Originaltitel: The Breach__Herstellungsland: Kanada__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Rodrigo Gudiño__Darsteller: Allan Hawco, Emily Alatalo, Mary Antonini. Natalie Brown, David R Carter, Wesley French, Alex Lifeson, Elisa Paszt, Ava Weiss, Adam Kenneth Wilson u.a. |
Ein kegelförmiger Ausschnitt nur, der die Leinwand verengt, und schon meint man unweigerlich, durch ein Schlüsselloch zu blicken. Symbol für das Verbotene und Portal in die Welt des Unbekannten zugleich, bereichert es den Film schon seit frühesten Stummfilmtagen durch seine anziehende Widersprüchlichkeit. Wie ein Magnet aus Nicht-Materie, um das sich alle Voyeure, zu denen sich zweifellos jeder Filmzuschauer zählen muss, in Scharen sammeln – in der Hoffnung, einen Blick auf die andere Seite werfen zu können.
Ein einfacher Türrahmen in Form eines Schlüssellochs ist es auch, der das gesamte, ansonsten ziemlich karge Produktionsdesign von „The Breach“ durch seine unwiderstehliche Schlichtheit dominiert. Keine Spezialeffekte, die den Rahmen lebendig werden lassen, keine Fallen, die ihn zum aktiven Mörder werden ließen, er verkörpert lediglich diese neutrale Grenzlinie, hinter deren Schranken das Licht verlockend schimmert, als auf einem Videoband zu sehen ist, wie ein Proband nach dem anderen das Portal durchschreitet, während ein Wahnsinniger (Adam Kenneth Wilson) sein Lebenswerk dokumentiert. Frankenstein und Lovecraft in Symbiose vereint, um dem Zuschauer ein keineswegs frisches, eher schon vertrautes Gefühl von kosmischem Horror zu geben.
Das spiegelt zumindest den Schreibstil von Nick Cutter, dem Autor der Romanvorlage, recht treffend wieder. In seinen besseren Arbeiten entpuppt er sich als Spezialist darin, die Spannungsschraube zum Finale hin immer fester zu drehen, wobei er dazu stets etablierte Topoi des Thriller- und Horror-Genres nutzt und diese allenfalls leicht variiert. Von „Hellraiser“ über „Event Horizon“ zu „Die Fürsten der Dunkelheit“, „Die Fliege“ und so ziemlich jedem dokumentierten Versuch eines Filmemachers, Lovecraft zu verfilmen, stimuliert der schlichte Plot von „The Breach“ rund um ein Portal ins Unbekannte das Erinnerungszentrum im Hippocampus durchgehend mit Momenten des Woher-kommt-mir-das-so-bekannt-vor, und verpasst es dabei, tatsächlich mal in unbekannte Gewässer aufzubrechen, was filmische Themen oder ihre Darbietung angeht.
Allenfalls zur Einführung der Haupthandlung wird es mal etwas experimenteller, wenn sich der Bildkader im 2,39:1-Format nur langsam aus der Schwärze heraus auf den gesamten Bildschirm ausbreitet, so dass eine recht unheimliche Distanz geschaffen wird zwischen der Dimension des Films und der Realität vor dem Bildschirm. Auch das ist keine Pionierleistung dieses speziellen Films, zumindest aber ein relativ unverbrauchter Kniff, um das präsentierte Filmwerk selbst als das „Ding hinter der Tür“ zu deklarieren. Die nötige Anspannung ist damit effektiv erzeugt, zumal Regisseur Rodrigo Gudiño, nebenbei auch Gründer des kanadischen Horrormagazins „Rue Morgue“, im Prolog durch klug gewählte Kameraperspektiven zusätzlichen Suspense schürt, indem er dem Weg eines Bootes über einen Fluss folgt, ohne zu enthüllen, wer oder was sich im Boot verbirgt. Selbst das Paranoia-Kino der 70er wird hier kurzzeitig lebendig, als Schaulustige am Ufer zum Boot gehen und man lediglich aus der Distanz ihre Panik beim Davonlaufen sieht, bevor der Titel eingeblendet wird.
Weil auch Optik und Color Grading einigermaßen ansprechend ausfallen, freut man sich bald auf einen klein skalierten, dabei aber fein getakteten Slowburner, der sich langsam seinen Weg zu einem exzessiven Finale voller prothetischer Effekte bahnt, in der Hoffnung, dieses Produkt der kanadischen Filmindustrie möge an Cronenbergs Frühwerke der 70er und frühen 80er anschließen. Eine Weile glaubt man, einen würdigen Nachfolger des mancherorten bereits als Kult gehandelten „The Void“ gefunden zu haben, auch weil das Figurenmaterial gewisse Ähnlichkeiten aufweist. Gerade Allan Hawco, dessen Ausstrahlung einer Verschmelzung der Gesichter von Colin Farell, Sean Patrick Flanery und Sean Astin gleichkommt, befeuert die auch bei „The Void“ zu beobachtende Konstellation, bei der schnödes Kleinstadt-Gesetz mit dem grenzenlosen Raum interdimensionalen Horrors konfrontiert wird. Nehmen wir noch Emily Alatalo dazu, die als Hawcos Ex die Atmosphäre mit unverarbeitetem Trennungsschmerz anreichert, dann ist auch schon alles hergerichtet für einen packenden Horrorthriller, der auch ohne großes Budget oder innovatives Drehbuch die Schrauben anzuziehen weiß.
