Originaltitel: Telefon__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1977__Regie: Don Siegel__Drehbuch: Peter Hyams, Stirling Silliphant__Darsteller: Charles Bronson, Lee Remick, Donald Pleasence, Tyne Daly, Alan Badel, Patrick Magee, Sheree North, Frank Marth, Helen Page Camp, Roy Jenson, Jacqueline Scott, Ed Bakey, John Mitchum u.a. |
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In Don Siegels „Telefon“ muss Charles Bronson gehirngewaschene Selbstmordattentäter aufhalten
Mit „Telefon“ durfte der genreerfahrene Don Siegel („Dirty Harry“) Actionstar Charles Bronson zwar als harten Kerl inszenieren, aber in einem anderen Kontext als jene urbanen Vigilantenszenarios, in denen man den guten alten Kalle B. nach „Death Wish“ so gerne einsetzte.
„Telefon“ basiert – so wie Robert Aldrichs „Das Ultimatum“ und Renny Harlins „Stirb langsam 2“ – auf einem Roman von Walter Wager, den Peter Hyams („2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen“) und Stirling Silliphant („Over the Top“) in Drehbuchform umarbeiteten. Der Kalte Krieg ist ebenso präsent wie zarte Anflüge von Entspannungspolitik, wenn man zu Filmbeginn erst sieht wie russische Soldaten in Moskau nach dem alteingesessenen Stalinisten Nicolai Dalchimsky (Donald Pleasance) suchen, um ihn zu verhaften. Der wiederum ist jedoch rechtzeitig geflohen und taucht in der nächsten Szene in Amerika auftaucht, wo er einen Schläfer aktiviert, indem er diesem Zeilen aus einem Gedicht von Robert Frost aufsagt. Das hat einen leichten Science-Fiction-Touch, doch darf man nicht vergessen, dass beide Seiten im Kalten Krieg unkonventionelle Wege der Kriegsführung testeten – in der Realität allerdings meistens erfolglos.
Die aktivierten Schläfer werden zu willenlosen Selbstmordattentätern, die verschiedene Ziele attackieren, die zwar nicht mehr alle wichtige Infrastruktur sind, ihnen aber dereinst eingebläut wurden. Da die Russen keineswegs wollen, dass der amerikanische Geheimdienst auf das längst eingemottete Programm aufmerksam wird, und eigentlich Entspannung zwischen den Blockparteien suchen, schicken sie ihren besten Mann in die USA: Major Grigori Borzov (Charles Bronson). Der ist zwar etwas überlegter als ein Paul Kersey, aber sonst eine typische Bronson-Figur: Stoisch, einsilbig, kompetent und mit Killerinstinkt gesegnet. Bonus-Feature in „Telefon“: Der Held besitzt ein fotographisches Gedächtnis.
Während man auch bei der CIA auf die Attentatsserie aufmerksam wird, vor allem durch die Erkenntnisse der Analytikerin Dorothy Putterman (Tyne Daly), kommt Grigori in den USA an. Seine Partnerin, die sich als seine Ehefrau ausgibt, ist die Agentin Barbara (Lee Remick). Gemeinsam verfolgen sie die Spur Nicolais und suchen nach einem Muster hinter den Anschlägen…
Schaut euch den Trailer zu „Telefon“ an
„Telefon“ ist einerseits in seiner Zeit verwurzelt, in anderer Hinsicht aber fast schon prophetisch. So passt Don Siegels Film in die Riege der Polit-Paranoiathriller jener Zeit (siehe „Die 3 Tage des Condor“ oder „Zeuge einer Verschwörung“), wenngleich er wesentlich mehr auf Unterhaltung ausgelegt ist, weniger auf Anklage der Verhältnisse. Zwar werden sowohl KGB als auch CIA als wenig zimperlich gezeichnet, doch der wahre Böse in diesem Film ist eben ein durchgeknallter Ewiggestriger, der dem politischen Tauwetter und der Entspannung zwischen den Blöcken entgegensteht. Denn die Sowjets in diesem Film nehmen Glasnost und Perestroika vorweg, wenn sie Altstalinisten entmachten und einknasten, während sie die Annäherung an den (ehemaligen) Klassenfeind suchen. Gleichzeitig wirken die Bilder von Selbstmordattentätern, die sprengstoffbeladene Autos und Hubschrauber in Zielgebäude steuern, in einer Post-9/11-Welt auf unangenehme Weise prophetisch.
