Globus, die ihm B-Actionhelden wie Michael Dudikoff, Steve James und David Bradley vor die Linse schoben.
Marco Siedelmanns „Storys from the Trenches“
Die Ergebnisse waren keine Oscar-Ware, aber für eine ganze Generation von Actionfans sind sie heute Kult. So auch für den Autor Marco Siedelmann. Dieser hatte bereits den B-Filmhelden von Shapiro-Glickenhaus und deren Filmen „Red Scorpion“, „McBain“, „Maniac Cop“ oder „Blue Jean Cop“ ein Denkmal gesetzt. Dieses hörte auf den Titel „The Untold, In-Depth, Outrageously True Story of Shapiro Glickenhaus Entertainment“ und vereinte Interviews mit den verschiedensten Personen, die mit dem Studio zu tun hatten.
Einen vergleichbaren Ansatz fährt Marco Siedelmann auch in „Stories from the Trenches: Adventures in Making High Octane Hollywood Movies with Cannon Veteran Sam Firstenberg“. Auf unfassbaren 750 Seiten lässt er die verschiedensten Wegbegleiter von Sam Firstenberg zu Wort kommen. Darunter finden sich Namen wie Lucinda Dickey (Hauptdarstellerin in „Ninja III: The Domination“), Steve James, Steve Lambert (Stuntman für Sho Kosugi in „Die Rückkehr der Ninja“), Keith Vitali, Judie Aronson (Dudikoffs Love Interest in „American Fighter“), Michael J. Duthie (Cutter unter anderem bei „American Fighter“), Bryan Genesse und Michael Dudikoff.
Das Wichtigste: Sam Firstenberg selbst wird von dem Autor ausführlich befragt. Der Leser erfährt dank „Storys from the Trenches“ alles über Sam Firstenberg: Seine Jugend, seine Eltern, seine Frau, die Entdeckung seiner Filmleidenschaft, seinen Aufstieg im Filmsystem und seine Filme. Nebenbei erfährt man auch, wie Filme damals entstanden sind, welche Rolle Israel für diverse Action-Kultklassiker spielte, wie filmverrückte Männer wie Menahem Golan oder Boaz Davidson dachten und natürlich spielt auch der Wahnsinn bei Cannon Films und Nu Image eine gewaltige Rolle in diesem Buch.
Dabei ließ es sich Marco Siedelmann nicht nehmen, Sam Firstenberg zu jedem seiner Filme (von „One More Chance“ bis „The Interplanetary Surplus Male and Amazon Women of Outer Space“) ausführlich auf den Zahn zu fühlen. Das wird flankiert von zig Fotos von den Sets, beteiligten Personen, Filmartworks, Storyboards, Drehbuchseiten, Filmstills und privaten Bildern Firstenbergs.
Auf über 1.000 Fotos bringt es „Storys from the Trenches“ dementsprechend. Darunter ein Bild des blutjungen Jean-Claude Van Dammes am Set von „Breakin’ 2“ und ein Artwork von Chuck Norris als „American Fighter“. Die Folge ist eine wahre Flut an Informationen, Anekdoten und bildhaften Eindrücken zu Filmen, denen gefühlt noch nie eine solche Aufmerksamkeit und auch kein solcher Respekt entgegengebracht wurde.
Ein Beispiel für die Infomationsfülle des Buches anhand von „American Samurai“
Als großer Mark-Dacascos-Fan will ich einmal beispielhaft einige Informationen zu dem Firstenberg-Streifen „American Samurai“ aus dem Buch aufführen. Für den Regisseur war dieser Film eher eine negative Erfahrung. Er hatte sich ursprünglich auf einen größer skalierten Actionfilm vorbereitet (inklusive Shootouts und Autoverfolgungsjagden), doch kurz vor Drehbeginn erhielt er ein komplett neues Skript, das seinen großen Film zu einem sehr schmal budgetierten machte.
Zudem haben die Produzenten den Film im Nachgang komplett umgeschnitten. Elemente, wie die Halbbruderschaft von David Bradley und Mark Dacascos, sollten im ursprünglichen Film als Mysterium geführt und erst spät enthüllt werden. Das ist nun nicht mehr der Fall. Den gesamten Prolog rund um die beiden Hautfiguren habe laut Firstenberg ein anderer Regisseur gedreht und eine mit Body Doubles komplett neu gedrehte Sexszene sei ebenfalls in den Streifen geschnitten worden.