Dann aber werden die Darsteller in einem kleinen Haus auf dem Land für zu lange Zeit sich selbst und ihren nicht allzu organischen Dialogzeilen überlassen. Wie Comic-Sprechblasen, die gerne einer geschmackvollen Graphic Novel angehören würden, sind sie geschrieben, sorgen für Stirnrunzeln und künstliches Verhalten der Charaktere, die im besten Falle einfach nur alten Klischees nachempfunden sind, im schlechtesten Falle aber einfach nur stereotyp wirken. Während Hawco stur seinen Schnuffelhelden mit Hundeaugen durchzieht und Alatalo als Dekoration durch die Zimmer gleitet, fügt sich bald noch Natalie Brown ins Ensemble ein, die ein wenig Licht ins Dunkel um die wissenschaftlichen Experimente im Haus bringt und die Brücke schlägt zu Adam Kenneth Wilson, der den Durchgeknallten an der Grenze zum Nervenzusammenbruch so anlegt, wie man es in größeren Produktionen üblicherweise von einem Patrick Fischler gewohnt ist. Dazu gesellt sich noch Wesley French, der sich mit seiner Kleinganoven-Visage ideal als erstes Opfer empfiehlt.
In dieser Phase werden nun also Internetseiten auf dem Computer dechiffriert, es werden im Geiste analogen Cronenberg-Horrors Videokassetten entschlüsselt, Stromkabel kartografiert und chaotische Kulissen voller wissenschaftlicher bis okkulter Relikte durchstöbert, um dem mysteriösen Durchgang auf dem Dachboden in kleinen Schritten auf die Spur zu kommen. Hier und da wird mal ein eher schlecht als recht funktionierender Computereffekt eingebaut (wie ein sich per CGI vergrößernder Fleck an der Wand, der sich wieder wie ein Flummi in den Normalzustand zurückversetzt, sobald der Darsteller in seine Richtung schaut… was im Ergebnis dann eher nach Comedy denn Horror anmutet). Im Laufe der Zeit verliert sich die eingangs aufgebaute Spannung leider, und weil auch die Effektschmiede in dieser Phase noch nicht nennenswert ins Geschehen eingreift, beginnt man alsbald das Interesse am Film zu verlieren.
Als sich dann endlich die ersten Body-Horror-Anzeichen auf dem Körper von Wesley French bilden, dessen Pupillen samt Iris sich auf einmal verdoppeln und auf dessen Handrücken sich rudimentäre Ansätze einer zweiten Hand bilden, da ist es beinahe schon zu spät. Knallharte Anhänger von Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ werden hier vielleicht noch einmal kurz aus dem Halbschlaf aufwachen, nur um erwartungsgemäß festzustellen, dass die Effekte natürlich weder qualitativ noch quantitativ mit Carpenters Klassiker mithalten können. Im Finale bekommt man es immerhin mit einer Herde Entstellter zu tun, die ein wenig aussehen wie wiederauferstandene Truthahnreste nach dem Thanksgiving-Dinner, richtige On-Screen-Mutationseffekte lagen aber wohl außerhalb des Budgets. So muss es mal wieder die Imaginationskraft des Zuschauers richten, und zumindest theoretisch ist die Idee um molekulare Verdopplung der Organe durchaus reizvoll, trägt sie doch die interessante Vorstellung in sich, dass die eigene Identität praktisch von einer unsauberen Kopie aus dem 3D-Drucker „überschrieben“ wird. Ein durchaus grauenerregender Gedanke, der nur leider nicht immer adäquat in filmische Mittel übertragen wird, was aber weniger den Effekten, sondern mehr der fehlenden Plausibilität bei der Psychologisierung der Figuren zuzuschreiben ist.
Gitarren-Superstar Slash, der hier aus nicht näher bekannten Gründen als ausführender Produzent in Erscheinung tritt (und als solcher im Vorspann auch prominent beworben wird), lässt es sich natürlich nicht nehmen, zu dem unheimlichen Treiben ein paar Riffs beizusteuern, gewährt später aber auch öfter mal elektronischen Spielereien den Vorrang vor den Saiten. Rush-Gitarrist Alex Lifeson wiederum macht den Streifen in einer kleinen Nebenrolle endgültig zum Must See für die Rock-Fraktion.
Nick Cutters Art zu schreiben kommt immerhin ein wenig durch und man erkennt ein paar ambitionierte Ansätze… aber vielleicht ist es einfach so, dass klein budgetierte Lovecraft-Huldigungen nicht unbedingt das sind, was die Filmlandschaft momentan braucht. Davon gab es in den letzten Jahren mehr als genug, auch in besserer Qualität. Anstatt all der bröckeligen Hügel wäre eigentlich mal so langsam die Zeit reif für massive Berge von Wahnsinn, realisiert mit Bergen von Geld, Bergen von überzeugenden On-Set-Spezialeffekten… und Bergen von Ideen, verarbeitet in einem wasserfesten Skript, das tatsächlich in eine andere Dimension befördert.
Schaut in den Trailer von “The Breach – Das Tor zur Hölle”
„The Breach – Das Tor zur Hölle“ erschien im November 2023 über Lighthouse Home Entertainment auf Blu-ray und DVD und kann natürlich auch auf diversen Portalen gestreamt werden.
Sascha Ganser (Vince)
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