Originaltitel: Tal der Skorpione__Herstellungsland: Deutschland__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Patrick Roy Beckert__Darsteller: Claude-Oliver Rudolph, Mathieu Carrière, Ralf Richter, Martin Semmelrogge, Elena Carriere, Uwe Fellensiek, Micaela Schäfer, Taynara Silva Wolf, Patrick Roy Beckert, Curd Berger, Bartholomäus Kowalski u.a. |
2012 drehte Patrick Roy Beckert den Independent Film „Breakdown Forest“. Dessen Storyline war auf drei Filme ausgelegt. Als Beckert und Freunde sich anschickten, den zweiten Teil zu drehen, spürten sie, dass sie sich seit „Breadown Forest“ deutlich weiter entwickelt hatten. Der soeben begonnene Film hätte aufgrund der besseren Fertigkeiten in allen Bereichen nicht mehr zum Vorgänger gepasst. Ergo drehte man alles auf null und beschloss, die „Breadown Forest“-Trilogie neu zu starten.
Doch das war gar nicht so einfach. Vier Jahre lang zog sich die Produktion hin. In der langen Zeit gelang es, prominente deutsche Schauspieler von dem Projekt zu überzeugen. Vor allem die Verpflichtung von Ralf Richter, Martin Semmelrogge und Claude-Oliver Rudolph, die nicht nur in „Das Boot“ gemeinsam gespielt hatten, kann als mittlerer Coup gelten. Aber bei vier Jahren Produktionszeit kann verdammt viel passieren. Etwa, dass man am Ende einen Rohschnitt von knapp acht Stunden vorliegen hat.
Wenn man diesen dann kürzen will, kann es schon einmal passieren, dass die Story leidet. Genau das ist „Tal der Skorpione“ passiert. In diesem dreht sich alles um die beiden Charaktere Sajoscha Petrosevitsch und Leon Kamarowski. Letzterer ein Cop mit fragwürdiger Reputation. Ersterer ein zum Killer geschliffener Außenseiter. Beide erwachen eines Tages in einem Breakdown Forest genannten Areal, ohne eine Erinnerung daran, wie sie an diesen Ort gelangt sind.
Getrennt voneinander finden sie bald heraus, dass sie die Spielfiguren in einem perversen Spiel seltsamer Bad Scientists geworden sind. Diese wollen aus dem Genmaterial der Gewinner des “Spiels” einen Übermenschen erzeugen.
Schaut in den Actionfilm aus deutschen Landen hinein
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Die Geschichte von „Tal der Skorpione“ macht es dem Zuschauer wahrlich nicht leicht. Auf dem Papier klingt sie abgefahren und gleichzeitig geradlinig genug, um die Highlight-Szenen eines Actionfilmes mühelos zusammenzuhalten. In der Realität jedoch stößt das Storytelling mehrfach an seine Grenzen. Ewigkeiten blickt man leider überhaupt nicht durch, wer in dem Film wer ist und was er in dem Wald zu suchen hat.
Da sind die Hauptcharaktere Leon und Sajoscha, die jeder einen Story-Strang erhalten haben und in diesem Verbündete um sich scharen. Wer Leon und Sajoscha sind, erfährt man auf der Zielgeraden. Wer ihre Verbündeten sind? Who Cares? Dann tauchen irgendwelche Teenies auf, die auch herum killen. Typen mit Atemschutzmasken ballern ebenfalls unentwegt auf andere Kerle ohne Atemschutzmasken. Und alle Nase lang taucht eine neue Gruppe auf, bei der man keinerlei Ahnung hat, ob sie jagen, gejagt werden oder nur zum Grillen vor Ort sind.
Die Folge: Actionszenen, die für einen Film dieser Preisklasse durchaus Spaß machen. Weil sie mit platzenden Bloodpacks aufwarten, weil nicht mit CGI-Mündungsfeuern und Trefferwirkungen gearbeitet wird und weil die Explosionen ebenfalls handmade sind. Technisch fühlt man sich von den Machern, denen eine Hommage ans 80er-Actionkino vorschwebte, also verstanden. Involvierungstechnisch findet man in das Geballer aber wirklich überhaupt nicht hinein. Eben weil man null checkt, wer hier eigentlich wen um die Ecke bringt.
Zudem muss man anmerken, dass Leon und Sajoscha in keinster Weise Identifikationsmaterial darstellen. Was dann auch dafür sorgt, dass deren Actionszenen nicht wirklich im Bauch zünden. Auf der Hälfte der Laufzeit zieht das Drehbuch die Story ein wenig gerade. Macht die groben Zusammenhänge verständlicher und sorgt dafür, dass „Tal der Skorpione“ etwas geschmeidiger ausläuft, als er begann. Spannung hat der Film dennoch keine zu bieten. Das macht er aber mit einer Menge Action wieder wett.