Die Attentate sorgen dann auch für Action-Intermezzi, meist in Form von Explosionen, aber auch ein, zwei Autocrashs sind dabei, als einer der Schläfer vor Grigori fliehen will. Der dagegen lässt die Knarre meist im Holster, gibt mal einem Attentäter den Fangschuss und bestreitet auch einen Showdown, aber selbst der ist klein skaliert. Das Gebotene ist sauber inszeniert, die Feuerbrünste teilweise regelrecht spektakulär (vor allem im Auftakt), aber zum reinen Actionreißer wird „Telefon“ nie.
Das Ganze ist viel mehr ein Thriller, bei dem mehrere Parteien konträre Ziele verfolgen. Allerdings, und das ist ein dramaturgisches Problem von „Telefon“, laufen diese Handlungsstränge über weite Strecken eher nebenher als wirklich aufeinander zu. Sowohl Grigori als auch die CIA versuchen das Muster hinter den Anschlägen zu entschlüsseln, was jetzt filmisch nicht allzu aufregend ist. Die CIA bekommt früh Wind von Grigoris Ankunft, aber erst ein kleiner Twist gegen Ende verknüpft diese Handlungsstränge. Mancher Subplot hängt dann auch vollends in der Luft, etwa die sich anbahnende Büroliebe zwischen Dorothy und einem Kollegen, die aber nach einem Kuss als soweit erledigt angesehen wird, dass sie danach nie wieder aufgenommen wird. Auch mit der Logik ist es manchmal etwas schwierig: Der Sinn hinter Nicolais Plan, der im schlimmsten Fall den Dritten Weltkrieg auslösen würde, wird nur so rudimentär angerissen, außerdem haben die Attentäter immer ihr Mord- und Sprengwerkzeug parat, ganz egal wo sie gerade sind. Daheim oder in der eigenen Kfz-Werkstatt ist das ja noch glaubwürdig, aber den Kram in einer Tiefgarage zu bunkern, das strapaziert die Glaubwürdigkeit.
Doch „Telefon“ ist trotz seiner erzählerischen Probleme nicht ohne Reiz. So versteht Siegel es phasenweise die Spannung hochzutreiben, vor allem im Showdown, in dem sich mehrere Parteien belauern, die Eskalation in der Luft liegt und jeder dabei unerkannt bleiben möchte. Und auch wenn Barbara ihren Pseudo-Ehemann teilweise etwas sehr plump anbaggert, so ist „Telefon“ teilweise durchaus effektiv als eine Art Agenten-Road-Movie über zwei Menschen, die ihren Job sehr unterschiedlich angehen. Grigori ist ein Befehlsempfänger, der in erster Linie funktioniert, sich nur auf seinen Job konzentriert und nur in überschaubarem Rahmen seine Mission hinterfragt. Barbara hingegen zweifelt, tötet nicht gerne und sucht den persönlichen Kontakt zu ihrem Partner, der lieber reiner Profi ist. Am Ende macht „Telefon“ keine Werbung für einen der beiden Ansätze, denn Zweifel erweisen sich einerseits als klug, andrerseits nervt Barbara gelegentlich mit ihrer andauernden Nachfragerei.
Das könnte allerdings auch daran liegen, dass Lee Remick („Das Omen“) nicht unbedingt die ausdrucksstärkste oder überzeugendste Schauspielerin ist, der man die Agentin nicht immer abkauft. Bronson („Der Liquidator“) dagegen spielt seinen gewohnten Stiefel als cooler, kompetenter Killer mit Ausdruckskraft und Charisma herunter, während Donald Pleasance („Der Commander“) an seiner unterentwickelten Schurkenfigur zu knabbern hat, aber doch ziemlich fies rüberkommt. Auch Tyne Daly („Spider-Man: Homecoming“) als statistik- und wahrscheinlichkeitsfixierte Analystin macht einen guten Job und damit aus dieser eigentlich sekundären Rolle einen memorablen Part – etwas, das dem Rest vom Cast nicht so gelingt.
„Telefon“ ist ein sauber inszeniertes Thriller-Vehikel, welches das Polit-Paranoiakino der 1970er mit dem Bronson-Style vereint, also oberflächlicher, aber dafür auch actionreicher als die bekanntesten Vertreter des Genres ist. Die entsprechenden Krawallszenen rummsen ordentlich, die politische Komponente ist eher dezent, aber nicht uninteressant. Freilich muss man mit dramaturgischen Schwächen leben, unter anderem damit, dass die Handlungsstränge lange Zeit eher nebenher als wirklich eng verknüpft miteinander laufen.
Hierzulande ist „Telefon“ nur auf VHS bei MGM/UA erschienen und ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Die deutschen DVDs des Films sind Bootlegs, legal kann man ihn bei Video-on-Demand-Anbietern wie Amazon sehen.
© Nils Bothmann (McClane)
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