„The Beautiful Ones“ ist einer jener Gangsterfilme von Jesse V. Johnson, durch die er nicht als reiner Actionregisseur wahrgenommen werden möchte. In diesem Indepedent-Film spielt Ross McCall den Mafia-Enforcer Gabriel Tancredi, der zwischen die Fronten gerät, als er sich verliebt. Mit Gastrollen von Eric Roberts, Ed Lauter und Jessy Schram.
Originaltitel: The Beautiful Ones__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Jesse V. Johnson__Darsteller: Ross McCall, Brian Tee, Fernanda Andrade, Julie Warner, Ed Lauter, Eric Roberts, Jessy Schram, Thomas Rosales Jr., Anthony V. Pugliese III, Johnny Yang, Jason Miller u.a. |
Immer wieder versucht Jesse V. Johnson („Avengement“) nicht als reiner Actionregisseur wahrgenommen zu werden und dreht dann meist Gangsterfilme. In „The Butcher“ verband er dies noch mit ordentlich vermarktbarem Geballer, die unabhängiger produzierten, persönlicheren Werke „Charlie Valentine“ und „The Beautiful Ones“ boten dann weniger davon.
Ein Weggefährte aus „The Butcher“ greift Johnson mit einem Kurzauftritt bei „The Beautiful Ones“ unter die Arme: Eric Roberts tritt zu Beginn als säumiger Schuldner auf, der den Zaster an den Mafia-Enforcer Gabriel Tancredi (Ross McCall) und dessen Crew auszahlt. Gabriel ist nicht nur Protagonist, sondern auch Erzähler des Films, der immer mal wieder die vierte Wand durchbricht. Das erinnert an die Gangsterprotagonisten von Martin Scorsese, Quentin Tarantino und Guy Ritchie, wobei sich „The Beautiful Ones“ an einem Ton versucht, der eine Melange der drei versucht, aber nichts so richtig ist: Harte Milieustudie á la Scorsese, extravaganter Spaß á la Ritchie und Meta-Zitat-Film á la Tarantino, all das wird zwar angerissen, aber da Ergebnis sitzt dann etwas unentschlossen zwischen den Stühlen.
Tancredi arbeitet für seine Tante, die Mafiapatin Caterina (Julie Warner). Deren Rivale ist Tony ‘The Shark‘ Romano (Anthony V. Pugliese III), der eine Tochter namens Eva (Fernanda Andrade) hat. Gabriel soll sich an diese heranmachen, damit man sie im Zweifelsfall entführen und als Lockmittel benutzen kann, doch der sonst so coole Player entwickelt echte Gefühle…
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Man merkt dem von Johnson geschriebenen und inszenierten „The Beautiful Ones“ an, dass dieser ein Herzensprojekt für ihn war. Er ist inspiriert von jenen Filmen der 1960er und 1970er, die der Regisseur selbst zu seinen Lieblingen zählt und deshalb Gabriel als sein Alter Ego sprechen lässt: Der Gangster nennt Steve McQueen als sein großes Vorbild in Sachen Style und Coolness, im Dialog wird auf das Schaffen von Sam Peckinpah, Akira Kurosawa und Kinji Fukasaku eingegangen. In einer Szene stellt das verliebte Pärchen Gabe und Eva vor dem Spiegel Posen aus klassischen Schwarz-weiß-Gangsterfilmen nach und auch sonst merkt man dem Film an, dass er jenem Filmemachen vergangener Tage nacheifert.
Unterstützt wird das Ganze durch einen recht starken Score von Sean Murray („Boone – Der Kopfgeldjäger“), der im Finale besonders gut zur Geltung kommt. Besagter Showdown ist – ähnlich wie bei „Charlie Valentine“ – die einzige größere Actionsequenz, in der Schusswechsel und ein Messerfight auf dem Plan stehen, letzterer choreographiert von Ron Balicki („Sinners and Saints“). Dieser macht ähnlich Laune wie das Shoot-Out mit seinen blutigen Einschüssen und gut gesetzten Zeitlupenaufnahme, letztere meist von feuernden Waffen. Leider zeigt es auch: Johnsons Kernkompetenz ist dann doch die Inszenierung von Action.