Diese steigt zumeist in dem Waldstück. Nur zu Beginn werden eine Baustelle und ein Abrisshaus für die Action missbraucht. In den Settings steigen durchwegs Ballereien und Explosionen. Physische Konfrontationen in Form von Martial-Arts-Fights oder Messerduellen bleiben leider komplett außen vor, hätten das etwas eintönige Geballer aber definitiv aufgewertet. Beeindruckend sind der Bodycount und die aufgefahrene Kompromisslosigkeit. „Tal der Skorpione“ macht keinerlei Gefangene und schickt seine Figuren mit spritzenden Schusswunden zur Hölle. Kleinere Nicklichkeiten wie saftige Kehlenschnitte gibt es als Bonus obendrauf.
Auch die Inszenierung der Action ist für einen im Independent-Bereich angesiedelten Film durchaus beachtlich. Ein oder zwei Kameras mehr hätten sicherlich mehr Dynamik zur Folge gehabt. Und weil man in den Zeitlupenmodus schaltet, ist man noch lange kein John Woo, aber Beckert und Co. sind sichtlich bemüht, das Actionfanherz zu erfreuen. Und ein mit „Ave Maria“ unterlegtes Gemetzel zeigt auf, dass da durchaus das Potential für mehr vorhanden ist.
Darstellerisch sollte man bei „Tal der Skorpione“ auf dem Teppich bleiben. Die Bösewichter overacten sich um Kopf und Kragen, die Hauptdarsteller – Regisseur Beckert als Sajoscha und Bartholomäus Kowalski als Leon – wirken nicht immer glücklich in ihrem Spiel und die größten Namen – Richter, Semmelrogge und Rudolph – haben leider viel zu wenig Screentime. Leider, weil deren zumeist recht zynischen Szenen definitiv die besten sind. Ebenfalls gut spielen Curd Berger und Mathieu Carrière. Und auch wenn ihr niemand mehr zutraut, als sich nackt zu machen, zeigt eine durchgängig zugeknöpfte Micaela Schäfer („Skin Creepers“) durchaus ein bisschen Talent in ihrer Rolle als Jägerin. Alle anderen Darsteller sind letzten Endes nur dazu da, eine Nummer im Bodycount darzustellen. Das klappt ganz gut.
Abseits der Action inszeniert Beckert seinen kleinen Actioner durchaus ordentlich. Einige Szenen, in denen „Tal der Skorpione“ kurz mal ins Horrorgenre zu kippen scheint (Waldhüttensequenz), offenbaren ein Gespür für Atmosphäre. Der unbedingte Wille, das Waldstück ab der Filmhälfte durchgängig in Nebel zu tauchen, beeindruckt und sorgt durchaus für eine gespenstische Atmosphäre. Einige ungewöhnlichere Perspektiven und Einstellungen wissen ebenfalls zu gefallen. Ein kleines Highlight ist der gegen Ende immer epischer werdende Score. Der macht teils richtig Laune. Von dem netten, an Bond-Filme erinnernden und mit einem schönen Song unterlegten Intro ganz zu schweigen. Props dafür an Heiko Bender, einem Kumpel des Rezensenten.
„Tal der Skorpione“ – Der Anfang vom Lied…
Leider endet „Tal der Skorpione“ sehr offen. Kennt man die Vorgeschichte, musste man das allerdings auch erwarten. Denn für Beckert und Co. soll die Reise noch häufiger ins „Tal der Skorpione“ führen. Ein zweiter Film sei laut Audiokommentar von Regisseur Beckert bereits in der Planung. Dieser solle dann deutlich geradliniger und in weniger Zeit durchgezogen werden. Man kann nur hoffen, dass dies der Story zugutekommt.
Die stellt in ihrer Unklarheit und Unfokussiertheit über weite Strecken nämlich das Hauptproblem des obendrein deutlich zu langen Filmes dar. Auch die Dialoge der Figuren sind nicht viel wert, wirken teils gar krampfig. Sobald die Figuren allerdings schweigen und die Feuerwaffen ihre Argumente versprühen, macht „Tal der Skorpione“ mit seiner Old-School-Ausrichtung eine Menge richtig. Der ganz große Wurf in Sachen „deutscher Action“ kommt dabei zwar nicht heraus, man erkennt aber das Bemühen aller Beteiligten. Wer also mit Actionfilmen der Marke Mike Möller („Ultimate Justice“) oder Nico Sentner („Atomic Eden“) etwas anfangen kann, der sollte hier einen Blick riskieren und sich selbst ein Bild machen.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 25. Oktober 2019 von der Busch Media Group. Zu der eigenwilligen Freigabesituation rund um den Film hatten wir in diesem Artikel bereits berichtet. Als Folge erscheint die ungeschnittene Langfassung des Filmes.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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