Bei meinem Review zu „American Samurai“ fiel mir zudem auf, dass der Showdown zwischen Mark Dacascos und David Bradley sehr seltsam wirkte. Denn beide kämpften gar nicht wirklich gegeneinander, sondern viel mehr gegen die Kamera, wodurch viele Close-ups die Szenerie dominierten. Auch Anschlussfehler waren zu erkennen. „Storys from the Trenches“ bestätigt diesen Verdacht. Demnach sei der gesamte Final Fight im Schneideraum neu zusammengestückelt wurden. Teils mit tatsächlich für den Finalkampf gedrehten Szenen, teils mit nicht verwendeten Szenen aus anderen Fights.
Der simple Grund: Die Produzenten mochten den von Firstenberg, Bradly, Dacascos und Stuntkoordinator Guy Norris in Szene gesetzten Finalkampf nicht. Dieser orientierte sich stark am klassischen Samurai-Film und funktionierte nach dem „Wer zuerst zieht, gewinnt“-Prinzip. Sprich, mit einem Schwerthieb wäre alles gegessen gewesen. Stattdessen haben wir nun konfusen Schnittsalat.
Dafür habe zumindest Marc Dacascos laut Sam Firstenberg seine Bösewichtrolle sehr genossen und sei laut dem Regisseur ideal für sinistere Rollen geeignet. Zudem habe Mark Dacascos am Set andere Fighter gedoubelt, weshalb er in den Credits auch als Stuntman geführt wird. Das Buch liefert noch viele derartige Informationen mehr – zu einem Film wie „American Samurai“ wohlgemerkt!
Unsere Videokritik zu dem Buch
httpv://www.youtube.com/watch?v=_2rioa0NF_c&t=1440s
„Storys from the Trenches“ setzt einem B-Movie-Helden ein würdiges Denkmal
Ein großer Verdienst von „Storys from the Trenches“ ist, dass man dank des Buches einen Mann kennenlernen darf, der filmhistorisch gesehen für die meisten Kritiker kaum mehr als eine Randnotiz war. Eine Randnotiz, die allerdings ganz genau wusste, was die Actionfans rund um den Globus wollten. Und das auch zu bedienen versuchte. Doch, und da schließt sich der Kreis zu dem leicht martialischen Buchtitel rund um die Geschichten aus dem Schützengraben, Filmedrehen ist kein Zuckerschlecken. Auch Sam Firstenberg hatte viel zu kämpfen, vor allem mit Menahem Golan, der erneut als reichlich wahnsinniger Filmirrer rüberkommt.
Dabei – und das macht das Buch von Marco Siedelmann ebenfalls erfahrbar – hat sich Sam Firstenberg nie unterkriegen lassen. Ja, der sehr offen, zugänglich und witzig rüberkommende Filmemacher hätte gerne höher budgetierte Filme gedreht und ja, er wäre nur zu gerne seinen Habitus als Hausregisseur von Menahem Golan losgeworden. Trotzdem bedauert er offensichtlich keine einzige seiner Entscheidungen.
„Storys from the Trenches“ muss jeder B-Actionfan haben
Man kann Marco Siedelmann wirklich nur zu seinem Buch gratulieren, denn ihm ist es gelungen, einem Maestro der B-Actiongülle ein würdiges Denkmal zu setzen. Das ist aufgrund seines Interview-Aufbaues zwar keine wirkliche Biographie, liefert aber in den unterhaltsamen Gesprächen ein wahres Panoptikum an Eindrücken zu Sam Firstenberg und der Zeit, in der er Filme drehte.
Im Vergleich zu Siedelmanns Vorgängerbuch über Shapiro-Glickenhaus-Entertainment kommt den „Storys from the Trenches“ der chronologische Aufbau sehr zugute. Zudem ist ein wichtiger Schritt nach vorn, dass Siedelmann der reichen Bebilderung auch Bildunterschriften verpasste. Dieses verortende Element hatte er in dem Shapiro-Glickenhaus-Werk weggelassen. Schade für manchen deutschen B-Actionfan wird die rein englische Umsetzung des Buches sein. Hinnehmbar, aber trotzdem ein wenig bedauerlich ist, dass die reiche Bebilderung ausschließlich in Schwarz/Weiß erfolgte.
Im Großen und Ganzen ist „Storys from the Trenches“ ein Buch, das in keinem Bücherregal eines B-Action-Freaks fehlen darf. Infolgedessen ergeht eine unbedingte Leseempfehlung. Einmal angefangen, kann man das gewaltige Stück Actiongeschichte so schnell nicht wieder weglegen.
Alle Informationen zur Veröffentlichung von „Storys from the Trenches“
Stories From The Trenches: Adventures in making High Octane Hollywood Movies with Cannon Veteran Sam Firstenberg
von Marco Siedelmann
Taschenbuch: 755 Seiten
Herausgeber: Editions Moustache;
Auflage: 1 (29. Januar 2020);
ISBN-13: 978-3960346692
In diesem Sinne:
freeman