Nicht, dass der Rest des Films nicht auch seine inszenatorischen Meriten hätte. So gibt es das nette Gimmick, dass Namen und Preise der Accessoires der modebewussten Gangster eingeblendet werden – vor allem Charlie und sein Gegenpart Casper (Brian Tee) wetteifern nicht nur in Sachen Toughness, sondern auch in Sachen Style miteinander. Dementsprechend geht es auch viel um die Ästhetik des Gangsterlebens, über die Gabriel ausführlich referieren kann – und das auch tut. Leider fehlt Johnson als Autor da das Fingerspitzengefühl eines Quentin Tarantino, denn „The Beautiful Ones“ ist in Sachen Dialoge eher Hit-and-Miss: Immer wieder gibt es gute Sprüche und interessante Betrachtungen, dann aber auch wieder inhaltsleeres, etwas bemühtes Blablabla.
Vor allem aber wird „The Beautiful Ones“ von zwei anderen Hauptproblemen geplagt. Das eine ist die Unterfinanzierung, für welche die Macher wenig können, die sich aber in einer eher hässlichen Optik irgendwo zwischen DV und Camcorder niederschlägt, die Johnsons Film leider selten wertig wirken lässt. Dies könnte allerdings auch daran liegen, dass „The Beautiful Ones“ eigentlich als Schwarz-weiß-Film konzipiert und auf Festivals so aufgeführt wurde, spätere Releases allerdings auf Verlangen des Distributors in Farbe sein mussten. Der andere Stolperstein ist dagegen der Plot und das ist allein Schuld des Drehbuchs. Die handelsübliche Liebesgeschichte des Paares zwischen den Fronten wird behäbig und ohne Drive erzählt, große Teile der (eh vorhersehbaren) Handlung dadurch vorweggenommen, dass rund zwei Drittel des Films eine lange Rückblende sind. Auch die Figuren erwachen trotz redlicher Bemühungen selten zum Leben, die Geschichte hat man schon hundertmal gesehen. Wieder nutzt ein Handlanger die Feindschaft zweier Parteien aus, wieder steht am Ende das große Abräumen und wieder muss der aufrechte Held sich in dieser Gemengelage behaupten, ehe er den Verräter am Ende stellt. Bis dahin haben Hass und Vorurteile aber schon fast alle andere das Leben gekostet, aber so kennt man das Ganze ja. Zudem gibt es viele Szenen, die den Film überhaupt nicht voranbringen, etwa jene mit Gabriel und seiner Kurzzeit-Liebschaft Angela Morot (Jessy Schram).
Es ist schade, dass all dies nur behäbiges 08/15-Gangstergehabe ist, denn in Sachen Casting weiß „The Beautiful Ones“ zu überzeugen. Nebenrollengesicht Ross McCall („Hooligans 2“) macht sich als Protagonist ziemlich gut und kann der Film durchaus tragen, während Brian Tee („Teenage Mutant Ninja Turtles: Out of the Shadows“) als Widerpart ganz gut ist. Für bekannte Gesichter sorgen die Cameos von Eric Roberts („National Security“), Jessy Schramm („Unstoppable“) und Ed Lauter („Extreme Justice“). Letzterer in seiner letzten Rolle, die einen komischen Beigeschmack hinterlässt: Ein krebskranker, sterbender Schauspieler spielt einen kranken, sterbenden Mafiadon. Aber er macht seine Sache gut und Johnson widmet ihm den Film. Fernanda Andrade („So ist das Leben – Life Itself“) und Julie Warner („Rebell in Turnschuhen“) in den großen Frauenrollen des Films sind okay, der Rest der Darstellerleistungen dagegen reichlich durchwachsen.
Was bleibt, ist ein sehr zwiespältiger Eindruck. „The Beautiful Ones“ trägt die Handschrift seines Machers, überzeugt gerade in Sachen Hauptdarsteller, Score und Showdown. Auf der anderen Seite gibt es leider gravierende Mängel, von der sichtlichen Unterfinanzierung bis zum fußlahmen Plot, die den Film klar ausbremsen. Schade drum, aber auch Herzblut schützt nicht in allen Belangen vor Versagen.
Knappe:
Bisher ist „The Beautiful Ones” nur in den USA auf DVD und Blu-Ray erschienen, ohne MPAA-Prüfung vom Label Gravitas Ventures. Leider enthalten die Discs nur die im Text erwähnte kolorierte Fassung. Die Webveröffentlichungen, etwa beim amerikanischen Amazon, dürften auch nur diese Version enthalten.
© Nils Bothmann (McClane)
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